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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Der Nutzen von marginalen strukturellen Modellen (MSM) in der longitudinalen Analyse von Routinedaten

Meeting Abstract

  • Edin Basic - Elsevier GmbH, Berlin, Deutschland
  • Sebastian Kloss - Pfizer Deutschland GmbH, Berlin, Deutschland
  • Friedhelm Leverkus - Pfizer Deutschland GmbH, Berlin, Deutschland
  • Mathias Rauchhaus - Charité-Universitätsmedizin Berlin,Campus Virchow-Klinikum, CC13, Berlin, Deutschland; Klinik mit SP Kardiologie & buivm, Berlin, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 146

doi: 10.3205/15gmds160, urn:nbn:de:0183-15gmds1603

Published: August 27, 2015

© 2015 Basic et al.
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Text

Einleitung: Die Beurteilung der klinischen Wirksamkeit der Behandlung in longitudinalen Beobachtungsstudien ist mit einigen analytischen Herausforderungen verbunden. Diese beinhalten die Notwendigkeit der adäquaten Berücksichtigung fehlender Daten, des Selektionsbias und möglicher Therapiewechsel. Besonderes Augenmerk muss dabei der Frage des Selektionsbias gewidmet werden, da die Behandlungsgruppen nicht durch Randomisierung gebildet wurden und sich oft in Bezug auf andere Merkmale als der Gruppenzugehörigkeit unterscheiden. Solche Behandlungsgruppen sind ohne entsprechende Annahmen und Adjustierung nicht direkt miteinander vergleichbar. Eng verbunden mit dem Selektionsbias ist auch die Möglichkeit des Therapiewechsels über die Zeit. Hierbei können Patienten jederzeit ihre Therapie wechseln, beenden, verändern (Kombinationstherapie) oder auf andere Weise nicht adhärent sein. Die korrekte/angemessene Berücksichtigung des Therapiewechsels in statistischen Analysen ist schwierig, da oft die Entscheidung für einen Therapiewechsel von stochastischen und zeitveränderlichen Faktoren abhängt, die zwischen den einzelnen Behandlungen variieren können. Ziel des Beitrags ist es anhand von anonymisierten Routinedaten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und am Beispiel der Therapie von Vorhofflimmern eine statistische Methodik zu präsentieren, mit der sich konsistente Ergebnisse erzielen lassen.

Material und Methoden: Die statistischen Ansätze zur Auswertung von Beobachtungsdaten lassen sich generell in drei Gruppen zusammenfassen: Ansätze, die einen Therapiewechsel ignorieren, Ansätze, die versuchen einen Therapiewechsel zu „eliminieren“ und Ansätze, die den Therapiewechsel direkt modellieren. Der Fokus dieses Beitrags liegt in den Ansätzen, die den Therapiewechsel direkt modellieren, wobei speziell auf die marginalen strukturellen Modelle (MSM) eingegangen wird.

Marginale Strukturmodelle (MSM), zusammen mit der Methode der Inverse Probability Treatment Weighting (IPWT), sind eine statistische Methode zur Untersuchung kausaler Effekte der zeitvariierenden Behandlungen oder Expositionen in Längsschnittstudien. Die Durchführung einer MSM-Analyse ist ein zweistufiger Prozess. Auf der ersten Stufe werden für jede Beobachtung zeitveränderliche Gewichte geschätzt. Diese Gewichte basieren auf der Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Behandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bekommen, gegeben die vorherige Behandlung und die Kovariaten bis zur aktuellen Behandlung. Die Kovariaten, die in die Berechnung der Gewichte eingehen, können über die Zeit variieren. Auf der zweiten Stufe wird dann eine gewichtete Modellanalyse mit verallgemeinerten Schätzgleichungen durchgeführt.

Um den Unterschied gegenüber den anderen Methoden, die den Therapiewechsel ignorieren oder eliminieren, zu zeigen, wurden auch „intention to treat“ (ITT) Ansatz und „as treated“ (AT) Ansatz betrachtet.

Ergebnisse: 103.521 Patienten, zwischen 18 und 105 Jahren, mit einer Vorhofflimmern-Diagnose im Zeitraum 2009 bis 2013 wurden identifiziert. Das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall (IS) und den Endpunkt alle Blutungen wurde zwischen Patienten, die mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA), Thrombozytenaggregationshemmern (TAH), z.B. Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel oder keiner Therapie behandelt wurden, verglichen. Dazu wurden Hazard ratios (HR) mittels eines Marginal Structural Models (MSM) mit Ergebnissen aus den anderen Ansätzen verglichen.

Eine Therapie mit TAH war im ITT Ansatz mit einem 50% erhöhten Risiko für IS, Odds Ratio: 1.47 (95% KI 1.38 – 1.56) und einer ca. 30%igen Reduktion im Blutungsrisiko gegenüber VKA verbunden, Odds Ratio: 0.68 (95% KI 0.65 – 0.72). Diese Ergebnisse bestätigten sich auch im AT Ansatz, bei dem nur die erste tatsächliche Expositionszeit betrachtet wurde. Hazard Ratio (HR): 1.54 (95% KI 1.25 – 1.89) für IS und HR: 0.69 (95% KI 0.65 – 0.74) für Blutungen. Im MSM Ansatz fanden sich diese Ergebnisse ebenfalls: HR: 1.57 (95% KI 1.33 – 1.84) für IS und HR: 0.67 (95% KI 0.64 – 0.7) für Blutungen.

Ein ähnliches Ergebnis wurde bei Patienten ohne Therapie gefunden: Für den Endpunkt IS: ITT (OR): 1.58 (95% KI 1.5 – 1.66), AT (HR): 2.64 (95% KI 2.25 – 3.1) und MSM (HR): 1.77 (95% KI 1.51 – 2.06) mit VKA als Referenz. Das Blutungsrisiko war wie erwartet reduziert verglichen mit VKA: 0.63 (95% KI 0.6 – 0.65), 0.78 (95% KI 0.75 – 0.81) und 0.86 (95% KI 0.83 – 0.89).

Eine Therapie mit TAH war in unserer Studie mit einem reduzierten Risiko für Blutungen allerdings auch mit einem erhöhten Risiko für ischämische Schlaganfälle assoziiert. Dieser Effekt zeigte sich konsistent über verschiedene Auswertungsansätze. Ähnliche Risiken zeigten sich auch für Patienten ohne Therapie.

Diskussion: MSM als komplexe Methode und der Möglichkeit zeitabhängige Kovariaten und Behandlungswechsel zu berücksichtigen, kann als Alternative zu den regelmäßig genutzten Auswertungsstrategien betrachtet werden und erzielen robuste Ergebnisse bei der Quantifizierung von Risiken einer Exposition.