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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Die bedingte Power in der Überlebenszeitanalyse unter Berücksichtigung von Überlebensfraktionen

Meeting Abstract

  • Andreas Kühnapfel - Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland
  • Fabian Schwarzenberger - Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland
  • Markus Scholz - Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 062

doi: 10.3205/15gmds141, urn:nbn:de:0183-15gmds1412

Published: August 27, 2015

© 2015 Kühnapfel et al.
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Text

Einleitung: Klinische Studien mit Überlebenszeitendpunkt sind häufig zeitaufwendig und kostspielig. Dementsprechend werden geplante Zwischenauswertungen durchgeführt. Ist die Schätzung der betrachteten Effektgröße zum Zeitpunkt der Zwischenauswertung weit von dem klinisch erwarteten Effekt entfernt, kann die bedingte Power ein nützliches Hilfsmittel sein, um über die Vergeblichkeit von weiteren Rekrutierungen zu entscheiden. Dies kann dann zu einem Abbruch der Studie führen. Die bedingte Power ist definiert als die Wahrscheinlichkeit, am Ende der Studie bei Vorhandensein eines Effekts ein signifikantes Ergebnis zu erhalten, gegeben die Daten aus der Zwischenauswertung.

Falls ein markanter Anteil der Patienten kein Ereignis erfährt, sind einfache Exponentialmodelle, wie sie von Andersen et al. [1] eingeführt wurden, zur Beschreibung der Daten ungeeignet. Eine Möglichkeit dieses Problem zu beheben, ist die Einführung von Non-Mixture-Modellen.

In dieser Arbeit werden Formeln zur bedingten Power unter drei verschiedenen Non-Mixture-Modellen (gemäß der Exponential-, der Weibull- und der Gammaverteilung) hergeleitet und auf klinische Daten einer randomisierten Studie exemplarisch angewendet sowie mit den entsprechenden Ergebnissen des einfachen Exponentialmodells ohne Annahme einer Überlebensfraktion verglichen.

Material und Methoden: Die Methode wurde zunächst für den Vergleich zweier Therapiearme unter Annahme proportionaler Hazards entwickelt. Die Überlebenskurven werden parametrisch beschrieben, um die asymptotischen Eigenschaften der Maximum-Likelihood-Methode anwenden zu können. Asymptotische Normalität und Erwartungstreue der Schätzungen zusammen mit der Delta-Methode ermöglichen es, die asymptotische Verteilung der betrachteten Teststatistik herzuleiten. Im vorliegenden Fall ist dies der Logarithmus des Schätzers des Hazard Ratios. Ein Problem kann die Nichterfüllung der Regularitätsbedingungen sein, die für die asymptotischen Eigenschaften der Maximum-Likelihood-Schätzer benötigt werden. Dieses Problem kann aufgrund der verwendeten Quasi-Wahrscheinlichkeitsdichten auftreten, bei denen die entsprechenden Überlebensfunktionen nicht wie üblich gegen Null sondern gegen ein Plateau auf dem Niveau der jeweiligen Überlebensfraktion konvergieren.

Unter diesen Annahmen können asymptotische Normalverteilungen für den logarithmierten Schätzer des Hazard Ratios abgeleitet werden, woraus sich die jeweiligen Power-Funktionen ergeben. In einem zweiten Schritt wurden entsprechende Überlegungen für den bedingten Fall wiederholt.

Zur praktischen Anwendung wurde das R-Paket „CP“ [2] entwickelt, welches in der Version 1.5 unter CRAN verfügbar ist. Die Methode wurde zudem auf Daten der Zwischenauswertung der High-CHOEP-Studie der Deutschen Studiengruppe Hochmaligne Non-Hodgkin-Lymphome (DSHNHL) [3] angewendet.

Ergebnisse: In der High-CHOEP-Studie wurden 398 Patienten in die zwei Arme CHOEP (Standard-Dosierung) und High-CHOEP (erhöhte Dosierung) randomisiert. Bei der Planung der Studie wurde von einem Hazard Ratio von 0,653 ausgegangen.

Zum Zeitpunkt der Zwischenauswertung konnten Daten von 233 Patienten (CHOEP: 118, High-CHOEP: 115) ausgewertet werden, darunter 69 Ereignisse (CHOEP: 33, High-CHOEP: 36) und entsprechend 164 Zensierungen (CHOEP: 85, High-CHOEP: 79) bei insgesamt 4306 Personenmonaten (CHOEP: 2191, High-CHOEP: 2115). Das beobachtete Hazard Ratio lag bei 1,133.

Die Anwendung der Formeln zur Berechnung der bedingten Power auf diese Daten ergab deutliche Unterschiede zwischen dem einfachen Exponentialmodell ohne Überlebensfraktion und den Non-Mixture-Modellen. Die Daten zeigen Überlebensfraktionen von 67,8% (CHOEP) und 63,2% (High-CHOEP). Das einfache Exponentialmodell beschreibt daher die Daten nur unzureichend und führt zu einer überoptimistischen Schätzung der bedingten Power (43,0%). Innerhalb der Non-Mixture-Modelle waren die Unterschiede bezüglich der geschätzten bedingten Power jedoch relativ gering (14,6-19,2%).

Diskussion: Mit dem Ziel, Aussagen zu den Erfolgsaussichten weiterer Rekrutierungen bei der Zwischenauswertung einer randomisierten Studie treffen zu können, gelang es, explizite asymptotische Formeln für die drei betrachteten parametrischen Non-Mixture-Modelle herzuleiten. Im Allgemeinen kann man sagen, dass bei der Verwendung der Non-Mixture-Weibull- und Non-Mixture-Gammamodelle eine größere Flexibilität bei der Anpassung an die Daten gegeben ist als dies bei dem Non-Mixture-Exponentialmodell der Fall ist. Allerdings scheinen die Abweichungen zwischen dem Non-Mixture-Weibull- und dem Non-Mixture-Gammamodell in der Praxis vernachlässigbar zu sein.

Neben den Non-Mixture-Modellen können entsprechende Überlegungen auch für Mixture-Modelle durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind jedoch häufig sehr ähnlich [4]. Ein anderer Ansatz wäre die Anwendung Bayesianischer Methoden.

Die Herleitung der Formeln beruht auf der Annahme proportionaler Hazards der beiden zu vergleichenden Therapiearme. Somit steht dieser Ansatz in Beziehung mit dem Cox-Modell mit spezifizierter Baseline Hazard [5]. Ohne diese Annahme müsste das Hazard Ratio innerhalb der Non-Mixture-Modelle zeitabhängig modelliert werden, was zu Problemen bei der Herleitung der asymptotischen Verteilung der Teststatistik führt.

Die Anwendung auf klinische Studiendaten zeigte, dass die hergeleiteten Non-Mixture-Modelle die Daten gut beschreiben. Die Annahme eines einfachen Exponentialmodells bei deutlicher Überlebensfraktion führt dagegen aufgrund überschätzter Ereignisraten zu einer Überschätzung der Power.

Abschließend soll bemerkt werden, dass der vorzeitige Abbruch klinischer Studien eine komplexe Entscheidung ist. Die hier betrachtete bedingte Power stellt nur ein statistisches Argument hinsichtlich Vergeblichkeit weiterer Rekrutierungen dar. Neben weiteren statistischen Maßen wie Alpha-Spending oder Konfidenzintervalle der beobachteten Effektgrößen sind jedoch stets auch nicht-statistische Argumente wie ethische, praktische und ökonomische Gründe bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.


Literatur

1.
Andersen PK. Conditional power calculations as an aid in the decision whether to continue a clinical trial. Controlled Clin Trials. 1987;8:67-74.
2.
The Comprehensive R Archive Network. Package CP: Conditional Power Calculations. [zitiert am 05.06.2015]. URL: http://cran.r-project.org/web/packages/CP/index.html External link
3.
Pfreundschuh M, Zwick C, Zeynalova S, Duehrsen U, Pflueger KH, Vrieling T, Mesters R, Mergenthaler HG, Einsele H, Bentz M, Lengfelder E, Truemper L, Ruebe C, Schmitz N, Loeffler M. Dose-escalated CHOEP for the treatment of young patients with aggressive non-Hodgkin’s lymphoma: II. Results of the randomized high-CHOEP trial of the German High-Grade Non Hodgkin’s Lymphoma Study Group (DSHNHL). Ann Oncol. 2007;19:545–52.
4.
Achcar JA, Coelho-Barros EA, Mazucheli J. Cure fraction models using mixture and non-mixture models. Tatra Mt Math Publ. 2012;51:1–9.
5.
Cox DR. Regression models and life-tables. J R Stat Soc. 1972;34:187–220.