gms | German Medical Science

GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Identifikation und Evaluation von generischen Templates zur semantischen Ableitung von Wissen aus medizinischen Leitlinien

Meeting Abstract

Search Medline for

  • Verena Stanicki - Fachhochschule Dortmund, Dortmund, Deutschland
  • Britta Böckmann - Fachhochschule Dortmund, Dortmund, Deutschland; IMIBE- Institute for Medical Informatics, Biometry and Epidemiology, University Hospital, University Duisburg-Essen, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 214

doi: 10.3205/15gmds095, urn:nbn:de:0183-15gmds0956

Published: August 27, 2015

© 2015 Stanicki et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Einleitung: Im deutschen Gesundheitswesen werden evidenzbasierte Leitlinien zunehmend als sinnvolle und notwendige Entscheidungshilfe herangezogen, um eine qualitative und effiziente Patientenversor-gung zu gewährleisten [1]. Jedoch erachten die meisten Leistungserbringer die Informationsextraktion aus medizinischen Leitlinien auf Grund ihrer Struktur als zu zeitaufwendig. Diese Aussage stützt sich auf die im Jahr 2011 durchgeführte COISMA-Studie der Universität Münster. In dieser gaben 51% der befragten niedergelassenen Leistungserbringer, den Mangel an Zeit für die geringe Verwendung von Leitlinien im Rahmen der Patientenbehandlung an [2]. Um eine leitlinienkonformere Patientenbehandlung zu ermöglichen, muss daher eine Möglichkeit geschaffen werden, um explizites Leitlinienwissen den Leistungserbringern am Point of Care zur Verfügung zu stellen. Die vorhergegangene Forschungsarbeit von Dr. Katja Heiden beschäftigt sich genau mit dieser Problemstellung [3]. Das Ziel ihrer Arbeit lag unter anderem in der Entwicklung eines Metamodells, welches die Komponenten von medizinischen Leitlinien und klinischen Pfaden miteinander verbindet. Durch dieses kann das extrahierte Wissen aus den Leitlinien formalisiert abgebildet und zur Generierung leitlinienkonformer Pfade herangezogen werden.

An dieser Ausgangssituation setzt die hier beschriebene Forschungsarbeit an. Die Zielsetzung dieser Arbeit liegt darin, dem Anwender die Möglichkeit zu bieten, ohne großes IT-Knowhow sowie Zeitaufwand die Leitlinieninformationen durch semantische Verfahren zu extrahieren und das Wis-sen leitlinienkonform am Point of Care zur Verfügung zu stellen. Um diesen Ansatz realisieren zu können, wurden im ersten Schritt generische Templates identifiziert, welche das extrahierte Leitlinienwissen modularisiert widerspiegeln. Im weiteren Verlauf der Forschungsarbeit sollen diese Templates durch die Anwendung von Natural Language Processing (NLP)-Verfahren mit dem extrahierten Wissen gefüllt werden, um somit das Wissen formalisiert zur Verfügung stellen.

Material und Methoden: Medizinische Leitlinien sind systematisch entwickelte, wissenschaftlich begründete und praxisorientierte Entscheidungshilfen für Ärzte und Patienten, die eine individuell angemessene gesundheitliche Versorgung ermöglichen sollen [4]. Dabei bündeln sie das umfangreiche Wissen über eine bestimmte Indikation aus klinischen Erfahrungen und wissenschaftlicher Evidenz. Die Grundlage einer medizinischen S3-Leitlinie bildet dabei eine evidenzbasierte Medizin. Ein großer Nachteil von Leitlinien liegt jedoch in ihrer Komplexität. So können beispielsweise S3-Leitlinien zumeist mehrere 100 Seiten umfassen und sind zudem wenig strukturiert und formalisiert. Aus diesem Grund gestaltet sich eine schnelle Informationsgewinnung als sehr aufwendig. Um diesen Prozess zu optimieren, können Verfahren der semantischen Informationsextraktion verwendet werden.

Ein wesentlicher Bestandteil der traditionellen Informationsextraktion bildet die Spezifikation von Templates [5]. Dabei stellen Templates eine Schablone dar, um das extrahierte Wissen zu einem bestimmten Sachverhalt aus der medizinischen Leitlinie abzubilden. Dabei werden diese Informationen aus den Leitlinien durch verschiedene NLP-Techniken wie beispielsweise reguläre Ausdrücke, Part-of Speech-Tagging oder einer Koreferenzanalyse extrahiert. Die so erhaltenen Informationen werden anschließend für das Füllen der Templates verwendet. Der Aufbau eines Templates besteht dabei meist aus Attribute-Werte-Paaren. Dabei wird für jedes Attribut die Art sowie die Struktur der Wertebereiche im Vorfeld definiert. Durch diese Vorgehensweise werden innerhalb des Templates alle wichtigen Informationen zu beispielsweise einer Untersuchung oder Medikation abgelegt. Die Struktur sowie die Wertebereiche der in dieser Forschungsarbeit spezifizierten Templates orientieren sich an einem zugrunde gelegten Metamodell.

Um ein Template mit einem hohen Informationsgehalt zu füllen, ist es wichtig das ganze Dokument zu berücksichtigen und nicht nur ausgewählte Textpassagen. Jedoch erhöht sich durch diesen Um-stand auch die Komplexität der Informationsgewinnung. So müssen die Informationen aus mehreren Textabschnitten innerhalb eines Templates zusammengeführt werden. Im Gegensatz zur traditionellen Informationsextraktion bei der die Informationen des Textes innerhalb eines einzelnen Templates abgebildet werden, werden im Rahmen dieser Forschungsarbeit mehrere Templates spezifiziert. Diese Vorgehensweise wurde gewählt um den Anwender die Informationen möglichst modular am Point am Care zur Verfügung zu stellen.

Für die Ableitung der Templates wurde das von Dr. Katja Heiden entwickelte Metamodell [3] zugrunde gelegt. Dieses auf HL7 basierende Metamodell dient zur Abbildung leitlinienkonformer Pfade und bietet die Möglichkeit anhand verschiedener Kategorien die Informationen einer Leitlinie abzubilden. Durch die Einteilung der Leitlinieninformationen in die Kategorien: deskriptive Leitlinieninformationen, strukturelle Komponenten, Kontrollflusselemente, Aktivitäten, generische Parametersystem sowie die Abbildung von Zuständigkeiten, Qualifikationen und Ressourcen wird es ermöglicht, die Informationen formalisiert abzubilden.

Ergebnisse: Um Templates zur Wissensgewinnung aus medizinischen Leitlinien abzuleiten, wurden im ersten Schritt die S3-Leitlinien „Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms“ sowie „Koxarthorse“ auf ihre einzelnen Leitlinieninformationen hin analysiert. Neben der Analyse der Leitlinien wurde ebenfalls der aktuelle Stand der Forschung evaluiert und mit den Ergebnissen der Analyse abgeglichen. Durch diese Vorgehensweise konnten einzelne generische Bausteine sowie die entsprechenden Zusatzinformationen extrahiert und zur Ableitung generischer Template herangezogen werden. Durch diese Analyse ergaben sich zum aktuellen Zeitpunkt 15 generische Templates, welche das generische Leitlinienwissen widerspiegeln. Zu diesen Templates zählen unter anderem „Patientenaufklärung“, „Untersuchung“, „Basisdiagnostik“ und „medikamentöse Therapie“. Die Attribute der Templates wurden aus dem zugrunde gelegten Metamodell abgeleitet. So ist beispielsweise das Template „Untersuchung“ durch die Attribute Code, Titel, Beschreibung, Zeitraum sowie den Akteuren definiert. Um die Einteilung der Informationen im Kontext der Gesamtbehandlung einordnen zu können, wurden jedem Template die entsprechende Episode entsprechend dem Metamodell, wie beispielsweise Diagnostik, Therapeutik oder Nachsorge zugeordnet.

Diskussion: Durch die durchgeführte Evaluation der generischen Templates konnte bereits zum aktuellen Zeitpunkt gezeigt werden, dass das Metamodell zur Abbildung dieser herangezogen werden kann. Jedoch muss das Metamodell um neue Elemente erweitert werden, damit die Templates vollständig abgebildet werden können. Im weiteren Verlauf der Forschungsarbeit werden weitere Leitlinien auf generische Bausteine hin analysiert, um die Qualität der generischen Templates zu steigern. Ebenso werden leitfadenorientierte Experteninterviews mit niedergelassenen Ärzten durchgeführt um die Vollständigkeit sowie die Validität der Templates zu evaluieren. Es wird angestrebt, die endgültigen Ergebnisse der Evaluation bis September vorliegen zu haben.


Literatur

1.
Ollenschläger G, Kirchner H, Thomeczek C. Aktuelle Initiativen zur Realisierung nationaler Leitlinien in Deutschland – eine Übersicht. In: Lauterbach KW, Schrappe M, Hrsg. Gesundheitsökonomie, Qualitätsmanagement und Evidence-based Medicine. Stuttgart: Schattauer; 2004. p. 513-523
2.
Behrens T, Keil U, Heidrich J. Barrieren bei der Umsetzung von Leitlinien. Dtsch Arztebl Int. 2011; 108(28-29): 491.
3.
Heiden K. Digitales, sektorenübergreifendes Prozessmanagement im Gesundheitswesen [Dissertation]. Dortmund: Technische Universität Dortmund; 2015
4.
Leitlinien.de. Berlin: Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ); updated 2015 March 4. Available from: http://www.leitlinien.de/leitlinienmethodik/leitlinien-glossar/ External link
5.
Dengel A. Semantik in der Informationsextraktion. In: Dengel A, Hrsg. Semantische Technologien Grundlagen - Konzepte - Anwendungen. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag; 2012. p.217