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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Auswahl geeigneter Terminologien für die Übermittlung von meldepflichtigen Erregern – Erste Erfahrungen im Rahmen des Projektes eMeldewesen.nrw

Meeting Abstract

  • Lars Treinat - ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH, Bochum, Deutschland
  • Matthias Aschhoff - Zentrum für Telematik und Telemedizin Bochum, Bochum, Deutschland
  • Sylvia Thun - Hochschule Niederrhein, Krefeld, Deutschland
  • Heike Dewenter - Hochschule Niederrhein, Korschenbroich, Deutschland
  • Elisabeth Pantazoglou - Hochschule Niederrhein, Krefeld, Deutschland
  • Kai U. Heitmann - HL7 Deutschland, Köln, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 054

doi: 10.3205/15gmds090, urn:nbn:de:0183-15gmds0906

Published: August 27, 2015

© 2015 Treinat et al.
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Text

Einleitung:Gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) sind in Deutschland Ärzte, Krankenhäuser und Laboratoriumseinrichtungen gesetzlich verpflichtet, festgestellte meldepflichtige Erkrankungen (§ 6 IfSG) und Erregernachweise (§ 7 IfSG) an die zuständigen Gesundheitsbehörden zu übermitteln. Die betreffenden Erkrankungen und Erreger, die meldepflichtigen Personenkreise, die zuständigen Behörden und die weiteren zu übermittelnden Inhalte sind abschließend im IfSG geregelt. Bislang erfolgt die Meldung zumeist in Papierform oder per Fax. Dies verursacht hohe Aufwände bei der Erfassung und Auswertung. Insbesondere die uneinheitliche Bezeichnung von Erregern, Nachweismethoden und Materialien führt zu zahlreichen Nachfragen, die meist telefonisch geklärt werden. In der Folge besteht ein nicht unerheblicher zeitlicher Verzug hinsichtlich eines vollständigen Lagebildes bei Ausbrüchen. Dies ist problematisch wenn auf Einzelfallebene Informationen zur Einleitung konkreter Maßnahmen im Rahmen der Gefahrenabwehr benötigt werden (z.B. Ermittlung und Entschärfung/Isolation von Infektionsquellen).

Vor diesem Hintergrund arbeitet man in Nordrhein-Westfalen an der Erprobung und Einführung von strukturierten elektronischen Meldungen, um sowohl die zeitliche Verfügbarkeit, als auch die Datenqualität der Meldungen zu verbessern. Für die Übermittlung wurden strukturierte Datensätze auf Basis von HL7-CDA [1] entwickelt, welche die relevanten Informationen sowohl menschen- als auch maschinenlesbar abbilden. In diesem Kontext ist es sinnvoll, neben Festlegungen zur syntaktischen Interoperabilität auch zur Semantik zu treffen. Da proprietäre Kode-Systemen eine ganze Reihe von Problemen (z.B. dauerhafte Sicherstellung der Pflege, Aktualität, Verfügbarkeit, Akzeptanz) aufwerfen, stellt sich die Frage, welche bereits verfügbaren Value-Sets oder Terminologien geeignet sind, die bestehenden Anforderungen zu erfüllen. Dabei sollen möglichst viele – insbesondere relativ zum Meldeaufkommen häufige – Meldesachverhalte über standardisierte Value-Sets abgebildet werden.

Material und Methoden: Für die Arztmeldung zu meldepflichtigen Erkrankungen nach § 6 IfSG wurden die amtlichen Musterformulare mit der vom DIMDI herausgegebenen amtlichen Klassifikation der Diagnosen auf Basis des ICD-10 GM abgeglichen. Als Ausgangspunkt für die Untersuchung der Labormeldung über meldepflichtige Erregernachweise nach § 7 Abs. 1 und 2 IfSG wurden die Value-Sets für Erreger, Nachweismethoden und Materialien der vom Robert Koch-Institut (RKI) entwickelten Software „SurvNet@RKI“ zugrunde gelegt. Diese wird eingesetzt, um eingehende Meldungen zu erfassen und über die Landesstellen nach § 11 IfSG an das auf Bundesebene zuständige RKI weiterzuleiten. Mit Blick auf die Verfügbarkeit und laufende Pflege der Value-Sets wurden für die Labormeldung die vom Regenstrief Institute herausgegebenen „Logical Observation Identifiers Names and Codes“ (LOINC) [2] sowie die von der International Health Terminology Standards Development Organisation (IHTSDO) herausgegebene Terminologie „SNOMED Clinical Terms“ (SNOMED CT) [3] als potentielle Kandidaten darauf hin untersucht, inwieweit diese geeignet sind, die auf Seiten der Behörden benutzten semantischen Konzepte aus „SurvNet@RKI“ abzubilden. Als Werkzeuge kamen dabei der „CliniClue®“-Browser für SNOMED-CT sowie der Regenstrief LOINC Mapping Assistant „RELMA“ für LOINC zum Einsatz.

Ergebnisse: Hinsichtlich der Arztmeldung konnte gezeigt werden, dass 23 von 25 der gemäß § 6 Abs. 1 IfSG meldepflichtigen Sachverhalte über entsprechende Konzepte der amtlichen Diagnoseklassifikation ICD-10 GM abgebildet werden können. Während für alle meldepflichtigen Krankheiten sowie meldepflichtige Impfreaktionen geeignete ICD-10 Codes existieren, ist es nicht möglich hiermit „unscharfe“ Meldesachverhalte abzubilden. Dies betrifft im Gesetz nicht namentlich genannte Krankheitserreger, soweit deren örtliche und zeitliche Häufung auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit hinweist. Vorteilhaft ist, dass die ICD-10-Diagnosekodes sowohl in Krankenhaus- als auch in Arztinformationssystemen (häufig im Hintergrund) für Abrechnungszwecke dokumentiert werden.

Da LOINC als multiaxiales Begriffssystem sechs verschiedene Achsen einem LOINC-Kode präkoordiniert zuordnet, resultiert aus den vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten von Erregern, Nachweismethoden und Materialien eine große Zahl potentiell in Frage kommender Kodes. Für die TOP-20 Meldesachverhalte aus NRW auf Basis der RKI-Falldefinitionen wurden ca. 800 potentiell in Frage kommende Kodes gefunden. Bezogen auf alle 51 im § 7 Abs. 1 IfSG aufgelisteten Erreger finden sich auf Basis der RKI-Falldefinitionen ca. 2.400 potentielle LOINC-Kodes.

Die zur LOINC alternativ betrachtete Verwendung von SNOMED CT bietet die Möglichkeit, komplexe Sachverhalte in die entsprechenden Bedeutungsbestandteile (Achsen) zu zerlegen und einzeln zu kodieren. Dadurch kann mittels einer Kombination der Einzelkodes (Postkoordination) der zu meldende Sachverhalt flexibel abgebildet werden. Die meldepflichtigen Erreger und die Untersuchungsmaterialien (10 Konzepte) sind zu 100% über SNOMED CT darstellbar. Die Suche nach geeigneten Kodes für Methoden lieferte jedoch nicht immer eine exakte Übereinstimmung. Hier konnten nur für 9 von 11 Konzepten entsprechende SNOMED CT-Codes zugeordnet werden.

Diskussion: Wenn man betrachtet, dass die aktuell gültigen Falldefinitionen des RKI sich lediglich auf die statistische Falleinstufung durch die Gesundheitsbehörden beziehen und rein formal auch andere (ggf. „exotische“) Kombinationen von Erregern, Nachweismethoden und Material meldepflichtig sind, wäre bei einer Kodierung mittels LOINC zumindest theoretisch mit einer wesentlich größeren Zahl potentieller Kodes zu rechnen. Auch wenn die meldepflichtigen Labore in ihren Primärsystemen nur für die jeweils bei ihnen gebräuchlichen Kombinationen von Erreger, Material und Methode entsprechende LOINC-Kodes hinterlegen bräuchten, wären die Labore dabei auf Unterstützung von Experten angewiesen. Daher erscheint die Verwendung von SNOMED CT für Meldezwecke vorteilhafter.

Obwohl die geplante Evaluation des Projektes aufgrund Verzögerungen bei der Primärsystemimplementierung derzeit noch aussteht, liegen von den teilnehmenden Laboren durchaus positive Rückmeldungen zu dem erwarteten Nutzen der Verwendung von standardisierten Kodes vor. Im Fokus stehen die Verbesserung des Datenaustausches bei arbeitsteiligen Prozessen sowie die Optimierung des Pflegeaufwandes der verwendeten Kataloge. Seitens der Behörden wird ein erheblicher Nutzen durch weniger Rückfragen bezüglich unklarer Bezeichnungen oder Abkürzungen erwartet. Aktuell wird durch einen Hersteller für Behördensoftware eine Import- und Mappingfunktion für Übernahme in das SurvNet@RKI-Datenformat implementiert, welche in Kürze beim Gesundheitsamt Bochum erprobt werden soll.

Die Erfahrungen des Projektes legen nahe, dass die Verwendung einer standardisierten Terminologie in Kombination mit elektronischen Meldungen praktikabel und sinnvoll ist. Die Erwartung einer besseren Erkennung von meldepflichtigen Fällen und einer höheren Vollzähligkeit – insbesondere bei den Arztmeldungen – wird auch durch die Untersuchung von Rajeev D et al 2011 [4] bestärkt. Dies gilt ebenfalls für die Eindeutigkeit der übermittelten Daten, wie durch Lazarus R et al 2009 [5] gezeigt wurde. Hinzu kommt, dass vielfältige Möglichkeiten eröffnet werden, sowohl im Bereich der Labordiagnostik als auch der Gesundheitsbehörden über nationale Grenzen hinweg effizient zusammenzuarbeiten. Dabei wäre auch die gemeinsame/komplementäre Verwendung von LOINC und SNOMED CT in Betracht zu ziehen.


Literatur

1.
HL7 Deutschland e.V. Meldewesen und Infektionsschutz. http://wiki.hl7.de/index.php/Meldewesen_und_Infektionsschutz_%28Projekt%29 (23.03.2015) External link
2.
Regenstrief Institute, Inc. LOINC - A universal code system for tests, measurements, and observations. https://loinc.org/ (23.03.2015) External link
3.
International Health Terminology Standards Development Organisation (IHTSDO). SNOMED CT. http://www.ihtsdo.org/snomed-ct/ (23.03.2015) External link
4.
Rajeev D, Staes C, Evans RS, Price A, Hill M, Mottice S, Risk I, Rolfs R. Evaluation of HL7 v2.5.1 electronic case reports transmitted from a healthcare enterprise to public health. AMIA Annu Symp Proc. 2011;2011:1144-52.
5.
Lazarus R, Klompas M, Campion FX, McNabb SJ, Hou X, Daniel J, Haney G, DeMaria A, Lenert L, Platt R. Electronic Support for Public Health: validated case finding and reporting for notifiable diseases using electronic medical data. J Am Med Inform Assoc. 2009 Jan-Feb;16(1):18-24. DOI: 10.1197/jamia.M2848 External link