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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Braucht ein klinisches Krebsregister eine elektronische Fallakte?

Meeting Abstract

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  • Stefan Lenz - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland; Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg, Deutschland; Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), Deutschland
  • Torsten Panholzer - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
  • Frank Ückert - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland; Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg, Deutschland; Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 075

doi: 10.3205/15gmds081, urn:nbn:de:0183-15gmds0812

Published: August 27, 2015

© 2015 Lenz et al.
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Einleitung: Zur Umsetzung des Nationalen Krebsplans, der eine Verbesserung der onkologischen Versorgung beabsichtigt, wurde 2013 auf Initiative der Bundesregierung das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz, kurz KFRG [1], erlassen. Die Bundesländer werden darin zum Aufbau von flächendeckenden klinischen Krebsregistern verpflichtet. Dadurch soll eine systematische und einheitliche Erfassung von Daten zu Verlauf und Therapie von Tumorerkrankungen sichergestellt und somit die onkologische Qualitätsberichterstattung gestärkt werden. Seitdem sind Landeskrebsregister im Auf- oder Umbau, die die Vielfalt der Anforderungen an ein klinisches Krebsregister zu erfüllen versuchen.

Das KFRG nennt als eine weitere Aufgabe eines klinischen Krebsregisters „die Förderung der interdisziplinären, direkt patientenbezogenen Zusammenarbeit bei der Krebsbehandlung“.

Eine Verbesserung der elektronischen Kommunikation zwischen den Behandlern, besonders in Tumorkonferenzen, kann die Zusammenarbeit intensivieren.

Elektronische Fallakten für die Behandlung können eine Lösung sein. Sie erlauben eine Datenerfassung über Sektorengrenzen und können Kommunikationsprozesse besonders durch den einfachen Datenaustausch unterstützen. Elektronische Fallakten sind in Entwicklung oder schon im Betrieb, um die Einweisung für niedergelassene Ärzte zu erleichtern und sich so im Wettbewerb mit anderen Häusern zu positionieren [2].

Es stellt sich die Frage, in wie weit ein klinisches Krebsregister von einer elektronischen Fallakte profitieren kann.

Material und Methoden: Im Projekt TeamTreat [3] der Autoren wurde eine elektronische Fallakte entwickelt, die in einer regionalen Behandlungsplattform benutzt werden soll. Aus der Erfahrung mit dieser Behandlungsplattform soll hier die Anwendung in Zusammenhang mit einem klinischen Krebsregister geprüft werden.

Ergebnisse: Bei einer interdisziplinären, direkt patientenbezogenen Zusammenarbeit müssen die beteiligten Ärzte Zugriff auf personenbezogene Patientendaten haben [4]. Dafür ist eine einrichtungsunabhängige Fallakte bestens geeignet.

Der GKV-Spitzenverband hat auf Basis des KFRG Förderkriterien zur Regelung der Vergütung des Meldewesens für klinische Krebsregister erarbeitet und in einem Förderkatalog spezifiziert [5]. Darin sind zwei Förderkriterien genannt, die mittels einer elektronischen Fallakte umgesetzt werden können: Der behandelnde Arzt soll vom klinischen Krebsregister „patientenbezogene Rückmeldungen des gesamten registrierten Krankheitsverlaufs“ als „Grundlage für Therapieentscheidungen“ erhalten (Kriterium 3.01). Zum zweiten sollen sektorenübergreifende und interdisziplinäre Tumorkonferenzen initiiert oder begleitet werden, um Behandlungsnetzwerke zu fördern (Kriterium 5.01).

Wenn das Krebsregister Patientendaten an behandelnde Ärzte weitergegeben soll, muss zunächst bekannt sein, wer an der Behandlung eines Patienten beteiligt ist. Sind dabei verschiedene Einrichtungen beteiligt, ist dies nicht leicht festzustellen. Am einfachsten und sichersten kann dies durch eine elektronische Fallakte gewährleistet werden, die von diesem Personenkreis für die Behandlung benutzt wird. Die Zugriffsberechtigung zur Fallakte kann jeder berechtigte Arzt im Laufe der Behandlung weiteren Ärzten geben (Peer-To-Peer-Prinzip). So sind immer alle nötigen Adressaten in den Kommunikationsfluss eingebunden. Ein weiterer Vorteil bei der Nutzung einer elektronischen Fallakte für die Tumorbehandlung ist, dass Mehrfachmeldungen an das klinische Krebsregister verhindert werden können, wenn die Meldungen in der Akte unmittelbar sichtbar sind.

Damit ein solches System in der beschriebenen Form benutzt wird, muss es den Behandlern allerdings einen Mehrwert für die Kommunikation bieten. Es wird nicht genügen, Daten in rein strukturierter Form, wie dem für klinische Krebsregister vorgeschriebenen ADT/GEKID-Datensatz [5], auszutauschen. Für die menschliche Kommunikation ist primär wichtig, dass Dokumente (Arztbriefe, Laborbefunde, Röntgenbilder im DICOM-Format) und allgemein textbasierte Informationen einfach ausgetauscht werden können. Eine elektronische Fallakte, die die Transportsicherheit der Daten garantiert, ist dafür besonders geeignet. Neben dem konventionellen Dateiupload und einem speziellen DICOM-Upload ist eine Faxschnittstelle zum direkten Einstellen von Papierdokumenten in die elektronische Fallakte von Vorteil, um einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zum System zu ermöglichen. Diese so gesammelten, unstrukturierten Daten sind zwar im Allgemeinen nicht maschinell für das klinische Krebsregister verwertbar. Sie können aber in einem nächsten Schritt als Grundlage für strukturierte Meldungen benutzt werden und so auch den Meldeprozess für die Benutzer des Systems vereinfachen.

Diskussion: Eine elektronische Fallakte ist eine wertvolle Ergänzung eines klinischen Krebsregisters. Die Datenhaltung muss jedoch davon getrennt sein, da zum Zwecke einer statistisch auswertbaren Dokumentation allein strukturierte Daten von Nutzen sind. Aus Gründen der Datensparsamkeit dürfen die unstrukturierten Daten nur für den Zeitraum der Behandlung online verfügbar sein und sollten auch sonst nicht dauerhaft an einer zentralen Stelle gespeichert werden.

Zudem bleibt die Zustimmung des Patienten zur Weitergabe seiner Daten über eine einrichtungsübergreifende elektronische Fallakte wohl erforderlich, da die Speicherung und Verarbeitung der Daten nicht unmittelbar für die Zwecke der Krebsregistrierung erfolgt und somit keine gesetzliche Grundlage dafür gegeben ist [4].

Eine systematische und einheitliche Erfassung von Daten, wie sie im engeren Sinne vom KFRG gefordert wird, ist durch eine elektronische Fallakte nicht möglich. Denn die Verwendung der Akte ist optional für Behandler und Patient. Auch wird die Akte besonders bei komplexen Fällen eingesetzt, wo eine intensive Kommunikation zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen stattfinden muss. Somit bilden die Fälle der Patientenakte keinen vollständigen Patientenquerschnitt ab.

Jedoch kann die elektronische Fallakte einen Beitrag zur Versorgungsforschung leisten, indem sie vernetzte Strukturen in der Behandlung kontaktierbar und die Behandlungsabläufe auswertbar macht, wenn sie dafür freigegeben werden. Zudem ist aus der Perspektive der Medizininformatik die Betrachtung einer einrichtungsübergreifenden elektronischen Kommunikation ein interessantes Forschungsobjekt.


Literatur

1.
Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister (Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz – KFRG). Bundesgesetzblatt Teil I. 8. April 2013;(16):617.
2.
Burghardt K, Binder A, Braun GE. Status Quo und Entwicklungsrichtungen des Einweisermanagements deutscher Kliniken – Ergebnisse einer empirischen Studie. Georg Thieme Verlag Stuttgart, New York; 2014.
3.
Lenz S, Panholzer T, Emmerich P, Ückert F. TeamTreat - a communication platform for concerted cancer treatment. Stud Health Technol Inform. 2014;205:627–31.
4.
Hensmann J. Datenschutzrechtliche Begutachtung zur Umsetzung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister (Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz – KFRG) [Internet]. 2013 [zitiert 30. Januar 2015]. Verfügbar unter: http://www.tumorzentren.de/tl_files/dokumente/Gutachten%20Dierks+Bohle_Umsetzung%20KFRG.pdf External link
5.
Kriterien zur Förderung klinischer Krebsregister des GKV-Spitzenverbandes [Internet]. 2013 [zitiert 30. Januar 2015]. Verfügbar unter: http://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/presse/publikationen/2013-12-20-Foerderkriterien_des_GKV-SV_fuer_klinische_Krebsregister_gem__KFRG_Kriterienkatalog.pdf External link