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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Klassierungs-Wizard zur Zuordnung von Seltenen Erkrankungen auf Basis der Orphanet-Klassifikation

Meeting Abstract

  • Tobias Hartz - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
  • Holger Storf - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
  • Wulf Pfeiffer - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
  • Niels Tegtbauer - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
  • Jens Göbel - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
  • Arthur Michel - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
  • Jutta Eymann - Zentrum für Seltene Erkrankungen Tübingen, Institut für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik, Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland
  • Holm Graessner - Zentrum für Seltene Erkrankungen Tübingen, Institut für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik, Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland
  • Lisa Biehl - Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V., c/o DRK-Kliniken Berlin-Mitte, Berlin, Deutschland
  • Thomas Wagner - Universitätsklinikum Frankfurt/Pneumologie, Frankfurt am Main, Deutschland
  • Frank Ückert - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 209

doi: 10.3205/15gmds051, urn:nbn:de:0183-15gmds0512

Published: August 27, 2015

© 2015 Hartz et al.
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Text

Einleitung: In dem vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Projekt se-atlas (https://www.se-atlas.de/) werden Adressdaten von Versorgungseinrichtungen mit ihren Versorgungsangeboten für seltene Erkrankungen und entsprechende Patientenorganisationen gelistet und in Form einer interaktiven Landkarte dargestellt [1]. Damit nach der Eingabe eines Suchbegriffs (vornehmlich eine explizite seltene Erkrankung) die zutreffenden Versorgungseinrichtungen und Selbsthilfeorganisationen angezeigt werden, ist bei der Aufnahme eines neuen Eintrags in den se-atlas die Zuordnung der entsprechenden Erkrankungen oder der Krankheitsgebiete (Klassierung) notwendig. Um diesen Prozess der eindeutigen Zuweisung technisch zu unterstützen und automatisch Synonyme und Querverweise zu anderen Erkrankungen zu berücksichtigen, wird die Orphanet-Klassifikation eingesetzt [2]. Diese bietet eine umfangreiche Liste mit seltenen Erkrankungen in Form einer multi-hierarchischen Klassifikation in sechs Sprachen (u.a. auf Deutsch) und steht unter der Creative Commons Attribution-NoDerivs Lizenz unter orphadata.org als XML-Dateien zur Verfügung. Bei se-atlas haben registrierte Nutzer selber die Möglichkeit, die Zuordnung der Erkrankungen mit Hilfe des Klassierungs-Wizards eigenständig vorzunehmen. Der vorliegende Beitrag skizziert die Implementierungsschritte und analysiert das Nutzungsverhalten auf Basis erster Einträge. se-atlas ist seit dem 28.02.2015 online.

Material und Methoden: Um die hierarchische Struktur und den genauen Umfang der Orphanet-Klassifikation besser erfassen zu können, wurde zunächst ein Java-basierter Orphanet-Classification-Viewer implementiert. Mit Hilfe eines Fragebogens wurde auf der Kick-Off-Veranstaltung des Projektes evaluiert, inwieweit zukünftige Nutzer (Experten im Bereich der seltenen Erkrankungen; u.a. Vertreter von Zentren Seltener Erkrankungen und Vertreter von Patientenorganisationen) mit der Orphanet-Klassifikation vertraut sind. Für die Klassierung wurde innerhalb des Systems ein mehrstufiger Prozess gewählt.

Um Nutzern, die mit der Klassifikationshierarchie nicht vertraut sind, das Auffinden von Erkrankungen zu erleichtern, wurde als erster Schritt ein Suchfeld implementiert, in das die Nutzer direkt die Bezeichnung einer Erkrankung eingeben können. Per JavaScript werden bereits während der Eingabe Vorschläge aus der hinterlegten Klassifikation angezeigt. Auch Synonyme, die über die Orphanet-Klassifikation zur Verfügung stehen, werden dabei berücksichtigt. Auch der DIMDI Beispieldatensatz aus dem Projekt "Kodierung von seltenen Erkrankungen" mit den Verknüpfungen zwischen alpha-IDs des ICD-10-GM und der Orpha-IDs findet an dieser Stellen Anwendung [3]. Sofern der entsprechende ICD-10-GM Code verknüpft vorliegt, kann so auch durch Angabe des Codes die entsprechende Erkrankung gefunden werden. Mit Hilfe von Metriken werden Tippfehler unterdrückt und sinnvolle Ergebnisse auch dann angezeigt, wenn in der Datenbank der Suchbegriff in ähnlicher Form vorliegt.

Im zweiten Schritt können weitere Oberkategorien ausgewählt werden. Bei jeder gewählten Oberkategorie werden die zugehörigen Erkrankungen in einer Baumstruktur anzeigt. Für die Darstellung wird das Java-Framework JTree verwendet. Die bereits gewählten Erkrankungen sind entsprechend im Baum markiert. Weitere Erkrankungen können durch Anklicken hinzugefügt werden. Die untergeordneten „children“ einer Erkrankung (Hyponyme) werden dem Eintrag als indirekte Erkrankungen zugeordnet. Im letzten Schritt können aus der direkten Auswahl noch beliebig viele Schwerpunkte gewählt werden.

Um einen ersten Einblick in das Nutzungsverhalten zu bekommen, wurde auf Basis erster Einträge die Anzahl der direkten, indirekten und als Schwerpunkt gewählten Zuordnungen untersucht.

Ergebnisse: Der Orphanet-Classification-Viewer war zum Verständnis sehr wichtig. Eine Erkrankung mit seiner eindeutigen Orpha-ID kann mehrfach in der Klassifikation vorkommen und somit verschiedene „parents“ (Hyperonyme) haben. Die „children“ zu einer eindeutigen Orpha-ID sind aber immer identisch. Es gibt Zweige in der Orphanet-Klassifikation, die bis zu 11 Ebenen tief reichen, andere enden bereits in der zweiten Ebene. Insgesamt werden 22 Oberkategorien unterschieden.

In der Umfrage während der Kick-Off-Veranstaltung antworteten 25 Personen auf die Frage „Wie gut kennen Sie sich mit der Baumstruktur der Orphanet-Klassifikation aus?“. Die Antwortskala reichte von 1 (gar nicht) bis 10 (sehr gut). Der Durchschnittswert lag bei 4,2 (Median 3). Acht Personen gaben einen Skalenwert 1 bis 2 und vier Personen einen Skalenwert von 9 bis 10 an. Die Teilnehmer der Umfrage rekrutierten sich vorwiegend aus Personen, die tendenziell als Nutzer des Klassierungs-Wizards in Frage kommen.

Insgesamt sind im se-atlas (Stand: 27.03.2015) 300 Einträge freigeschaltet. Es wurden insgesamt 5.945 direkte Zuordnungen vorgenommen (19,81 direkte Zuordnungen pro Eintrag im Durchschnitt). Davon sind 3.070 direkte Zuordnungen als Schwerpunkte versehen worden (Durchschnitt: 10,23 pro Eintrag). Insgesamt ergeben sich aus den direkten Zuordnungen 77.699 indirekte Zuordnungen (Durchschnitt: 258,99 pro Eintrag). Von den 8.746 gelisteten Erkrankungen sind insgesamt 1.415 direkt einer oder mehreren Versorgungseinrichtungen zugeordnet worden. 5.619 Erkrankungen sind einer oder mehreren Versorgungseinrichtungen indirekt zugeordnet worden. Dies bedeutet, dass es zu 94,72% der im se-atlas hinterlegten Erkrankungen mindestens ein oder mehrere Einträge angezeigt werden. Es existieren Einträge, die alle direkten Zuordnungen als Schwerpunkt gewählt haben. Es existieren Einträge, die keine weiteren Schwerpunkte gewählt haben. Der maximale Wert der direkten Zuordnungen bei einem Eintrag beträgt derzeit 566, der minimale Wert liegt bei 1.

Diskussion: Die Möglichkeit Schwerpunkte zu setzen, wird von den Nutzern noch sehr unterschiedlich verwendet. Die Nutzer sind zwar angehalten, nur dann eine Erkrankung als Schwerpunkt zu wählen, wenn für diese auch ein explizites Versorgungsangebot vorliegt. Die sehr unterschiedliche Nutzung macht aber deutlich, dass hier noch Optimierungsbedarf besteht und dies inhaltlich überprüft werden sollte.

Einige Nutzer haben bei ihrem Kontakt mit der Redaktion gemeldet, dass sie beim Klassierungsprozess im ersten Schritt ihrem Eintrag über das Suchfeld Erkrankungen zuordnen, diese aber nicht weiter in der Baumdarstellung überarbeiten. Es ist daher anzunehmen, dass einigen Nutzern nicht offensichtlich ist, zu welchen Erkrankungen ihr Eintrag indirekt verknüpft wird. Es ist daher wichtig, bei der Darstellung der Suchergebnisse zwischen Einträgen, die die gesuchte Erkrankung direkt markiert haben, und Einträgen, bei denen die gesuchte Erkrankung indirekt zugeordnet wurde, zu unterscheiden, wie es auch mit den Markern in der Kartendarstellung gemacht wird.

Ausblick: Eine inhaltliche Auswertung anhand einer zufällig ausgewählten Menge von Einträgen, inwieweit die Selbstangaben zu den Einträgen die Wirklichkeit in der Versorgung widerspiegeln, soll mit Hilfe eines Expertengremiums und einem Abgleich der Zuordnung in der Orphanet Datenbank durchgeführt werden.


Literatur

1.
Storf H, Hartz T, Schmidtke J, Derks M, Rommel K, Nyoungui E, Graessner H, Wagner TOF, Ückert F. Vision und Herausforderungen - eine kartographische Darstellung der Expertenzentren für Seltene Erkrankungen. In: GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 211. DOI: 10.3205/14gmds134 External link
2.
Orphanet [Internet]. Free access data from Orphanet. [last visited Mar 2015]. http://www.orphadata.org. External link
3.
Weber S, Dávila M. German approach of coding rare diseases with ICD-10-GM and Orpha numbers in routine settings. Orphanet Journal of Rare Diseases. 2014 9(Suppl 1):O10.