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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Forschungsplattform zur Unterstützung von bildbasierten retrospektiven Studien in der Strahlentherapie: Realisierung der Dosis-Volumen-Analyse bei Glioblastom-Patienten

Meeting Abstract

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  • Nina Bougatf - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland; Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Heidelberg, Deutschland; Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg, Deutschland
  • Sebastian Adeberg - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
  • Rolf Bendl - Hochschule Heilbronn, Heilbronn, Deutschland; Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg, Deutschland
  • Jürgen Debus - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland; Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Heidelberg, Deutschland; Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 241

doi: 10.3205/15gmds030, urn:nbn:de:0183-15gmds0304

Published: August 27, 2015

© 2015 Bougatf et al.
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Text

Einleitung: In der Medizin werden zunehmend Forschungsdatenbanken aufgebaut, um die stark verteilten heterogenen Daten der klinischen Routinesysteme zusammenführen und für die Forschung nutzen zu können [1].

Die Zusammenführung dieser Daten ist jedoch nur der erste Schritt in Richtung Forschung. Die eigentliche Herausforderung besteht in der Analyse dieser heterogenen Daten. Es werden Tools benötigt, die kombinierte Analysen von Text- und Bilddaten sowie patientenübergreifende Auswertungen ermöglichen [2]. Existierende Tools erlauben häufig nur die Analyse eines Teilbereichs der Daten und können meist nicht für patienten-übergreifende Auswertungen eingesetzt werden. Dennoch sollten diese Tools wiederverwendet und für komplexere Fragestellungen miteinander kombiniert werden können.

Retrospektive Studien werden in der Radioonkologie überwiegend manuell durchgeführt. Die benötigten klinischen Daten werden manuell aus verteilten Systemen zusammengetragen. Insbesondere müssen die radioonkologischen Bilddaten (RT-Daten) in diversen Bildverarbeitungssystemen ausgewertet werden. Der Zeitaufwand hierfür ist sehr hoch und die Bilddaten werden dadurch häufig nicht im Detail ausgewertet.

Unsere zentrale Zielsetzung ist die Zusammenführung von heterogenen radioonkologischen Daten (strukturierte und unstrukturierte klinische Daten sowie Bilddaten) mit verschiedenartigen Analysetools (Textanalysetools, Statistiktools, Bildanalysetools) zur Vereinfachung und Automatisierung von bildbasierten retrospektiven klinischen Studien in der Strahlentherapie.

In der Vergangenheit haben wir bereits eine zentrale Forschungsdatenbank zur Zusammenführung dieser Daten eingeführt [3]. Mit Hilfe eines service-orientierten Ansatzes haben wir verschiedene Bildanalysetools an diese Forschungsdatenbank angebunden und stellen diese in einer zentralen Analyseplattform zur Verfügung [4]. Unter Einsatz eines Workflow Management Systems konnten wir anhand einer konkreten Fragestellung erfolgreich zeigen, dass eine Automatisierung von bildbasierten retrospektiven Studien möglich ist [5].

Im Rahmen dieser Arbeit übertragen wir diese Erkenntnisse auf eine existierende retrospektive Studie, die derzeit in unserer Abteilung durchgeführt wird. Ziel ist zum einen, die Daten und Ergebnisse der retrospektiven Studie in unsere Forschungsdatenbank zu integrieren, und zum anderen, eine retrospektive Analyse der zugehörigen RT-Daten durchzuführen. Hierbei soll unsere zentrale Analyseplattform mit ihren bereits existierenden Analysetools wiederverwendet und erweitert werden.

Material und Methoden: Die existierende Studie befasst sich mit der retrospektiven Auswertung von Glioblastom-Patienten, die in den vergangenen Jahren eine Strahlentherapie in Heidelberg erhalten haben. U.a. werden allgemeine Endpunkte wie progressionsfreies Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) ausgewertet. Relevant ist aber auch eine Dosis-Volumen-Auswertung verschiedener Strukturen im Gehirn sowie eines möglicherweise im Verlauf aufgetretenen Rezidivs. Gerade bei den beiden zuletzt genannten Fragestellungen ist eine Auswertung der zugehörigen RT-Daten notwendig, die mit unseren Werkzeugen unterstützt und vereinfacht werden soll.

Die bereits im Vorfeld in Excel erfassten Daten wurden in drei verschiedene Gruppen unterteilt, die als einzelne Dokumentationsmodule in unsere Forschungsdatenbank aufgenommen worden sind. Im nächsten Schritt wurden die Patienten der Studie über die Standard-HL7-ADT-Patientenaufnahme in die Datenbank importiert, um die korrekte Abbildung der Relationen in der Datenbank zu gewährleisten. Hierzu mussten mit Hilfe von Mirth Connect automatisch HL7-ADT-Nachrichten aus der existierenden Excel-Dokumentation erzeugt und verschickt werden. In der Forschungsdatenbank wurden dann automatisch Patientenstammdaten und die zugehörigen Dokumentationsmodule angelegt. In einem weiteren Schritt konnten die Dokumentationsmodule per SQL mit den übrigen Daten aus der Excel-Dokumentation befüllt werden.

Zur Validierung der importierten Daten wurde die vollständige Excel-Dokumentation mit ihren bereits vorhandenen OS- und PFS-Auswertungen in SQL nachgebildet und als Report zur Verfügung gestellt.

Parallel zum initialen Datenimport wurden die später auszuwertenden anatomischen und pathologischen Strukturen des Gehirns von einem Radioonkologen auf den RT-Daten der Primärbestrahlung der Patienten konturiert.

Um eine Auswertung der RT-Daten der Patienten zu ermöglichen, war es notwendig, weitere Dokumentationsmodule zu entwerfen, die alle benötigten Bildinformationen vorhalten. Diese Dokumentationsmodule wurden automatisch mit Daten aus dem zentralen Onkologieinformationssystem (OIS) befüllt. Hierzu wurde ein Workflow erstellt, der die relevanten strahlentherapeutischen Informationen aller Patienten zunächst per SQL im OIS ermittelt und diese im nächsten Schritt per SQL in die zugehörigen Dokumentationsmodule der Forschungsdatenbank schreibt.

Anhand der Informationen aus dem OIS konnten im nächsten Schritt alle relevanten RT-Daten aus den zugehörigen PACS-Systemen der Klinik abgerufen und in die Forschungsdatenbank importiert werden. Hierfür wurde ein Workflow entworfen, der sequentiell für alle Patienten einen DICOM-QR-Prozess zur Abfrage der RT-Daten in der Forschungsdatenbank anstößt.

Nach dem vollständigen Import der RT-Daten wurde ein Workflow für die Analyse dieser Daten modelliert, der die in den Vorarbeiten entwickelten VIRTUOS-Analysetools verwendet [4], [5]. Die DICOM-basierten RT-Daten mussten zunächst in das VIRTUOS-Datenformat konvertiert werden. Daraufhin wurden nur die für die Analyse relevanten Strukturen (VOIs) selektiert. Für diese konnte anschließend die Dosis-Volumen-Analyse gestartet werden, die für jede VOI sowohl das Volumen als auch eine Dosisstatistik bestehend aus Minimum, Maximum, Mittelwert, Median und Standardabweichung berechnet.

Zur tiefergehenden Auswertung wurden die Ergebnisse der RT-Daten-Analyse der einzelnen Patienten in je einer Excel-Tabelle pro Ergebniswert (Volumen, Minimum, Maximum etc.) zusammengefasst. Für jeden Ergebniswert wurde anschließend eine patientenübergreifende Statistik erstellt. Diese patientenübergreifende Statistik wurde dem Radioonkologen daraufhin für weitere Auswertungen zur Verfügung gestellt.

Ergebnisse: Für die Auswertung der RT-Daten wurden zunächst 34 Patienten ausgewählt. In 7 Fällen konnten die benötigten RT-Daten nicht vollständig zur Verfügung gestellt werden (2x fehlende CT-Schichten, 4x Altdaten unzugänglich, 1x komplexe Umplanung). Für die übrigen 27 Patienten konnte die Analyse erfolgreich durchgeführt und eine übergreifende Auswertung erstellt werden.

Anhand der Ergebnisse dieser 27 Patienten konnten bereits erste möglicherweise signifikante Einflussfaktoren auf das Therapie-Outcome identifiziert werden, die im weiteren Verlauf dieses Projekts anhand zusätzlicher Patienten belegt werden. Die Ergebnisse der medizinischen Auswertung werden an anderer Stelle publiziert.

Diskussion: In der Vergangenheit haben wir bereits erfolgreich gezeigt, wie radioonkologische Daten in einer zentralen Forschungsdatenbank zusammengeführt werden können [3] und wie an diese Forschungsdatenbank verschiedenartige Analysetools angebunden und in einer zentralen Analyseplattform zur Verfügung gestellt werden können [4], [5]. Im Rahmen dieser Arbeit haben wir an einem realen Beispiel demonstriert, wie diese existierenden Werkzeuge erfolgreich zur Durchführung von bildbasierten retrospektiven Studien eingesetzt werden können. Weiterhin konnten neue Werkzeuge entwickelt werden, die den Gesamtprozess der Durchführung von retrospektiven Studien mit unserer Forschungsplattform zukünftig unterstützen (rückwirkender HL7-ADT-Patientenimport, Integration von zusätzlichen Informationen aus dem OIS, rückwirkender DICOM-RT-Datenimport). Gleichzeitig haben wir ein erstes Vorgehensmodell erarbeitet, mit dem solche bildbasierten retrospektiven Studien künftig auch für andere Tumorentitäten und komplexere Fragestellungen durchgeführt werden können.

Insgesamt werden wir also auch in Zukunft weitere bildbasierte retrospektive Studien mit Hilfe unserer Forschungsdatenbank und der angebundenen Analyseplattform durchführen, damit die Ergebnisse aus diesen Studien langfristig zur Verbesserung der Diagnostik und Therapie in unserer Abteilung beitragen können.


Literatur

1.
Prokosch HU, Ganslandt T. Perspectives for Medical Informatics: Reusing the Electronic Medical Record for Clinical Research. Methods Inf Med. 2009; 1:38–44.
2.
Moore KL, Kagadis GC, McNutt TR, Moiseenko V, Mutic S. Vision 20/20: Automation and advanced computing in clinical radiation oncology. Med Phys. 2014; 41(1):010901.
3.
Kessel KA, Bohn C, Engelmann U, Oetzel D, Bougatf N, Bendl R et al. Five-year experience with setup and implementation of an integrated database system for clinical documentation and research. Comput Meth Programs Biomed. 2014; 114(2):206–17.
4.
Bougatf N, Bendl R, Debus J. Towards secondary use of heterogeneous radio-oncological data for retrospective clinical trials: service-oriented connection of a central research database with image analysis tools. In: Medical Imaging 2015: PACS and Imaging Informatics: Next Generation and Innovations. 2015. 941807. (SPIE Proceedings).
5.
Bougatf N, Bendl R, Combs SE, Debus J. SOA meets medical research: Verwendung von service-orientierten Architekturen für die Analyse von heterogenen medizinischen Daten in der Strahlentherapie. In: GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014 .