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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Gesundheitsapps und Gesundheitsinformationen im Internet für Laien – auch ein Thema für Ärzte?

Meeting Abstract

  • Marianne Behrends - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik der TU Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover, Standort Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Ute von Jan - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik der TU Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover, Standort Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Kristin Illiger - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik der TU Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover, Standort Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • Urs-Vito Albrecht - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik der TU Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover, Standort Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 029

doi: 10.3205/15gmds017, urn:nbn:de:0183-15gmds0171

Published: August 27, 2015

© 2015 Behrends et al.
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Text

Einleitung: Nach der MSL Gesundheitsstudie nutzten 2012 74% der Befragten das Internet regelmäßig oder gelegentlich, um Themen zur Gesundheit zu recherchieren. Bei mobilen Applikationen lag die Nutzung insgesamt bei 18% und war in der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen mit 26% am höchsten, sodass ein Anstieg der Nutzung in den nächsten Jahren zu erwarten ist [1]. Gründe für die Nutzung solcher Angebote sind neben der zeitlichen Flexibilität und der Anonymität auch der Wunsch, sich auf das Arztgespräch vorzubereiten. Bereits 2002 befragten Diaz et al. [2] Patienten aus den USA zur Internetnutzung. 54% der Befragten nutzten das Internet, um Gesundheitsinformationen zu recherchieren, aber über die Hälfte von ihnen würde diese Informationen nicht mit ihrem Arzt besprechen. Dias et al. forderten daher, dass Ärzte die Patienten identifizieren sollten, die das Internet zu Gesundheitsfragen nutzen, denn durch die neue Informiertheit der Patienten durch das Internet würde sich das Arzt-Patienten-Verhältnis radikal verändern. Als Murray et al. [3] 2003 1050 Ärzte in den USA befragten, gaben 58% von ihnen an, dass Patienten Informationen aus dem Internet in die Sprechstunde mitbrachten. Bei einer Befragung von Rheumatologen und Onkologen aus den Niederlanden im Jahr 2007 stellten van Uden-Kraan et al. [4] fest, dass fast alle Befragten von ihren Patienten mit Informationen aus dem Internet konfrontiert worden waren. Bezüglich der Erfahrung der Ärzte in Deutschland findet sich eine qualitative Studie [5] von 2009, bei der 51 Hausärzte befragt wurden. Alle hatten bereits Patienten, die sich über das Internet informiert hatten.

Die Nutzung des Internets stellt offenbar auch für Ärzte ein relevantes Thema dar. Als 2014 die zweite Befragung von Ärzten an einer medizinischen Universität zur Nutzung von mobilen Geräten erfolgte, sollte darum u.a. auch der Frage nachgegangen werden, wie oft Ärzte von ihren Patienten mit Informationen oder Daten aus dem Internet oder von mobilen Geräten konfrontiert werden und ob Ärzte die Nutzung solcher Angebote für sinnvoll halten [6], [7].

Material und Methoden: Mit einer standardisierten und anonymen Online-Umfrage wurden Anfang 2014 alle Ärztinnen und Ärzte eines Universitätsklinikum zu Erwartungen, Nutzung und Akzeptanz mobiler Technologien befragt. Die Ergebnisse dieser Befragung finden sich bei Illiger et al. [8]. Ergänzend zu dieser Befragung wurden die Ärzte gebeten, folgende Fragen zu beantworten:

1.
Wie oft sie von ihren Patienten mit Informationen oder Daten von Webseiten oder Gesundheitsapps konfrontiert werden?
2.
Wie häufig sie von ihren Patienten nach Empfehlungen zu Gesundheitsapps oder webbasierten Informationsangeboten gefragt werden?
3.
Welche Initiativen zur Qualitätsverbesserung von gesundheitsbezogenen Angeboten im Internet oder von mobilen Applikationen sie kennen?
4.
Für welche gesundheitlich relevanten Bereiche sie die Nutzung von webbasierten oder mobilen Angeboten seitens ihrer Patienten für empfehlenswert halten?

Bei den Fragen 1 und 2 wurde anhand einer 5-stufigen Skala von „sehr oft“ bis „nie“ nach den Häufigkeiten gefragt. Bei der Frage 3 wurden zur Beantwortung zehn deutsche bzw. in Deutschland bekannte und relevante Initiativen vorgegeben, u.a. der HONcode der Stiftung Health On Net Foundation oder das Qualitätslogo des Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem e.V.. Bei Frage 4 wurden acht Bereiche vorgegeben, die mittels einer 5-stufigen Skala von „sehr empfehlenswert“ bis „gar nicht empfehlenswert“ bewertet werden sollten.

Ergebnisse: Von den 1151 angeschriebenen Ärztinnen und Ärzten nahmen bei einem Rücklauf von 18% 206 Personen an der Befragung teil, 135 männliche, 67 weibliche Personen und 4 ohne Angaben zum Geschlecht. 99 Personen sind Assistenzärzte, 25 Stationsärzte, 72 Oberärzte und eine Person Chefarzt. 69% der Assistenzärzte sind zwischen 26 - 35 Jahre alt. Bei den Stationsärzten sind 48% der Befragten zwischen 26-35 Jahre alt, 40% im Alter zwischen 36-45 Jahren. Bei den Oberärzten gehören 72% der Altersgruppe 36-45 Jahre an. Der Chefarzt gehört zur Altersgruppe der über 55-Jährigen. Sowohl bzgl. Altersstruktur, Verteilung der beruflichen Position sowie Geschlechtsverteilung entspricht die Gruppe der Teilnehmenden in etwa der Verteilung der Gesamtgruppe.

Von den Befragten geben 32% an, dass sie „sehr oft“ oder „oft“ von ihren Patienten mit Informationen oder Daten von Webseiten oder Gesundheitsapps konfrontiert werden, 55% „gelegentlich“ oder „selten“ und nur 13 % haben diese Erfahrung noch „nie“ gemacht.

10% der Befragten geben an, „sehr oft“ oder „oft“ nach Empfehlungen von Gesundheitsapps oder webbasierten Informationsangeboten gefragt zu werden, während 11% gelegentlich danach gefragt werden, 39 % nur „selten“ und 39% „nie“ gefragt wurden.

Die genannten Initiativen zur Qualitätsverbesserung von gesundheitsbezogenen Angeboten im Internet oder von mobilen Applikationen kannten die meisten der Befragten nicht.

Mobile Applikationen und andere webbasierte Angebote halten 74% der Befragten für empfehlenswert, um richtiges Ernährungsverhalten zu unterstützen. Weitere Bereiche, in denen die Befragten solche Angebote für empfehlenswert halten, sind Förderung der sportlichen Aktivitäten (71%), Verhaltensänderungen bei chronischen Erkrankungen und Erfassung von Vitaldaten (64%), Recherchieren von Ärzten und Krankenhäusern (59%) oder um sich mit anderen auszutauschen (51%). Um medizinisches Wissen zu finden, halten nur 38% die Angebote für sinnvoll, 27% für nicht empfehlenswert und 35% sind eher unentschieden.

Diskussion: In dieser Untersuchung wurden nur Ärzte eines Universitätsklinikums befragt. Ob sich in anderen Krankenhäusern oder bei niedergelassenen Ärzten ähnliche Ergebnisse finden, müssen andere Befragungen zeigen. Der überwiegende Teil der hier Befragten wurde aber bereits von ihren Patienten mit Informationen von webbasierten und mobilen Angeboten konfrontiert, wobei die Nutzung dieser Angebote durch die Patienten von den Ärzten unterschiedlich bewertet wird. Verschiedene Autoren fordern bereits, dass sich Ärzte mit der Qualität dieser Angebote beschäftigen müssen, um ihren Patienten Empfehlungen zu geben. So etwa Wetzler [9], der fordert, dass Ärzte für ihre Patienten Empfehlungslisten erstellen oder Jeannot [10], der die Informationssuche der Patienten im Internet grundsätzlich begrüßt, da sie eine gute Ergänzung zu den knappen Zeitressourcen des Ärzte darstellen kann und Patienten dabei hilft, eine aktive Rolle im Umgang mit ihrer Krankheit einzunehmen. Ebenso sehen Bowes et al.[11] aufgrund ihrer Untersuchungen zur Motivation von Patienten, Gesundheitsthemen im Internet zu recherchieren, die Ärzte in der Pflicht, sich mit der Qualität dieser Angebote auseinanderzusetzen. Nur so können Ärzte das Vertrauen der Patienten zu ihnen sichern. In diesem Sinne scheint es notwendig, dass das Thema auch in der ärztlichen Ausbildung aufgegriffen wird.


Literatur

1.
MSLGroup Germany GmbH. Wie social ist das Gesundheitsweb? MSL Gesundheitsstudie 2012. Verfügbar über: http://de.slideshare.net/NI0049/mslgesundheitsstudie-2012 (14.03.2015) External link
2.
Diaz JA, Griffith RA, Ng JJ, Reinert SE, Friedmann PD, Moulton AW. Patients – use of the Internet for medical information. J Gen Intern Med. 2002 Mar;17(3):180-185.
3.
Murray E, Lo B, Pollack L, Donelan K, Catania J, Lee K, et al. The impact of health information on the Internet on health care and the physician-patient relationship: national U.S. survey among 1.050 U.S. physicians. J Med Internet Res. 2003 Jul-Sep;5(3):e17.
4.
van Uden-Kraan CF, Drossaert CH, Taal E, Smit WM, Seydel ER, van de Laar MA. Experiences and attitudes of Dutch rheumatologists and oncologists with regard to their patients' health-related Internet use. Clin Rheumatol. 2010 Nov;29(11):1229-1236.
5.
Stadtler M, Bromme R, Kettler S. Dr. Google – geschätzter Kollege? Die Rolle des Internets. ZFA. 2009;85(6):254-259.
6.
Albrecht UV, Illiger K, Jungnickel T, von Jan U. Mobile technologies: expectancy, usage and acceptance of clinical staff. Stud Health Technol Inform. 2014;205:1221.
7.
Illiger K, von Jan U, Albrecht UV. Professional Use of Mobile Devices at a University Medical Center. Biomed Tech. 2014; 59 (s1). DOI: 10.1515/bmt-2014-4297 External link
8.
Illiger K, Hupka M, von Jan U, Wichelhaus D, Albrecht UV. Mobile technologies: expectancy, usage, and acceptance of clinical staff and patients at a university medical center. JMIR Mhealth Uhealth. 2014 Oct 21;2(4):e42.
9.
Wetzler MJ. "I found it on the internet:" how reliable and readable is patient information? Arthroscopy. 2013 Jun;29(6):967-968.
10.
Jeannot JG. Medizin 2.0: Das Internet, der Arzt und sein Patient- Zusammenfassung eines Workshops anlässlich der SFD Conference 2013 (29./30.8.2013 in Bern). PrimaryCare. 2013;13(22).
11.
Bowes P, Stevenson F, Ahluwalia S, Murray E. 'I need her to be a doctor': patients' experiences of presenting health information from the internet in GP consultations. Br J Gen Pract. 2012 Nov;62(604):e732-8.