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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Erfahrungen beim Einsatz einer national ausgerichteten Bildkommunikationsplattform im Kontext eines EU-weiten Forschungsvorhabens

Meeting Abstract

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  • Thomas Franke - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Medizinische Informatik, Göttingen, Deutschland
  • Jens Wuerfel - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, Göttingen, Deutschland
  • Jens Schwanke - Universitätsmedizin Göttingen, Institut für Medizinische Informatik, Göttingen, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 212

doi: 10.3205/15gmds012, urn:nbn:de:0183-15gmds0128

Published: August 27, 2015

© 2015 Franke et al.
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Einleitung: Die Diagnosestellung bei Multipler Sklerose (MS), einer chronisch-entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems, basiert auf den international anerkannten und zuletzt im Jahr 2010 überarbeiteten McDonald-Kriterien [1]. In einigen seltenen Fällen, zum Beispiel bei spät einsetzender Erkrankung, kann die Stellung der Diagnose und dabei insbesondere die differentialdiagnostische Abgrenzung zu anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen jedoch sehr schwierig sein. Dadurch kommt es unter Umständen zu zeitlichen Verzögerungen bei der Initiierung der Behandlung von MS-Patienten oder gar zu initialen Fehldiagnosen [2]. Deshalb wird in der biomedizinischen Grundlagenforschung ein erheblicher Aufwand bei der Suche nach neuen Biomarkern zur Diagnose von MS betrieben. Einer dieser vielversprechenden Biomarker stützt sich auf das Vorhandensein einer Vene im Zentrum von entzündlichen Läsionen. Im Jahr 2013 wurde in einer Studie an 29 Patienten mithilfe von spezieller 7 Tesla Magnetresonanztomographie-Bildgebung (7T MRT) gezeigt, dass die 13 Patienten, die im Verlauf mit MS diagnostiziert worden waren, in mehr als 40% der erkennbaren Läsionen in der weißen Hirnsubstanz eine zentrale Vene aufwiesen [3]. Die Eignung dieses Biomarkers für die klinische Routine hängt unter anderem jedoch auch von der Übertragbarkeit auf die reguläre MRT-Bildgebung ab. Daher soll er nun in einem ersten Schritt innerhalb eines internationalen Forschungsprojektes an 3T MRT-Daten evaluiert werden. Das Institut für Medizinische Informatik der Universitätsmedizin Göttingen übernimmt innerhalb dieses Forschungsvorhabens die Aufgabe des Datenmanagements und stellte sich daher die Frage, wie die bestehende IT-Infrastruktur, die bereits in zahlreichen nationalen Projekten eingesetzt wird, in den EU-Kontext überführt werden kann und an welchen Komponenten Anpassungen vorgenommen werden müssen.

Material und Methoden: Ausgangspunkt zur Entwicklung der IT-Infrastruktur bildete ein interdisziplinärer Workshop mit den verantwortlichen des Forschungsprojekts. Die Ziele des Workshops bestanden in der Ermittlung von Anforderungen gemäß den Vorgaben des Requirements Engineering [4], sowie in der Vorstellung und Diskussion vorhandener Softwaresysteme zum Forschungsdatenmanagement. Anschließend wurden die Ergebnisse des Workshops aufbereitet und ein Konzept für eine Lösungsarchitektur unter Berücksichtigung der vorgestellten Softwaresysteme erstellt. Basierend auf diesem Konzept wurden die vorhandenen Softwaresysteme an die Anforderungen des Forschungsprojekts angepasst und Neuentwicklungen vorgenommen.

Ergebnisse: Im Rahmen der Aufbereitung des interdisziplinären Workshops wurden sechs zentrale Anforderungen an die IT-Infrastruktur ermittelt: (a) Das Forschungsprojekt ist eine Kooperation von sechs Forschungszentren aus verschiedenen EU-Ländern, die (b) MRT-Aufnahmen von Probanden zur Auswertung im DICOM-Format bereitstellen wollen. Da DICOM-Dateien unter Umständen personenbezogene Daten der untersuchten Personen enthalten können, ist eine (c) Vor-Ort-Bereinigung der Datensätze vor dem Transfer notwendig. Die MRT-Daten entstammen existierenden Forschungsbeständen und sind daher bereits mit standortspezifischen Pseudonymen versehen. Zur (d) Vereinheitlichung der Pseudonymisierung werden die vorhandenen Pseudonyme durch zentralvergebene sekundäre Pseudonyme ersetzt. Mithilfe dieses Schrittes können beispielsweise Konflikte durch standortübergreifend doppelt vergebene Pseudonyme ausgeschlossen werden. Nach der Bereinigung, der sekundären Pseudonymisierung und dem Datentransfer soll die Auswertung im Hinblick auf das Vorhandensein von zentralen Venen in den entzündlichen Läsionen erfolgen. Dies erfordert die (e) rudimentäre Erfassung der klinischen Diagnose in verschiedenen Kategorien (Clinically Isolated Syndrome, Definitive MS, Healthy Control) sowie die (f) Verblindung der MRT-Auswerter gegenüber den erfassten klinischen Informationen.

Die Lösungsarchitektur muss aufgrund der Anforderungen (Requirements) den folgenden Prozess abbilden: Vor-Ort-Bereinigung der DICOM-Daten und sekundäre Pseudonymisierung, sowie Transfer der MRT-Daten und gegenüber dem Auswerter verblindete Erfassung der klinischen Diagnose, sowie die Darstellung der MRT-Bilder und die anschließende Auswertung. Gegenstand der Lösungsarchitektur ist daher eine PACS-basierte Bilddatenbank mit webbasierter Teleradiologiekomponente, deren Einsatz sich im Rahmen des Kompetenznetzes angeborene Herzfehler sowie des Krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose über Jahre bewährt hat [5]. Die Vor-Ort-Bereinigung der DICOM-Daten ist Bestandteil des Funktionsumfanges dieser Software und wird über ein Java-Applet realisiert.

Keine der in Deutschland etablierten Softwareanwendungen zur Pseudonymisierung (E-PIX [6], Mainzelliste [7] oder TMF PID-Generator [8]) unterstützt standardmäßig die benötigte Form der sekundären Pseudonymisierung. Die Bilddatenbank verfügt bereits über eine proprietäre Schnittstelle, über die eine Pseudonymisierung mit dem TMF PID-Generator realisiert werden kann. Ausgehend von dieser Schnittstelle wurde eine schlanke Softwareanwendung entwickelt, welche die Sekundär-Pseudonymisierung ermöglicht. Bei der Erstellung des sekundären Pseudonyms werden das standortspezifische Pseudonym, das Zentrum sowie die klinische Diagnose abgefragt. Diese Daten werden zusammen mit dem erzeugten sekundären Pseudonym in der MySQL-Datenbank der Applikation hinterlegt. Hierdurch wird sichergestellt, dass innerhalb der Bilddatenbank keine klinischen Angaben gespeichert werden und somit die Verblindung der Auswerter nicht gefährdet wird. Gleichzeitig ist die spätere Entblindung für die abschließende statistische Auswertung jedoch problemlos möglich.

Diskussion: Die umgesetzte Lösungsarchitektur erfüllt die Anforderungen, die zusammen mit den Anwendern in einem interdisziplinären Workshop ermittelt worden sind. Nach der Entwicklung und Testung der Applikation zur Sekundär-Pseudonymisierung ging das System im Juli 2014 in den produktiven Betrieb und enthält gegenwärtig MRT-Datensätze von 191 Probanden. Jedes Zentrum wählte ein bis zwei Studienassistenten aus, die für den Datentransfer verantwortlich sind. Die webbasierte Teleradiologiekomponente verringert die technischen Einstiegshürden in den Zentren, da sie ohne Installation auskommt: Benötigt wird lediglich ein mit dem Internet verbundener PC, sowie ein Browser mit installierter Java-Laufzeitumgebung. Dadurch konnten die Studienassistenten nach einer kurzen telefonischen Einweisung in das System sofort mit dem Datentransfer beginnen.

Obwohl DICOM ein internationaler Standard ist, ist die Ausprägung vieler Einträge abhängig vom Gerätehersteller und der standortspezifischen Konfiguration. Dies erforderte ein intensives Screening der Testdatensätze aus den teilnehmenden Zentren, um die Bereinigung entsprechend anpassen zu können. Hinzu kam, dass zwei der internationalen Zentren Daten im neuen Multiframe Format (DICOM Enhanced MR) lieferten, welches in Deutschland unserer Erfahrung nach bisher kaum im Einsatz ist. Der Umgang mit und die korrekte Darstellung dieser MRT-Daten, stellte die Bilddatenbank initial vor einige Probleme, die jedoch durch Softwareaktualisierungen weitestgehend gelöst werden konnten.

Mithilfe der Entwicklung der Softwareanwendung zur Sekundär-Pseudonymisierung und Verblindung der Auswerter ließen sich die speziellen Anforderungen dieses Forschungsvorhabens besser abdecken, als mit den vorhandenen Produkten. Da eine bereits existierende Schnittstelle in der Bilddatenbank genutzt werden konnte, mussten an dieser keine Anpassungen zur Integration der Sekundär-Pseudonymisierung vorgenommen werden. Daher hielten sich der Entwicklungs- und Testaufwand in Grenzen. Mittelfristig werden die Anforderungen dieses Projektes, insbesondere der Bedarf einer Sekundär-Pseudonymisierung, bei der Weiterentwicklung der auf dem PID-Generator basierten Lösung in Betracht gezogen werden. Dabei kann die bereits entwickelte Applikation als Leitfaden dienen.


Literatur

1.
Polman CH, Reingold SC, Banwell B, Clanet M, Cohen JA, Filippi M, et al. Diagnostic criteria for multiple sclerosis: 2010 revisions to the McDonald criteria. Ann Neurol. 2011; 69 (2): 292–302. DOI: 10.1002/ana.22366 External link
2.
Kingwell E, Leung AL, Roger E, Duquette P, Rieckmann P, Tremlett H. Factors associated with delay to medical recognition in two Canadian multiple sclerosis cohorts. J Neurol Sci. 2010; 292 (1-2): 57–62. DOI: 10.1016/j.jns.2010.02.007 External link
3.
Mistry N, Dixon J, Tallantyre E, Tench C, Abdel-Fahim R, Jaspan T, et al. Central veins in brain lesions visualized with high-field magnetic resonance imaging: a pathologically specific diagnostic biomarker for inflammatory demyelination in the brain. JAMA Neurol. 2013; 70 (5): 623–628. DOI: 10.1001/jamaneurol.2013.1405 External link
4.
Pohl K. Requirements Engineering. Grundlagen, Prinzipien, Techniken. 2., korrigierte Aufl. Heidelberg: Dpunkt-Verl; 2008.
5.
Rakebrandt F, Rienhoff O. Multimandantenbilddatenbank für Forschungsvorhaben – Nutzungswandel in den ersten 5 Jahren Betrieb. 55. GMDS-Jahrestagung; Mannheim; 2010.
6.
Schack C, Möller A, Reinecke P, Hoffmann W. E-PIX – Master Patient Index (MPI) Software zur eindeutigen Wiedererkennung von Patienten innerhalb heterogener Klinischer-Informations-Systeme unterschiedlicher Standorte. In: Mainz//2011. 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 6. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi). Mainz, 26.-29.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11gmds473. DOI: 10.3205/11gmds473 External link
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Lablans M, Borg A, Ückert F. A RESTful interface to pseudonymization services in modern web applications. BMC Med Inform Decis Mak. 2015; 15 (1): 2. DOI: 10.1186/s12911-014-0123-5 External link
8.
Faldum A, Pommerening K. An optimal code for patient identifiers. Comput Methods Programs Biomed. 2005; 79 (1), 81–88. DOI: 10.1016/j.cmpb.2005.03.004 External link