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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Einsatz von Smartglasses in der Dermatologie am Beispiel des Malignen Melanoms

Meeting Abstract

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  • Janek Gröhl - Hochschule Heilbronn, Heilbronn, Deutschland; Universität Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
  • Christian Fegeler - Hochschule Heilbronn, Heilbronn, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 011

doi: 10.3205/15gmds006, urn:nbn:de:0183-15gmds0064

Published: August 27, 2015

© 2015 Gröhl et al.
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Einleitung: Es wird ein Verfahren vorgestellt, welches den Arbeitsablauf bei Hautkrebs-Vorsorgeuntersuchungen in der Dermatologie vereinfachen soll. Dabei werden der Arzt und seine Mitarbeiter durch Nutzung einer Augmented Reality-Anwendung unter Verwendung von SmartGlasses unterstützt.

Die entwickelte Anwendung kann vom Arzt markierte Naevi auf der Haut des Patienten erkennen und deren Positionen speichern. So haben der Arzt und seine Mitarbeiter zu jedem Zeitpunkt Zugriff auf die Daten. Bei erneutem Betrachten des Patienten mit der Anwendung werden die Positionen der Naevi auf der Haut des Patienten angezeigt. Gerade im Bereich der regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen kann der Arzt dadurch schnell einen Überblick gewinnen, welche Naevi bei vorherigen Untersuchungen betrachtet wurden. Außerdem kann es dem Arzt ermöglicht werden, schnell auf vorhandene Detailaufnahmen der Naevi zugreifen zu können, noch während der Arzt den Patienten betrachtet.

In der zugrundeliegenden Bachelorarbeit sollte untersucht werden, ob mit einer prototypischen Implementierung des Verfahrens eine hinreichende Genauigkeit zur Erkennung und Visualisierung der Naevi erreicht werden kann.

Material und Methoden: Die Augmented Reality Anwendung nutzt die Kamera des Gerätes und überlagert die aufgenommenen Bilder mit Zusatzinformationen. In diesem Fall wird die Konturlinie eines Menschen über das normale Sichtfeld der SmartGlass gelegt. Der Anwender kann mit Hilfe der eingeblendeten Kontur intuitiv eine standardisierte Aufnahme des Patienten erstellen. Nach Ausrichten der SmartGlass in diese standardisierte Position, wird die Konturlinie an den individuellen Patienten angepasst. Auf der standardisierten Aufnahme werden anschließend entweder Markierungen erkannt und abgespeichert oder schon vorhandene Datensätze visualisiert.

Als mathematische Grundlage für die Anwendung dient eine spezielle Implementierung von aktiven Formmodellen [1] in Kombination mit zweidimensionalen Koordinatentransformationen. Nach dem Erstellen des Bildes, passt sich die vorgegebene Umrisslinie an die individuelle Körperform des Patienten an. Diese individuelle Kontur wird anschließend in einen standardisierten Raum transformiert, was die Positionierung von Punkten relativ zur Kontur des Patienten ermöglicht. Erscheint der Patient zu einem späteren Zeitpunkt nochmals zur Untersuchung, wird erneut die individuelle Kontur bestimmt und in den standardisierten Raum transformiert. Dadurch ist es durch eine Koordinatentransformation möglich, dass die erkannten Punkte aus der vorherigen Untersuchung auf der aktuellen Aufnahme positioniert werden können.

Versuch: Es wurde ein Versuch durchgeführt, um die Genauigkeit des vorgestellten Verfahrens beurteilen zu können. Hierzu wurde ein Versuchsobjekt aus Karton benutzt, auf dem mit einer grünen Signalfarbe aufgedruckte Nävi markiert wurden. Als Hauptkriterium zur Entscheidung der Machbarkeit der Umsetzung des Verfahrens wurde für die Repositionierung der Nävi eine maximale Ungenauigkeit von 10 Millimetern festgelegt.

Um die Gebrauchstauglichkeit von SmartGlasses für diesen Anwendungsfall beurteilen zu können, wurde der Versuch mit drei verschiedenen Endgeräten durchgeführt: Einer Google Glass, einem Android Smartphone und einem Android Tablet PC.

In einer Versuchsreihe wurde zunächst eine Aufnahme des Versuchsobjektes mit markierten Nävi erstellt. Dies simulierte die Situation der ersten Untersuchung des Patienten und lieferte Daten über die Genauigkeit der Erkennung der markierten Punkte. Anschließend wurden fünf Aufnahmen von dem Versuchsobjekt ohne markierte Nävi erstellt. Dies simulierte wiederkehrende Untersuchungen des Patienten und lieferte Aufschluss über die Visualisierungsgenauigkeit der Punkte.

Pro Modalität wurde diese Versuchsreihe jeweils zehnmal durchgeführt.

Somit wurden in der Smartphone- und Tablet PC-Versuchsreihe jeweils 60 Bilder aufgenommen und 300 Datenpunkte gemessen. In der Google Glass-Versuchsreihe wurden 62 Bilder aufgenommen und 310 Datenpunkte gemessen.

Ergebnisse: Das vorgestellte Verfahren soll es ermöglichen, Positionen von Nävi auf der Haut des Patienten zu speichern und diese über mehrere Untersuchungen hinweg korrekt zu positionieren und auf der Haut des Patienten zu visualisieren.

Der Mittelwert des Fehlers der Versuchsreihen liegt bei der Erkennung der markierten Naevi zwischen 1.7 mm und 2.75 mm, mit einer Standardabweichung von ca. 0.8 mm.

Für das Wiedererkennen der Nävi lag der Mittelwert des Fehlers zwischen 3.8 mm und 5.4 mm, mit einer Standardabweichung von ca. 2.6 mm.

Als Obergrenze zur Machbarkeit wurde eine Genauigkeit von einem Zentimeter festgelegt. Die Messergebnisse zeigen (statistisch bewiesen mit einer Unsicherheit von maximal 5%), dass die gemessene Genauigkeit im Mittel deutlich unterhalb dieser Grenze liegen. Nur etwa 3,4% der Einzelmessungen überschritten diese Obergrenze.

So ist das Verfahren hinreichend genau, damit das Gesamtkonzept als "machbar" eingestuft werden kann.

Diskussion: Der Versuch wurde mit einem künstlichen Versuchsobjekt mit einer Größe von etwa 18cm x 24cm und einem homogen beleuchteten Hintergrund durchgeführt. Die Genauigkeit des Verfahrens bei Anwendung auf den Menschen und in einer realen Umgebung bleibt deshalb offen. Der Patient selbst stellt das größte Potential an Fehlerquellen dar. Da zu erwarten ist, dass längere Zeitspannen zwischen den einzelnen Besuchen der Patienten liegen, sind körperlicher Veränderungen zum Beispiel durch Gewichtsveränderungen, Alterung oder der getragenen Frisur.

Ändern sich dadurch die Körperproportionen des Patienten, könnte dies einen Einfluss auf die Transformation in den Referenzraum und dadurch auf die Genauigkeit der Rücktransformation der einzelnen Punkte haben.

Beim Übertrag des Verfahrens müsste außerdem die Methode der Erkennung der Nävi angepasst werden. Die Verwendung einer grünen Signalfarbe auf der Haut des Patienten wäre ungeeignet, da eine homogene und immer gleiche Farbe im Bild nicht gewährleistet werden könnte. Alleine durch unterschiedliche Hauttypen könnte es von Patient zu Patient zu erheblichen Unterschieden kommen. Dies könnte durch die Verwendung von selbstklebenden Markern behoben werden.

Ein Schwachpunkt der Verwendung von aktiven Formmodellen, ist die starke Abhängigkeit von einer angemessenen Initialisierung und der Wahl der Einflussparameter bei dem entstehenden Minimierungsproblem. Hierbei können kleinere Modifikationen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Als Hauptschwachstellen für den Einsatz der Google Glass wurden die schwache Rechenleistung, geringe Akkulaufzeit und die Qualität der internen Kamera erkannt. Mit ausgereifteren SmartGlasses und Optimierungen im Verfahren wäre ein Einsatz im Klinikalltag jedoch denkbar.

Der Hauptvorteil der SmartGlasses ist hierbei, dass der untersuchende Arzt seiner Arbeit uneingeschränkt nachgehen kann und die Daten anschließend elektronisch verfügbar sind. Diese können anschließend zu Dokumentationszwecken und bei Nachuntersuchungen verwendet werden.

Aktuell wird untersucht, ob und wie der DICOM Standard für eine Positionszuordnung und die Übertragung von Zusatzinformationen (wie Detailaufnahmen der Naevi) zu den jeweiligen Positionen geeignet ist.


Literatur

1.
Dawant BM, Pan S, Li R. Robust segmentation of medical images using geometric deformable models and a dynamic speed function. MICCAI. 2001:1040-1047.