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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Kundenanforderungen an eine avatarbasierte Unterstützungsdienstleistung für die Selbst- und Laienpflege

Meeting Abstract

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  • Johannes Kriegel - Fachhochschule Oberösterreich, Linz, Österreich
  • Klemens Auinger - Fachhochschule Oberösterreich, Linz, Österreich

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 188

doi: 10.3205/15gmds002, urn:nbn:de:0183-15gmds0025

Published: August 27, 2015

© 2015 Kriegel et al.
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Einleitung: Demographische Wandel, Kinderlosigkeit sowie zunehmende Anzahl an Einpersonenhaushalten führen zu einer steigenden Isolierung und Vereinsamung, insbesondere älterer Menschen, in Europa. Hieraus resultiert ein gesteigerter Bedarf an Unterstützungsleistungen für ältere, immobile und gesundheitlich beeinträchtigter Menschen im häuslichen Umfeld [1]. In den vergangenen Jahren sind ältere Kunden (Generation 55+) verstärkt in den Fokus der Betrachtungen gerückt. Dieser Older Customers Market wird zum einen durch die wachsenden Möglichkeiten aufgrund des technologischen Fortschritts sowie der in diesem Kundensegment befindlichen Kaufkraft bestimmt (Push-Perspektive). Zum anderen ist dieser Markt durch die besonderen Erwartungshaltungen (z.B. Dienstleistungsqualität, Sicherheit, persönlicher Nutzen) und Bedürfnisse (z.B. Assistenzsysteme, unterstützende Dienstleistungen) gekennzeichnet (Pull-Prinzip). Als ein wesentlicher Sektor bildet sich derzeit der Ambient Assistent Living (AAL) Markt heraus [2]. AAL umfasst dabei den Bereich altersgerechter Assistenzsysteme für ein selbstbestimmtes, umgebungsunterstütztes und selbstbestimmtes Leben durch angepasste Technologien, Produkte und/oder Dienstleistungen, welche das alltägliche Leben älterer und auch benachteiligter Menschen situationsabhängig und individuell unterstützen. Im Rahmen der Entwicklung neuer AAL Dienstleistungen stellt sich daher die Frage: Inwieweit bzw. welche Kundenanforderungen müssen hinsichtlich der Entwicklung von technologiebasierten AAL Dienstleistungen berücksichtigt werden? Im Weiteren wird diese Fragestellung bezüglich einer avatarbasierten Unterstützungsdienstleistung für die Selbst- und Laienpflege untersucht.

Material und Methoden: Im Rahmen des EU-Forschungsprojektes DALIA (Assistant for Daily Life Activities at Home) wird sowohl eine konkrete avatarbasierte AAL Diensteistung entwickelt als auch ein itereatives Dienstleistungsentwicklungsmodell erforscht. Ziel ist es, ein System zu entwickeln, das ältere Erwachsene als primäre Endbenutzer im häuslichen Umfeld unterstützt. Ferner bietet die avatarbasierte Dienstleistung Assistenzdienstleistungen für involvierte Laien- und ehrenamtliche Pflegepersonen als sekundäre Endbenutzer an. Hierdurch wird eine Schnittstelle bereitgestellt, die u.a. Verknüpfungen zu weiterführenden Informationen (z.B. Medikationsplan, Fahrplan ÖPNV), Akteuren (z.B. Hausarzt, mobile Pflege) und Dienstleistungen (z.B. Essen auf Rädern, Rettungsdienst) ermöglicht [3]. Die Identifizierung und Abgrenzung der relevanten Kundenbedürfnisse und -anforderungen erfolgt im Rahmen des EU-Projektes zum einen über die beteiligten Endkundengruppen (Klienten des betreuten Wohnens und der mobilen Pflege sowie deren Angehörige) in Österreich, Luxemburg und den Niederlanden. Zum anderen wurde eine strukturierte deutsch- und englischsprachige Literaturrecherche in einschlägigen nationalen und internationalen Suchmaschinen (z.B. Google, Bing, DuckDuckGo) und Datenbanken (z.B. Science Direct College Edtition, SpringerLink, Pubmed, Emerald Collections, Thieme Connect) unter Verwendung zielgerichteter Schlagworte (z.B. Ambient Assistent Living, Kundenanforderungen, Dienstleistungsentwicklung, Laienpflege etc.) durchgeführt. Ferner wurden eine Online-Umfrage unter den beteiligten Endkundengruppen sowie zwei Expertenworkshops und eine Dienstleistungstestung durch Endkunden durchgeführt und ausgewertet.

Ergebnisse: Die durchgeführten Methoden und erhobenen Ergebnisse ergaben zum einen einen konkreten Anforderungskatalog für die zu entwickelnde AAL Dienstleistung aus Sicht der adressierten Endkunden und zum anderen evidente Hinweise auf die Bedeutung und Berücksichtigung der relevanten kundenbezogenen Themenfelder und Bereiche im Rahmen eines AAL Geschäftsmodells [4]. Als grundlegende Anforderungen der Endkunden und Klienten konnten u.a. identifiziert werden: Unterstützung bei der Bildung entsprechender Strukturen für den Alltag; Vereinfachung der täglichen Kommunikation (Angehörige, Pfleger, Ärzte); Individuelle Anpassbarkeit eines AAL Systems (wichtig für die emotionale Bindung entsprechend des theoretischen Modells); Nachhaltige Nutzung durch modulare Erweiterungen; Integration anderer AAL Teillösungen; Subjektiver Nutzen der Patienten. Ferner wurden grundlegende Anforderungen der Laienpfleger hinsichtlich Entscheidungsfindung, Einschätzen von Situationen, Verantwortung als großer Stressfaktor > Wunsch nach Delegation und Aufteilung der Verantwortung, Zugang zu professioneller Unterstützung und zuverlässigen Informationen sowie Qualitätssteigerung der Kontakte identifiziert. Hinsichtlich einer unterstützenden Geschäftsmodellsystematik für die Entwicklung von AAL-Dienstleistungen konnte die besondere Bedeutung und Ausgestaltung der kundenrelevanten Dimensionen Wertangebote/Leistungsspektrum, Kundenbeziehungen, Kommunikations- und Vertriebskanäle, Kundensegmente sowie ethische Ausprägung und Preisgestaltung/Finanzierungsquellen identifiziert und deren Inhalte konkretisiert werden.

Diskussion: Eine zielgerichtete Entwicklung von AAL Dienstleistungen wird aktuell noch durch den Technologie-Push dominiert, wobei insbesondere im Rahmen von geförderten Forschungsprojekten, die jeweiligen Subziele der einzelnen beteiligten Stakeholder und Professionen dominieren. Zukünftig gilt es, neben den Kundenanforderungen verstärkt die übergeordneten Ziele sowie die erfolgreiche Marktetablierung in den Vordergrund zu stellen. Hierzu bedarf es neben einem konzeptionellen New Service Development auch eines aussagekräftigen Performance Measurement. Dabei erfordert die Bewertung und Messung von Effizienzsteigerungen bzw. positiven Wertschöpfungen hinsichtlich Versorgungs- und Servicequalität, Ressourceneinsatz und Kundenorientierung der zu entwickelnden AAL-Dienstleistung aussagekräftige Indikatoren. Diese sind im Rahmen eines zukünftigen Bewertungsrasters für integrierte AAL-Lösungen und Dienstleistungen anzuwenden und kontinuierlich intensiv zu betrachtet. Dabei kommt der Analyse der jeweiligen Nutzerakzeptanz der beteiligten bzw. relevanten Stakeholder eine besondere Bedeutung zu. Ferner werden zukünftig auch verstärkt qualitative Evaluationsmethoden und -instrumente (z.B. Health Technology Assessment, Fokusgruppenanalyse) zum Einsatz kommen, um die Datenqualität der ausgewählten Indikatoren zu verbessern [5]. Ein erforderliches Performance Measurement (PM) mittels aussagekräftigen Indikatoren-Set ist im Rahmen einer zielgerichteten und konzeptionellen Produkt- und Dienstleistungsentwicklung von AAL-Lösungen in Verbindung mit der jeweiligen strategischen Zielsetzung zu sehen und darauf auszurichten. Ferner müssen durch das PM auch die relevanten Prozesse, Strukturen und Servicedimensionen, die im Verlauf der Dienstleistungsentwicklung erfolgen, kontinuierlich berücksichtigt und evaluiert werden. Hieraus ergibt sich für die individuelle Entwicklung von AAL-Dienstleistungen ein AAL Service Development Loom. Dabei fungiert das Geschäftsmodell basierte PM als Webblatt (engl. reed), welches ein zielgerichtetes fehlerfreies Vorgehen entlang des Dienstleistungsentwicklungsprozesses unterstützt.


Literatur

1.
European Commission (EC). Demography, active ageing and pensions: European commission guide volume 3. Luxembourg: Publications Office of the European Union; 2012
2.
Eberhardt B, Fachinger U, Henke KD. Better health and ambient assisted living (AAL) from a global, regional and local economic perspective. Int J Behavioural and Healthcare Research. 2010; 2(2):172-191.
3.
dalia-aal.eu. http://www.dalia-aal.eu [cited 2015 Feb 13]. External link
4.
Kriegel J, Schmitt-Rüth S, Ortner T. Entwicklung von eHealth- und AAL-Geschäftsmodellen am Beispiel der Forschungsprojekte PIN und TMC in Oberösterreich. In: Duesberg F, Hrsg. e-Health 2014 – Informationstechnologien und Telematik im Gesundheitswesen. Solingen: VDMJ; 2013. p. 314-321.
5.
Kriegel J, Auinger K. Performance Measurement für die Entwicklung von hybriden eHealth/AAL Dienstleistungen. In: Duesberg F, Hrsg. e-Health 2015 – Informationstechnologien und Telematik im Gesundheitswesen. Solingen: VDMJ; 2014. p. 223-229.