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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Social Media im Gesundheitswesen – Chancen, Risiken, Trends

Meeting Abstract

  • T. Hartz - Universitätsmedizin Mainz, Mainz
  • H. Fangerau - Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medi-zin, Universität Ulm, Ulm
  • O. Pramann - Kanzlei34, Hannover
  • F. Ückert - Universitätsmedizin Mainz, Mainz
  • U.V. Albrecht - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 252

doi: 10.3205/14gmds112, urn:nbn:de:0183-14gmds1121

Published: September 4, 2014

© 2014 Hartz et al.
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Text

Einleitung: Neue Technologien und digitale Medien, die es Menschen ermöglichen, sich untereinander auszutauschen, zu vernetzen und mediale Inhalte einzeln oder in Gemeinschaft zu generieren, werden als Social Media (Soziale Medien [1]) bezeichnet. Das Besondere an diesen Medien ist, dass sie relativ geringe Eintrittsbarrieren aufweisen und die Veröffentlichung und Verbreitung von Inhalten jeglicher Art, im professionellen wie auch privaten Bereich, im Vergleich zu traditionellen Massenmedien (wie z. B. Zeitungen, Radio, Fernsehen und Film) deutlich vereinfachen. Etwa 70 Prozent der deutschen Internetnutzer verwenden Social-Media-Angebote [2]. Daraus ergibt sich, dass auch Ärzte, Pflegekräfte und andere Versorger unter den Nutzern von Social Media aufzufinden sind. Auch wenn sie meist eher als Privatperson solche Dienste nutzen, werden sie von den Betroffenen häufig in ihrer beruflichen Rolle wahrgenommen. Verstärkt wird diese Wahrnehmung dadurch, dass sie immer häufiger auch im professionellen Umfeld genutzt werden. In seinen verschiedenen Ausprägungen hat Social Media somit auch schon Einfluss auf das Gesundheitswesen. Welche Chancen und Risiken sich jedoch im Einzelnen durch den Einsatz von Social Media ergeben und welche Trends sich in diesem Zusammenhang abzeichnen, gilt es zu beleuchten.

Material und Methoden: Im Rahmen eines interdisziplinären Austausch wurden Erfahrungen und Ansichten aus verschiedenen Fachdisziplinen, der Allgemeinmedizin, der medizinischen Informatik, medizinischen Ethik und der Rechtswissenschaft zusammengeführt, diskutiert und mit aktuellen Referenzen belegt und ergänzt. Die Ergebnisse der Diskussion wurden schriftlich festgehalten und zusammengefasst. Es wurde dabei zwischen Chancen, Risiken und Trends unterschieden.

Ergebnisse: Laut Grajales et al. können zehn Kategorien bzw. Ausprägungen von Social Media unterschieden werden [3]: Foren und Blogs, MicroBlogs, Soziale Netzwerke, Professionelle Netzwerke, themenspezifische Netzwerke, Wikis, Mashups, kollaborative Filterseiten, Media Sharing Seiten und andere. Für jede dieser Kategorie konnten mehrere konkrete Dienste und Fallbeispiele gefunden werden.

Allgemein lassen sich daraus folgende Chancen zusammenfassen. Von Vertretern der Heilberufe kann Social Meida zur Bekanntheitssteigerung, Imagebildung und Patientenanbindung genutzt werden. Viele Kliniken und Arztpraxen pflegen neben einem offiziellen Internetauftritt auch eine Facebook-Seite oder einen Twitter-Account, mit denen sie gezielt über aktuelle Themen informieren und sich präsentieren. Richtig eingesetzt kann mit Social Media somit eine große Verbreitung erreicht und zielgruppenspezifisch informiert werden. Ziel ist es, Compliance, Therapieadhärenz und Prävention auf verschiedenen Ebenen verbessern zu können. Niedergelassene Kollegen können über Social Media ihre Patienten an anstehende Impfungen erinnern, über neue Therapien und Behandlungsmethoden informieren und Neuigkeiten aus ihrer Praxis (wie beispielsweise die Einstellung neuer) Mitarbeiter mitteilen. Social Media ist in ihren verschiedensten Ausprägungen als ein weiterer Kanal zu verstehen, der für die Vermittlung von Informationen und für die Kommunikation zwischen Versorgern und Patienten genutzt werden kann. Das Besondere an diesem neuen Kanal ist sicherlich, dass auch die Patienten selber Inhalte schaffen können. Hier sind gerade im Bereich der seltenen Erkrankungen Vorteile schnell ersichtlich. Die Betroffenen haben in sozialen Netzwerken die Möglichkeit, andere Betroffene und Experten zu finden, mit ihnen Gruppen zu gründen und sich z.B. in einer Selbsthilfegruppe auszutauschen. Diese Möglichkeit wird bereits vielfach genutzt. Experten zu seltenen Erkrankungen wiederum berichten, dass sie über Gruppen in sozialen Netzwerken schneller über neue Entwicklungen informiert werden als über Fachzeitschriften oder andere bisherige Informationswege.

Leider verbergen sich hinter den Entwicklungen auch Risiken, die meist von den treibenden Akteuren nicht gesehen werden. Es besteht die Gefahr, dass Nutzer ungewollt (und unbewusst) so viele Informationen über sich preisgeben, dass ihre Identität eindeutig ermittelt werden kann oder dass sie Informationen weitergeben, die eventuell im Versicherungsfall, im Fall der Suche nach einer Arbeit oder stigmatisierend im privaten Kontext gegen sie verwendet werden können. Dies kann schon passieren, wenn es zu einer Online-Freundschaft mit einem Arzt kommt oder einer Gruppe zu einer bestimmten Erkrankung beigetreten wird. Ist das für andere sichtbar, kann auf mögliche Erkrankungen geschlossen werden. Viele geben auch bereitwillig und aktiv an, dass sie selber oder einer ihrer Angehörigen von einer bestimmten Erkrankung betroffen sind. Wenn man von einem schweren Schicksalsschlag betroffen ist, spielt die Privatsphäre in den meisten Fällen eher eine untergeordnete Rolle. Da die technischen Möglichkeiten es erlauben, systematisch “offene Daten” abzugreifen und entsprechende Profile abzubilden, sind konkrete Empfehlungen zu Sicherheitseinstellungen und Aufklärungsarbeit notwendig.

Für Ärzte können sich Rollenkonflikte im sozialen Medium ergeben. Sie leisten in diesen Medien im besten Sinne telemedizinische Arbeit, deren Effekte sie nicht kontrollieren können. Ihre allgemein gültigen Informationen werden von Patienten in individuellen Situationen genutzt, ihre individuellen Ratschläge verallgemeinert, womit Ärzte die Kontrolle über ihre Information verlieren und ihr Expertenwissen auch schaden statt nutzen kann. Im Austausch von Ärzten untereinander über Patienten ist besonders zu beachten, dass die Vernetzung unterschiedlichster Informationen aus sozialen Medien eventuell wie bereits dargestellt die Identifizierung von Individuen erlaubt und so die Schweigepflicht bzw. eine nur fragliche Entbindung von der Schweigepflicht in den Fokus rücken.

Diskussion: Die genannten Chancen und Risiken zeigen, wie wichtig die Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist. Die genannten Probleme scheinen lösbar, sie müssen jedoch transparent und unter Beachtung geltender professionsethischer Regelungen diskutiert werden. Dies betrifft auch die Anwendung der Berufrechts auf den Bereich der sozialen Medien, denn gerade die telemedizinischen Aspekte der sozialen Medien, das Problem der Schweigepflicht und die Kollegialität stellen auch berufsrechtliche Herausforderungen dar.

Das Social Media im Gesundheitswesen immer wichtiger wird, zeigt Anfang des Jahres veröffentliche Handreichung der Bundesärztekammer für Ärzte zum Umgang mit Social Medial [4]. Die Handreichung basiert auf den Empfehlungen des 115. Deutschen Ärztetags [5] und des Weltärztebundes [6] und richtet sich ebenso an Einsteiger wie an erfahrene Nutzer sozialer Medien.

Ausblick: Der Austausch persönlicher (Gesundheits-)information über Soziale Medien wird zunehmen. Mediziner und andere Mitglieder der Heilberufe sollen sich nicht diesem Trend verschließen: Die Auseinandersetzung mit der Thematik ist notwendig, um die neuen Möglichkeiten des Informationsaustausches mit großem Potential für das Gesundheitswesen erschließen zu können. Die Diskussion der vielfältigen ethischen und rechtlichen Aspekte ist förderlich, um die Risiken zu zu identifizieren und zu minimieren. Bei Einhaltung einfacher Regeln, wie sie beispielsweise die Bundesärztekammer in ihrer Handreichung “Ärzte in sozialen Medien” herausgegeben hat, können diese Social Media-Werkzeuge risikoarm genutzt werden, um den Wert der Technologie zu bestimmen und neue Anwendungsfelder zu entdecken.


Literatur

1.
Soziale Medien. In: Gabler Wirtschaftslexikon. http://wirtschaftslexikon.gabler.de/ External link
2.
Social Media Atlas 2012: Social Media Nutzung in Deutschland. http://social-media-atlas.faktenkontor.de/2012/index.php External link
3.
Grajales III FJ, Sheps S, Ho K, Novak-Lauscher H, Eysenbach G. Social Media: A Review and Tutorial of Applications in Medicine and Health Care. J Med Internet Res. 2014;16(2):e13.
4.
Pressemitteilung der BÄK vom 20.03.2014: Bundesärztekammer gibt Hinweise für „Ärzte in sozialen Medien“. http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=3.71.11855.11977.12000 External link
5.
Empfehlungen der Bundesärztekammer für Ärzte und Medizinstudenten zur Nutzung sozialer Medien“ ausgesprochen (Stand 25.5. 2012) beim 115. Ärztetag in Nürnberg. http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Empfehlungen_Aerzte_in_sozialen_Medien.pdf External link
6.
WMA Statement on the Professional and Ethical use of Social Media. Adopted by the 62nd WMA General Assembly, Montevideo, Urugay, October 2011. http://www.wma.net/en/30publications/10policies/s11/ External link