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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Ein Informationssystem zur grenzüberschreitenden Überwachung meldepflichtiger Infektionskrankheiten

Meeting Abstract

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  • M. Rohde - OFFIS - Institut für Informatik, Oldenburg
  • S. Gudenkauf - OFFIS - Institut für Informatik, Oldenburg
  • A. Jurke - Landeszentrum Gesundheit NRW, Münster

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 357

doi: 10.3205/14gmds041, urn:nbn:de:0183-14gmds0417

Published: September 4, 2014

© 2014 Rohde et al.
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Einleitung und Fragestellung: Durch die zunehmende Öffnung der nationalen und europäischen Grenzen für den Verkehr von Personen, Patienten, Waren und landwirtschaftlichen Erzeugnissen wird der Transfer von Infektionserregern begünstigt. Trotz dieser zunehmenden grenzüberschreitenden Mobilität von Erregern gibt es bislang keine Strukturen, die einen Austausch von Daten meldepflichtiger Infektionskrankheiten und einen damit verbundenen gemeinsamen Infektionsschutz ermöglichen.

Das Projekt EurSafety Health-net (http://www.eursafety.eu/) zielt darauf ab, den Schutz vor Infektionskrankheiten zu verbessern und die Patientensicherheit zu erhöhen. Dies geschieht durch eine grenzüberschreitende Vernetzung von Akteuren des Gesundheitswesens in der deutsch-niederländischen Grenzregion. Im Rahmen des EurSafety Health-net Projektes werden eine gemeinsame Surveillance und ein grenzüberschreitendes Ausbruchsmanagement aufgebaut. Mithilfe eines internetbasierten Informationssystems werden Meldedaten zu Infektionskrankheiten und anderen public health-relevanten Erregern auf beiden Seiten der Grenze zur Verfügung gestellt. Somit werden ein gemeinsames, koordiniertes Ausbruchsmanagement sowie eine Aufklärung von Infektionsquellen ermöglicht.

Material und Methoden: In einem Pilot-Projekt der Euregio Gronau-Enschede werden zunächst die bereits in Routineprozessen erhobenen Daten von 11 Infektionskrankheiten aus dem Regierungsbezirk Münster und der Region Twente integriert – Hepatitis A, Hepatitis B, Hantavirus, Legionellose, Leptospirose, Listeriose, Masern, Meningokokken, Paratyphus, Ornithose und Q-Fieber. Die Erkrankungen sind in beiden Ländern meldepflichtig. Die Vergleichbarkeit der Krankheiten in der Erfassung wurde im Vorfeld geprüft.

Für das koordinierte grenzüberschreitende Ausbruchsmanagement werden folgende Methoden auf den Daten angewandt, die auf den im LZG.NRW etablierten Richtlinien zur Infektionskrankheiten Surveillance basieren [1]: Gemeldete Fälle und Inzidenzraten werden pro Woche regional differenziert ausgewiesen und in Zweiwochen-, Vierwochen-, Quartals- und Halbjahresintervallen aggregiert. Zusätzlich werden, ebenfalls regional differenziert, erwartete Vierwochen-Fallzahlen und -Inzidenzraten berechnet. Diese Erwartungswerte berechnen sich anhand von 15 Vier-Wochen-Perioden aus den letzten 5 Jahren. Auf dieser Basis werden auch Z-Werte berechnet, die zugleich die Größe der Abweichungen von den Erwartungswerten repräsentieren. Der "Grenzwert" von 1,65 entspricht der zweifachen Standardabweichung. Werte, die diese Grenze überschreiten, deuten auf eine Abweichung, die möglicherweise nicht allein auf den Zufall zurückzuführen ist. Zur Visualisierung der Fallzahlen und der berechneten Kennzahlen werden folgende Komponenten eingesetzt: In einem Barometer werden die Z-Werte der Vierwochen-Meldezahlen aller 11 Infektionskrankheiten dargestellt und auffällige Werte farblich hervorgehoben. In einer Chorplethenkarte werden alle regionalen Kennzahlgrößen dargestellt und in einem Zeitdiagramm die Meldezahlen für die letzten 52 Wochen visualisiert.

Ergebnisse: Das internetbasierte Informationssystem wurde auf Basis moderner Internettechnologien (HTML5, CSS, JavaScript, SVG) entwickelt. Speziell werden alle Diagramme, Karten und Tabellen als SVG-Vektorgrafiken generiert und dargestellt, um die Skalierbarkeit auf unterschiedliche Bildschirmgrößen (Responsives Design, [2]) und Zukunftssicherheit der Lösung zu gewährleisten. Die einzelnen Komponenten sind zudem untereinander gekoppelt, um eine interaktive explorative Analyse zu ermöglichen und einer breiten Nutzergruppe zugänglich zu machen (Dashboard, [3]). So kann z.B. die Auswahl einer Region, für die alle Kennzahlwerte angezeigt und im Zeitverlauf dargestellt werden, per Mausklick über die Choroplethenkarte erfolgen.

Zusätzlich wurde zur Darstellung des Zeitverlaufs der Meldungen ein neuer Diagrammtyp Meldeverlauf entwickelt. Dieser besteht aus einem kombinierten Balken-, Linien- und Flächendiagramm, dass folgende Werte darstellt: (1) Meldezahlen der letzten 52 Wochen als Balkendiagramm, (2) erwartete Meldezahlen aus den historischen Vergleichszahlen als Liniendiagramm und (3) erwartete Meldezahlen, die sich aus den aktuellen Euregio-Gesamtzahlen bei der Annahme einer regionalen Gleichverteilung der Werte ergeben als Flächendiagramm im Hintergrund. Über das Meldeverlauf-Diagramm kann ebenfalls interaktiv die Woche ausgewählt werden, für die dann alle Kennzahlwerte dargestellt werden. Die so selektierten Kennzahlenwerte werden ebenfalls in den anderen gekoppelten Diagrammen visualisiert, wie z.B. in der Choroplethenkarte, so dass ein konsistentes Gesamtbild entsteht.

Die Meldedaten aus dem Regierungsbezirk Münster werden täglich direkt aus dem SurvNet-System des LZG.NRW importiert [4]. Meldedaten aus den Niederlanden werden zunächst wöchentlich aus dem ORION Meldesystem des GGD Regio Twente exportiert (als .xls Datei), anonymisiert und an das LZG.NRW in Münster übersendet. Die niederländischen Daten werden an das Datenschema des LZG-Informationssystems angepasst und in das System eingelesen.

Der Zugriff auf die serverseitigen Daten erfolgt über JQuery bzw. Asynchronous JavaScript and XML (AJAX) auf Dateibasis ohne Datenbankzugriffe. Durch diese Technologiewahl wird insbesondere keine zusätzliche serverseitige Softwareinfrastruktur benötigt. Die Anwendung konnte in den LZG-Webauftritt integriert werden. Insbesondere wird auch der verzeichnisorientierte Zugriffsschutz im LZG.NRW umgesetzt. Die Verwaltung der Logins/Passwörter erfolgt ebenfalls im LZG.NRW.

Diskussion: Um den Schutz vor Infektionskrankheiten in der deutsch-niederländischen Grenzregion zu verbessern und die Patientensicherheit zu erhöhen ist eine grenzüberschreitende Vernetzung von Akteuren des Gesundheitswesens notwendig. Im Rahmen des EurSafety Health-net Projektes werden eine gemeinsame Surveillance und ein grenzüberschreitendes Ausbruchsmanagement aufgebaut und auf beiden Seiten der Grenze zur Verfügung gestellt.

Das hierzu entwickelte internetbasierte Informationssystem wurde auf Basis moderner Internettechnologien und unter Maßgabe des responsiven Designs entworfen. Die einzelnen visuellen Komponenten sind dabei untereinander gekoppelt, um eine interaktive explorative Analyse zu ermöglichen. Zusätzlich wurde zur Darstellung des Zeitverlaufs der Meldungen ein neuer Diagrammtyp Meldeverlauf entwickelt. Wie im Beitrag ausgeführt, werden dadurch die angebotenen Informationen einer breiten Nutzergruppe zugänglich gemacht ohne gleichzeitig bei der Informationsdichte Abstriche machen zu müssen. Die Anwendung wurde dabei in die Internetseite des LZG.NRW integriert.


Literatur

1.
Rissland J, van Treeck U, Taeger D, Baumeister HG. Infektionssurveillance in NRW - Standardberichte, Barometer und Frühwarnsystem. Gesundheitswesen. 2003;65(12):719-723
2.
Marcotte E. Responsive Web Design. A List Apart. Mai 25, 2010. URL: http://alistapart.com/article/responsive-web-design External link
3.
Few S. Information Dashboard Design - The Effective Visual Communication of Data. O'Reilly; 2006.
4.
Ritter S. SurvNet@RKI3.0 - Das Meldesystem zum IfSG. RKI-Hausdruckerei; September 27, 2013.