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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Integration neuartiger Gesundheitsdatenquellen in präklinische Versorgungsprozesse

Meeting Abstract

  • J. Schwartze - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatikder Technischen Universität Braunschweigund der Medizinischen Hochschule Hannover, Braunschweig
  • A. Günther - Feuerwehr Braunschweig, Braunschweig
  • K.H. Wolf - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatikder Technischen Universität Braunschweigund der Medizinischen Hochschule Hannover, Braunschweig
  • R. Haux - Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatikder Technischen Universität Braunschweigund der Medizinischen Hochschule Hannover, Braunschweig

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 343

doi: 10.3205/14gmds029, urn:nbn:de:0183-14gmds0299

Published: September 4, 2014

© 2014 Schwartze et al.
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Text

Einleitung und Fragestellung: Die Technisierung der Gesundheitsversorgung hat in den letzten 10 Jahren rapide zugenommen. Bundesinitiativen sowie europäische oder internationale Entwicklungen, wie die Telematik Infrastruktur [1], epSOS [2] oder IHE [3] zeigen die zukünftigen Entwicklung des Gesundheitswesens hin zu Kommunikation und Kollaboration. Die avisierten Ziele sind eine qualitativ hochwertige, ökonomische und selbstbestimmte Patientenbehandlung.

Die zentrale Anforderung solch regionaler und überregionaler Verletzungsbestrebungen ist eine frühzeitige Einbeziehung aller beteiligten Interessensgruppen. Dieser vielfältige Kontakt zu unterschiedlichen Versorgern ermöglicht es, die medizinischen Anforderungen im Lichte der technischen Möglichkeiten zu bewerten. In der Choreographie der beteiligten Partner kommt dem Rettungsdienst als Initiator der Versorgungskette eine besondere Bedeutung zu - stellt doch der medizinische Notruf entscheidende Weichen für die Gesundheitsversorgung. Darüber hinaus zeigt sich eine Reihe neuartiger Gesundheitsstandorte und Versorgungsdienstleistungen mit daraus entstehenden medizinischen und potentiell versorgungsrelevanten Daten.

Die zentrale Frage ist daher wie solche neuartigen Gesundheitsdatenquellen in die präklinische Notfallversorgung integriert werden können. Im Speziellen, welche Anforderungen existieren für eine mögliche Datenintegration der beiden Prozesse.

Material und Methoden: Wir identifizieren Kollaborationspotentiale zwischen neuartigen Gesundheitsstandorten und Versorgungsdienstleistern und der präklinischen Notfallversorgung. Es werden Versorgungsszenarien aus spezifischen Forschungsfeldern gebildet und auf Schnittstellen zum Rettungsdienst analysiert. Im Fokus stehen Forschungen zum Ambient Assisted Living, der strukturierten Notrufabfrage, der mobilen ambulanten medizinischen Versorgung und dem eCall. Gefundene potentielle Schnittstellen werden auf gemeinsame Anforderungen auf Seite der Notrufbearbeitung untersucht, anhand derer eine transinstitutionelle Kollaboration gestaltet werden kann.

Ergebnisse: In der Choreographie der beteiligten Partner kommt dem Rettungsdienst als Initiator der Versorgungskette eine besondere Bedeutung zu. Die zentralen Ziele einer schnellen und optimalen Einsatzentscheidung bestehen im Kontext neuer Kommunikationsmöglichkeiten der Partner, bieten jedoch Optimierungspotential durch angereicherte Notrufinformationen und die Kommunikation des Hilfeersuchenden und der Rettungsleitstelle mit Dritten. Offensichtliche Vorteile, wie eine genauere Ortung des Notfallortes oder die schnellere Erfassung der Notrufpatienten, werden um eine Reihe innovativer Auswertungs- und Nachtbearbeitungsmöglichkeiten ergänzt. Es spannt sich ein Notruf- und Kommunikationsszenario vom ausgehenden Notruf über die Annahme in der Leitstelle, die Bewertung des Hilfeersuchens (ggf. die Anleitung zu Erstmaßnahmen) und die Rettung vor Ort oder Weiterleitung des Hilfeersuchens bis hin zur medizinischen und informationellen Übergabe sowie der medizinischen und rettungsdienstlichen Qualitätssicherung und Nachbereitung [4]. Der erste Beteiligte entlang dieses Kollaborationspfades ist der notrufauslösende Akteur. Die Vielfalt der Ausprägungen spiegelt hier die technologische Entwicklung der Gesundheitsversorgungskette im besonderen Maße wider. Notrufe werden nicht mehr allein von Personen über das Telefon abgesetzt. Innovationen wie der eCall [5] für Fahrzeuge, Notruf-Apps für Smartphones [6], [7] oder Assistenzsysteme im häuslichen Umfeld [8], [9] erweitern die Palette. Die zunehmende Intelligenz der Systeme ermöglicht die Anreicherung der Notrufdaten. So sind sensorerweiterte Wohnungen in der Lage, neben notrufauslösenden Ereignissen, wie Stürzen, auch ein breites Spektrum an Gesundheitsdaten (z.B. Notfalldatensätze, Geriatrische Scores, Daten aus Medizingeräten, Psychiatrische Assessments) oder Rahmendaten (z.B. Anzahl der Notrufpatienten oder Verletzungscharakteristika) zu liefern.

Im Kern erfordert die intelligente Anreicherung des Notrufes und der Nachsorge eine Kommunikation und Kollaboration der verschiedenen beteiligten Akteure. Vor allem – aber nicht nur – neue Partner sind in die aktuelle Notrufkette bisher schlecht integriert. Folgende Anforderungen wurden identifiziert:

A1 Übertragung von Basis-Notrufdaten

  • a. Audiodaten
  • b. Textübertragung
  • c. Standardisierte Notrufdatensätze (z.B. eCall-MSD oder Daten aus Notruf-Apps)

A2 Übertragung von erweiterten Notrufdaten

  • a. Ton oder Geräusch (z.B. Umgebungsgeräusch)
  • b. Daten zur Notrufumgebung (z.B. Anzahl Personen in einer Wohnung)
  • c. Medizinische Daten aus Assistierenden Technologien (z.B. Blutdruckwerte)
  • d. Bilder und Videos

A3 Komplexe Kommunikationskontrolle

  • a. Halten der Verbindung vor, während und nach der Bearbeitung durch die RLS
  • b. Weiterleitung oder Rückleitung zu einem TPS nach Beurteilung des Notrufes durch die RLS (z.B. Hausnotruf, Ärztenotdienst, gewerbliche Notruf-App, TPS eCall)
  • c. Zugriff auf ambiente Aktorik (z.B. Türschlösser)

A4 Aktive Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit

Die Hauptanforderung ist eine standardisierte Aufbereitung von Notruf- und Rahmendaten (vgl. A1) zur reibungslosen Integration in den Prozess der medizinischen Notfallrettung. So kann Etablierung und Anreicherung eines strukturierten Notrufgespräches die Rettungsantwortzeit bei gesteigerter Spezifität verkürzen [10]. Dies beinhaltet nicht nur die Spezifizierung der möglichen Inhalte, sondern ebenfalls den Einsatz standardkonformer Schnittstellen bei allen beteiligten Partnern (vgl. insb. A2.c und A3). Nur dadurch kann eine lückenlose Interoperabilität sichergestellt werden. Dies gilt für alle Akteure – ob Smartphone App, eCall fähiges Fahrzeug oder Intelligente Wohnung – gleichermaßen (vgl. A2). Technologien wie IHE oder Standards wie DICOM oder HL7 müssen das Mittel der Wahl sein. Eingesetzt in Kommunikationslösungen wie der Gesundheitsdatenbank für Niedersachsen, schaffen sie einen Patientendatenkontext über Einrichtungsgrenzen hinweg [11][. Integrierte Sicherungskonzepte, den Anforderungen aus der Medizin genügend, müssen dabei aktiv für die Absicherung und den Schutz persönlicher Daten sorgen (vgl. A4).

Diskussion: Wir glauben, dass für die Zukunft der Notrufbearbeitung die Interoperabilität eine wichtige Rolle spielen wird. Die Integration neuartiger Gesundheitsdatenquellen kann einen substantiellen Beitrag zur Optimierung der Einsatzentscheidung und zur Lenkung des medizinischen Hilfeersuchens leisten. Vormals nicht direkt bediente Ereignisse könnten – unter Beibehaltung der vollständigen Notrufdaten – an einen Drittdienst, wie den Hausarzt oder einen Hausnotruf weitergeleitet werden. Bediente Notrufe gewännen durch bessere Informationen an Qualität. Die Einsatzentscheidung bzw. die Lenkung medizinischen Hilfeersuchens erfolgen angepasst. Zusätzlich ist eine nahtlose Integration in das Rettungsumfeld und die Prozesse nachsorgender Einrichtungen möglich. So könnten Wohnungstüren geöffnet oder Hoch-Akutfälle früher und präziser z.B. im aufnehmenden Klinikum angemeldet werden. Die Qualität der gesamten Versorgungskette würde gesteigert. Die Auswertungsmöglichkeiten für alle Akteure steigen mit der Informationsmenge. Es können Kennzahlen bezüglich einer Vielzahl von Endpunkten ermittelt und verglichen werden. Das Qualitätsmanagement gewänne an Spezifität.


Literatur

1.
Telematikinfrastruktur. gematik Gesellschaft mbH. http://www.gematik.de External link
2.
European Patients - Smart open Services. SALAR. http://www.epsos.eu External link
3.
Integrating the Healthcare Enterprise (IHE). IHE International. http://www.ihe.net External link
4.
ÄLRD in der EGN. Entwicklung von Qualitätsindikatoren bei Notruf über 112. Empfehlung. Sonthofen: Bundesversammlung der ÄLRD, Rettungsdienst; 2013.
5.
Europäische Kommission. Empfehlung der Kommission vom 8. September 2011 zur Unterstützung eines EU- weiten eCall-Dienstes in elektronischen Kommunikationsnetzen für die Übertragung bordseitig ausgelöster 112- Notrufe („eCalls``). Amtsblatt der Europäischen Union. Brussels: Europäische Union; 2011. Report No.: L 303/46.
6.
Echo112. mobilemed. http://www.echo112.com External link
7.
Malteser Erste-Hilfe-App. Malteser. http://www.malteser.de/erstehilfeapp.html External link
8.
Marschollek M, Bott OJ, Wolf KH, Gietzelt M, Plischke M, Madiesh M, Song B, Haux R. Home care decision support using an Arden engine--merging smart home and vital signs data. Stud Health Technol Inform. 2009;146:483-7.
9.
Forschungssystem AGT Labor. PLRI. http://www.plri.de/index.php?id=agt_lab External link
10.
Wolf KH, Motylewski P, Günther A. Entwicklung und Evaluation eines Softwareprototypen als Strukturierungshilfe für Notrufgespräche in Rettungsleitstellen. In: GMDS 2013. 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Lübeck, 01.-05.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocAbstr.41. DOI: 10.3205/13gmds027 External link
11.
eHealth.Bank - Gesundheitsdatenbank für Niedersachsen. Gesundheitsdatenbank für Niedersachsen UG. http://www.gdbank.de External link