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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Einfluss von Telemonitoring auf die Behandlung von Bluthochdruckpatienten

Meeting Abstract

  • A. Stahmann - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen
  • M. Schwarzmaier - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen
  • B. Sellemann - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen
  • C.L. Neumann - Blutdruckinstitut Göttingen e.V., Göttingen
  • E.G. Schulz - Nephrologisches Zentrum Göttingen GbR, Göttingen

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 199

doi: 10.3205/14gmds026, urn:nbn:de:0183-14gmds0261

Published: September 4, 2014

© 2014 Stahmann et al.
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Text

Einleitung: Hypertonie stellt aufgrund ihrer großen Verbreitung und der durch sie verursachten Folgeerkrankungen die Volkskrankheit „Nummer 1“ dar [1]. Nur etwa 30% der Hypertoniepatienten in Deutschland werden ausreichend mit Medikamenten behandelt und sind sich ihrer Erkrankung und den verbundenen Risiken bewusst [2]. Aufgrund der sozioökonomischen Bedeutung der Erkrankung, ist die Untersuchung und Etablierung neuer Verfahren zur besseren Diagnostik und Therapie notwendig.

Untersuchungen haben gezeigt, dass die Anpassung der Medikation durch den Einsatz einer telemetrischen Blutdruckmessung im Vergleich zu der Standardversorgung (nach Leitlinien) eine effektivere und schnellere Optimierung ermöglicht. Darüber hinaus konnte die Sicherheit bei der Dosisanpassung gesteigert werden. Neumann et al. [3] zeigen auf, dass die telemetrische Blutdruckmessung ein großes Potential bietet, bereits bestehende Messverfahren zu ergänzen. Sie ist insbesondere bei der Therapieeinleitung bzw. -änderung von großem Nutzen.

Im Rahmen des Projektes zur „Effizienzbewertung von Dienstleistungskonfigurationen in der Telemedizin“ (EDiMed) wurde anhand von zwei Fallstudien untersucht, ob die telemedizinische Behandlungsform im Vergleich zur traditionellen leitliniengetreuen Behandlungsform effizienter ist. Dabei wurden Einflussfaktoren aus Patienten- und Ärzteperspektive ermittelt und gemessen. Vorhergehende Studien [4], [5] zeigten bei Patienten unter der etablierten Behandlung eine starke Diskrepanz in der Anzahl der geplanten Messungen und der durchgeführten Messungen, sowie bei der korrekten Dokumentation der gemessenen Werte (Messcompliance). Telemedizinischen Behandlungsformen wird ein positiver Einfluss auf die Messcompliance der Patienten zugeschrieben [4]. Am Beispiel der in Göttingen durchgeführten Studie zur Effizienzbewertung von Telemonitoring bei Hypertoniepatienten wurde untersucht, inwieweit eine automatisierte Dokumentation und Kontrolle einen positiven Effekt auf den Ablauf der Visiten, bzw. der Messungen hat.

Methodik: Die monozentrische Interventions-Studie erstreckte sich über jeweils 8 Wochen je Patient mit je einem geplanten Arztbesuch zu Beginn und Ende der Studie. Beide Studiengruppen erhielten eine durch die Fachgesellschaften empfohlene Therapie der arteriellen Hypertonie. Über einen Zeitraum von ca. 18 Monaten wurden die Studienteilnehmer durch das ärztliche Personal aus der regulären Hypertoniesprechstunde rekrutiert. Als Einschlusskriterien wurden die Diagnose arterielle Hypertonie und ein Alter zwischen 18 und 80 Jahren festgelegt. Ausschlusskriterien waren fehlende Einwilligungsfähigkeit, psychiatrische Behandlung, Nierenarterienstenose, Schwangerschaft, Phäochromozytom, maligner Hypertonus, akutes Nierenversagen, terminale Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance <15ml/min), zerebrovaskuläre Ereignisse, hypertensive Enzephalopathie, Herzinfarkt in den letzten sechs Monaten, instabile AP, unbehandelter Diabetes mellitus oder Hyper- bzw Hypothyreose, klinisch wichtige hepatische, gastrointestinale, hämatologische, pulmonale oder neurologische Störungen, Alkohol- oder Medikamentenabusus. Die Studienteilnehmer wurden nach Aufklärung und ihrer Einwilligung randomisiert nach Alter und Geschlecht einer der beiden Gruppen zugewiesen. Die Patienten in der Kontrollgruppe (herkömmliche Versorgung) wurden zur Dokumentation der Heimblutdruckmessungen in einem Blutdrucktagebuch aufgefordert. Es wurde eine Überprüfung des papierbasierten Blutdrucktagebuchs und eine ggf. notwendigen Medikationsanpassung bei den geplanten Arztbesuchen durchgeführt [6]. Als Interventionstherapie wurde das interventionelle Blutdruckmonitoring nach Neumann et al. [3] eingesetzt. Hierzu erhielten die Patienten ein telemetrisches Leih-Blutdruckmessgerät. Die Patienten bekamen eine Einweisung in die Bedienung des Geräts und durch die Ärzte wurden patientenindividuelle Grenzwerte und Alarmregeln im Telemonitoringportal definiert. Über den Studienzeitraum hinweg sollten die Patienten jeden Tag bis Studienende eine telemetrische Blutdruckmessung durchführen. Die Messcompliance der Patienten wurde durch eine Regel überwacht: Im Falle einer ausbleibenden Datenübertragung (>3 Tage) erfolgte eine Benachrichtigung des Arztes. Dieser oder seine Mitarbeiter haben dann Kontakt mit dem Patienten aufgenommen und an die Messungen erinnert [6].

Ergebnisse: Insgesamt konnten im Rahmen der Studie 77 Patienten verteilt auf Interventionsgruppe (n=44) und Kontrollgruppe (n=33) rekrutiert werden. Der Altersdurchschnitt lag in der Kontrollgruppe bei m=58 Jahren (SD=20,19), in der Interventionsgruppe bei m=54 Jahren (SD=18,20). In der Kontrollgruppe war das Geschlechterverhältnis 60% Männer und 40% Frauen, in der Interventionsgruppe 53% Männer und 47% Frauen. Die Abbruchquote lag bei n=1. Die Analyse der Messcompliancewerte in der Kontrollgruppe zeigte eine schlechte Qualität und Verfügbarkeit von validen Messwerten für die Therapieeinleitungs- und Therapieanpassungsentscheidungen. So lagen bei der Startvisite nur bei 52% aller Patienten die Blutdrucktagebücher vor. Innerhalb dieser Gruppe waren bei 27% der Patienten regelmäßig Messwerte dokumentiert worden. Bei der Analyse der Messwerte stuften die betreuenden Ärzte nur 33% der Tagebuchwerte als glaubwürdig ein. Im Lauf der Studie verbesserten sich die Verfügbarkeit und die Qualität (76% der Tagebücher waren bei der Endvisite vorliegend, 30% waren regelmäßig ausgefüllt). Aus Sicht der Ärzte hat darüber hinaus die Zuverlässigkeit der dokumentierten Messwerte zugenommen (48%).

In der Interventionsgruppe zeigte sich, dass Patienten die ein aufzeichnendes und telemetrisch übertragendes Blutdruckmessgerät verwenden, regelmäßiger messen. So wurde bei über der Hälfte aller Patienten der Interventionsgruppe kein Compliancealarm ausgelöst. Von 44 Patienten hatten nur 19 einen oder mehrere solcher Alarme. Patienten ohne Alarmmeldung haben regelmäßig gemessen und die Daten wurden automatisiert an die Telemonitoringplattform übertragen. Innerhalb der Gruppe von 19 Patienten mit entsprechenden Alarmmeldungen wurden 36 Alarme ausgelöst, von denen drei auf technische Ursachen zurückgeführt werden konnten. Nur in drei Fällen wurde nach einer Kontaktaufnahme keine Verbesserung der Compliance festgestellt. In der Kontrollgruppe haben 25 von 33 Patienten unregelmäßig Messungen in ihrem Blutdrucktagebuch dokumentierten.

Der Unterschied in der Regelmäßigkeit der Messungen zwischen den Gruppen wurde mittels Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstests überprüft. Das Ergebnis war nicht signifikant (chi-quadrat=0,8395;p=0,36).

Diskussion: Die Ergebnisse legen nahe, dass Telemonitoring im gewählten Beispiel, einer ambulanten Einrichtung, ein geeignetes Werkzeug zur Verbesserung der Messcompliance von Hypertoniepatienten darstellt. Die Daten zeigen, dass durch die Kontaktaufnahme nach Auslösung der Complianceregel, überwiegend eine Steigerung der Messcompliance erreicht werden konnte. Telemonitoring hat darüber hinaus, aus Sicht des behandelnden Arztes, einen nachweislichen Effekt auf die Datenqualität und -verfügbarkeit. Er hat zur Anpassung und Kontrolle einer Therapie bspw. im Rahmen der Visiten durch das Werkzeug aktuelle Werte vorliegen und. kann diese bei Bedarf auf einen Blick elektronisch einsehen und bewerten. Weiterhin ist durch die Alarmregeln auch eine schnellere Optimierung der Medikation möglich [3]. Da der Arzt regelmäßig die Blutdruckwerte des Patienten erhält und bei Über- und Unterschreitung des vorgegebenen Korridors alarmiert wird, kann er durch häufigere Dosisanpassungen die Gesamtdosis über den Studienzeitraum wesentlich stärker optimieren, als im Rahmen der wenigen Praxiskontakte bei der Kontrollgruppe. Er kann bei Problemen im Hinblick auf die Messcompliance oder die Therapie im Vergleich zur quartalsweisen Kontrolle in der Kontrollgruppe zeitnah reagieren [3].

Durch die Steigerung der Datenqualität und Verfügbarkeit konnte der Zeitaufwand für die Endvisite bei Patienten der Interventionsgruppe reduziert werden. Telemonitoring bietet daher im untersuchten Beispiel aus Sicht der Ärzte einen effizienzsteigernden Effekt und aus Sicht der Patienten eine effektivere Behandlung [3].

Danksagung: Diese Arbeit wurde unterstützt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Projektes Effizienzbewertung von Dienstleistungskonfigurationen in der Telemedizin (Förderkennzeichen 01FL10040).


Literatur

1.
Löwel H, Meisinger C, Heier M, Hymer H, Alte D, Völzke H. Epidemiology of hypertension in Germany. Selected results of population-representative cross-sectional studies. Deutsche medizinische Wochenschrift. 2006;131:2586–91.
2.
Pickering TG, Eguchi K, Kario K. Masked hypertension: a review. Hypertension research: official journal of the Japanese Society of Hypertension. 2007;30:479–88.
3.
Neumann CL, Menne J, Rieken EM, Fischer N, Weber MH, Haller H, et al. Blood pressure telemonitoring is useful to achieve blood pressure control in inadequately treated patients with arterial hypertension. Journal of human hypertension. 2011;25:732–8.
4.
Bachmann LM, Steurer J, Holm D, Vetter W. To what extent can we trust home blood pressure measurement? A randomized, controlled trial. Journal of clinical hypertension. 2002;4:405–7, 412.
5.
Van der Hoeven NV, van den Born BJH, Cammenga M, van Montfrans GA. Poor adherence to home blood pressure measurement schedule. Journal of hypertension. 2009;27:275–9.
6.
Stahmann A, Soltani N, Schulz EG, Neumann CL. Effizienzbewertung in der Telemedizin am Beispiel einer Fallstudie zum Blutdruckmonitoring. In: Möller K, Schultze W, Hrsg. Effizienzbewertung von Dienstleistungskonfigurationen in der Telemedizin. 2014. S. 26–7.