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GMDS 2013: 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

01. - 05.09.2013, Lübeck

Fehleranalysen und Verantwortlichkeiten bei kritischen Ereignissen durch Krankenhaus-IT - Ein Fallbericht

Meeting Abstract

  • Janko Ahlbrandt - Sektion Medizinische Informatik - Justus-Liebig-Universität, Gießen, DE
  • Reinhard Dettmeyer - Institut für Rechtsmedizin Gießen, Gießen, DE
  • Dominik Brammen - Klinik für Anaesthesiologie / Otto von Gericke Universität Magdeburg, DE
  • Christof Seggewies - Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, DE
  • Christian Johner - Institut für IT im Gesundheitswesen, Konstanz, DE
  • Rainer Röhrig - Sektion Medizinsiche Informatik / Justus-Liebig-Universität, Gießen, DE

GMDS 2013. 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Lübeck, 01.-05.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocAbstr.280

doi: 10.3205/13gmds078, urn:nbn:de:0183-13gmds0783

Published: August 27, 2013

© 2013 Ahlbrandt et al.
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Text

Einleitung: Mit der zunehmenden Unterstützung von Entscheidungen und Prozessen durch Informationstechnologie (IT) nimmt auch die Abhängigkeit von der korrekten Funktion der Systeme zu. Fehler von IT-Systemen oder in der Kommunikation zwischen den Systemen können direkt oder indirekt Behandlungsfehler und Patientenschäden verursachen. Das Ziel dieser Arbeit ist, an einem Vorkommnis Verantwortlichkeiten innerhalb der Informations-verarbeitung aufzuzeigen, die im Falle eines Haftungsprozesses angesprochen würden.

Fallbericht: Ein Patient kommt mit neu aufgetretenen thorakalen Schmerzen auf die Intensivstation. Das EKG ist unauffällig, aber der Troponin-I Wert wird im PDMS mit 26ng/ml angezeigt. Darauf wird die Indikation einer Herzkatheteruntersuchung gestellt. Unmittelbar vor der Durchführung einer Herzkatheteruntersuchung fällt auf, dass im Befundserver der Troponin-I Wert mit 0,26ng/ml angezeigt wird. Eine unnötige Herzkatheteruntersuchung konnte im letzten Moment vermieden werden.

Methoden: Im ersten Schritt wurde eine Fehleranalyse vorgenommen, im zweiten Schritt alle beteiligten Personen/Rollen identifiziert und analysiert, welchen Beitrag Sie hätten leisten können/müssen um einen potentiellen Schaden zu vermeiden.

Ergebnisse: Fehleranalyse: Bei einer Wartungsarbeit an dem Analysegeräte (Softwareupdate) hat eine Medizinisch-Technische Laborassistentin (MTLA) in den Einstellungen für die Schnittstelle den Dezimaltrenner nicht wieder vom Punkt auf Komma umgestellt. Der Befund wurde über das Laborinformationssystem (LIS) und einen Kommunikationsserver an das PDMS übertragen. Dies geschieht mit einer HL7-ORU^R01-Nachricht, bei der der Wert als Text übertragen wird. In dem PDMS kam es zu dem Fehler, dass der Punkt als (fehlerhaftes) Tausendertrennzeichen ignoriert und damit der Befund falsch dargestellt wurde.

Verantwortlichkeiten:Wenn es zu einem Schaden gekommen wäre, dann hätten die folgenden Personen/Rollen Ihre Maßnahmen zur Fehlervermeidung/ Patientensicherheit unternommen haben:

  • Hersteller-Laboranalysegerät: Nach einem Update muss das Gerät der Funktion vorher entsprechen oder es muss im Handbuch darauf hingewiesen werden. Lag also einen entsprechende Anweisung vor?
  • MTLA: Lag eine SOP vor? Wurde die SOP eingehalten? Trat der Fehler schon einmal auf und hätte antizipiert werden können?
  • Laborleiter: Lag eine SOP vor? Wurde die MTLA qualifiziert angeleitet? Trat der Fehler zum ersten Mal auf?
  • Administrator-LIS: Wurde er von dem Update informiert? Hat er danach die Übertragung getestet? (In diesem Fall unproblematisch)
  • Administrator – Befundserver/Administrator-Kommunikationsserver: wie Administrator-LIS
  • PDMS-Hersteller: Type-Casting ist eine bekannte Fehlerquelle in der Softwareentwicklung [1]. Der Hersteller muss dies bei der Softwareentwicklung berücksichtigen. Eine Lösung wäre, Werte so anzuzeigen, wie sie mit HL7 übertragen werden. Erfolgt eine fehleranfällige Interpretation (Grafik, Berechnung weiterer Werte, Wissensbasierte Funktionen) muss bei nicht erwartungskonformen Werten dies dem Anwender mitgeteilt werden.
  • PDMS-Administrator: Wurde er von der Umstellung informiert? Ist der Fehler schon einmal aufgetreten, bzw. ist der Fehler durch das Handbuch des PDMS bekannt?
  • IT-Leiter: Sind die Informationsflüsse dokumentiert? Bestehen SOPs für Tests nach Updates? Besteht eine strukturierte Dokumentation bei Fehlermeldungen, wurde auf einen vergleichbaren Fehler mit geeigneten Maßnahmen reagiert?
  • Arzt(PDMS-Anwender): Bei einem Schaden richtet sich die Verantwortlichkeit danach, ob ein einzelner Wert die Veranlassung der Untersuchung/Maßnahme indizierte oder ob dieser im Wiederspruch zum klinischen Bild/anderen Befunden stand.

Diskussion: Der vorliegende Fall verdeutlicht, wie wichtig ein Fehlermeldesystem und eine systematische Fehleranalyse, sowie ein prospektives IT-Risikomanagement für die Patientensicherheit ist. Die Komplexität des Falles zeigt auch, daß dies interdisziplinär und interprofessionell durchzuführen ist.