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GMDS 2013: 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

01. - 05.09.2013, Lübeck

Kombinierte zeitvariante, frequenzselektive Herzfrequenz- und EEG-Analyse bei Kindern mit Temporallappenepilepsie (TLE)

Meeting Abstract

  • Herbert Witte - Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena, DE
  • Karin Schiecke - Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena, DE
  • Diana Piper - Politehnica University of Bucharest, Department of Applied Electronics and Information Engineering, Bukarest, RO
  • Britta Pester - Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena, DE
  • Franz Benninger - Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Wien, AT
  • Martha Feucht - Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Wien, AT

GMDS 2013. 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Lübeck, 01.-05.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocAbstr.97

doi: 10.3205/13gmds065, urn:nbn:de:0183-13gmds0658

Published: August 27, 2013

© 2013 Witte et al.
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Einleitung und Fragestellung: Vegetative Funktionen können durch akute epileptische Anfälle beeinflusst bzw. durch die Erkrankung verändert werden, was auf vielfältige Wechselwirkungen zwischen dem zentralen und dem autonomen Nervensystem hinweist. Die zwei wesentlichen Zielstellungen der Untersuchung vegetativer Parameter, insbesondere der Herzfrequenzvariabilität (HFV), sind, die möglichen Ursachen für den SUDEP (Sudden Unexpected Death in Epilepsy) und zusätzliche Prädiktoren für die Anfallsvorhersage zu finden. Es wurden Verarbeitungsstrategien entwickelt und angewandt, die den spezifischen Eigenschaften von HFV und EEG gerecht werden. Zeitvariante, multivariate, lineare und nichtlineare, frequenzselektive Verarbeitungsverfahren sind dafür entwickelt, modifiziert und eingesetzt worden. Weiterhin wurde eine zeitvariante Kopplungsanalyse getestet, die Wechselbeziehungen zwischen HFV und EEG aufzudecken vermag.

Material und Methoden: Es wurden simultan registrierte EKG- und EEG-Daten von Kindern mit TLE verwendet, wobei sich die kontinuierliche Registrierung über 10 min erstreckt (5 min vor dem Anfall, Zeitraum des Anfall und nach dem Anfall). Für 18 Kinder wurde jeweils ein Anfall registriert (Alters-Median 9 Jahre und 10 Monate, Spannweite zwischen 6 Jahren 10 Monaten bis 18 Jahren 0 Monaten, für 12 liegen jeweils Daten von drei Anfällen (K=36) vor (Alters-Median 9 Jahre und 4 Monate, gleiche Spannweite wie erste Gruppe). Die Vorverarbeitung der Daten wurde wie folgt vorgenommen. Aus dem EKG wurde mittels QRS-Detektion eine frequenzmodulierte Impulsfolge gewonnen, die mittels French-Holden-Algorithmus demoduliert wurde. Die resultierende Herzfrequenz wurde zentriert (HFV) und der Analyse zugeführt. Im EEG wurden mittels Independent Component Analysis (ICA) die Bewegungsartefakte eliminiert. Die HFV wurde mittels zeitvarianter Bandleistungs- (Frequenzbänder entsprechend Task Force) und Phasenkopplungsanalysen (lineare und quadratische) untersucht. Dafür wurde die Morlet-Wavelet-Transformation als Basismethode eingesetzt. Weiterhin wurde eine lokale Schätzung des größten Lyapunov-Exponenten (Point Prediction Error- PPE) frequenzselektiv gestaltet, indem die Empirical Mode Decomposition (EMD) zur Komponententrennung genutzt wurde. Das EEG wurde mit der zeitvarianten Partial Directed Coherence (PDC) frequenzselektiv-topographischen Interaktionsanalysen unterzogen. Für die (korrelative) Kopplungsanalyse zwischen HFV und EEG wurden für definierte EEG-Frequenzbänder die Hüllkurven (Hilbert-Transformation) berechnet und diese wurden mit der HFV einer zeitvarianten Kohärenzanalyse (Gabor-Transformation) zugeführt. Für die lineare Phasenkopplung wurde der Rayleigh-Test zur Schwellendefinition angewandt. Die Konfidenzschläuche der Parameterverläufe wurden über einen Bootstrap-Ansatz geschätzt.

Ergebnisse: Es kann gezeigt werden, dass ca. 100 s vor dem Anfall eine Koordination/Kopplung wichtiger HFV-Rhythmen, respiratorische Sinusarrhythmie und Traube-Hering-Mayer-Wellen, nachzuweisen ist, die sich insbesondere in der quadratischen Phasenkopplung (Biamplitude, Bikohärenz) manifestiert. Durch diese Kopplung erhöht sich die Vorhersagbarkeit des HFV-Signals vor dem Anfall, was durch die PPE-Analyse nachgewiesen werden kann. Die Vorhersagbarkeit der HFV bleibt nach dem Anfall signifikant erhöht (Konfidenzintervalle). Die Interaktionsanalyse des EEG zeigt spezifische Interaktionsmuster im Bereich des Anfallsherdes. Eine Kopplung zwischen HFV und EEG (Anfallsherd) kann zwischen den Traube-Hering-Mayer-Wellen (0,1 Hz) und der Gamma-Aktivität (40-45 Hz) patientenspezifisch nachgewiesen werden.

Diskussion: Die klinischen Ergebnisse weisen aus, dass mit Hilfe der vorgeschlagenen zeitvarianten Analysestrategien zusätzliche Informationen über das klinische Anfallsgeschehen gewonnen werden können. Der Anfall zeigt sich bereits vor dem klinisch-elektrophysiologischen Krampfereignis in der HFV. Dies weist auf präiktale Wechselwirkungen zwischen zentralem und autonomem Nervensystem hin. Während des Anfalls kommt es zu starken Beeinflussungen der HFV-Eigenschaften, die ca. 5 min nach dem Anfall noch nicht kompensiert worden sind.