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MAINZ//2011: 56. GMDS-Jahrestagung und 6. DGEpi-Jahrestagung

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

26. - 29.09.2011 in Mainz

Neue zeitnahe Surveillance der Gesamtsterblichkeit in Berlin, 2007–2011

Meeting Abstract

  • Maria Wadl - Robert Koch-Institut, Berlin
  • Matthias an der Heiden - Robert Koch-Institut, Berlin
  • Marlen Suckau - Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, Berlin
  • Christian Peters - Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Berlin
  • Tim Eckmanns - Robert Koch-Institut, Berlin
  • Justus Benzler - Robert Koch-Institut, Berlin

Mainz//2011. 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 6. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi). Mainz, 26.-29.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11gmds254

doi: 10.3205/11gmds254, urn:nbn:de:0183-11gmds2549

Published: September 20, 2011

© 2011 Wadl et al.
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Einleitung/Hintergrund: Eine zeitnahe, ursachenunabhängige Surveillance der Gesamtsterblichkeit ist für den öffentlichen Gesundheitsschutz in Deutschland erforderlich und fehlt bisher. Die Erfassung des Ausmaßes der Sterblichkeit ist bedeutend für die Ressourcenplanung, die Evaluation der Wirksamkeit getroffener Maßnahmen sowie für das frühzeitige Einsetzen gezielter Präventionsmaßnahmen und Handlungsempfehlungen. In Berlin wurde Anfang 2007 eine zeitnahe Surveillance von Sterbefällen implementiert. Ein wichtiges Ziel der Surveillance ist das Erkennen von Exzess-Mortalität (auf die Bevölkerung bezogene Anzahl der Sterbefälle, die über das erwartete Maß hinausgeht).

Material und Methoden: Informationen zu Sterbefällen, welche bei den Berliner Bürgerämtern eingehen, stehen dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) zur Verfügung und werden einmal wöchentlich an das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt. Die übermittelten anonymisierten Daten sind einzelfallbezogenen und umfassen Angaben zum Sterbedatum, zum Alter in Jahren und zum Geschlecht. Wir untersuchten diese Daten deskriptiv und mithilfe einer Poisson-Regression auf das Vorliegen von Exzess-Mortalitäten. Informationen der Arbeitsgemeinschaft Influenza zu Influenza-Wellen und Temperaturwerte der Wetterstation Berlin-Tempelhof wurden berücksichtigt.

Ergebnisse: Zwischen 01.01.2007 und 13.04.2011 wurden 138.074 Sterbefälle aus Berlin vom LABO an das RKI übermittelt. Zwischen 2007 und 2010 starben jährlich minimal 31.592 und maximal 32.791 Personen. Im Untersuchungszeitraum waren von allen Sterbefällen 80,5% über 64 Jahre alt, 19,0% zwischen 15 und 64 Jahre alt, 0,1% zwischen 5 und 14 Jahre alt und 0,4% jünger als 4 Jahre. Die alters- und geschlechtsspezifische Inzidenz war bei den 15- bis 64-jährigen Männern doppelt so hoch wie bei den Frauen derselben Altersgruppe (1456 versus 752 Sterbefälle pro 100.000 Einwohner). Die saisonale Häufigkeit der Sterbefälle verlief sinusförmig: sie stieg in den kälteren Wochen des Jahres an und nahm in den wärmeren Wochen des Jahres ab. Zu Beginn des Jahres 2009 sowie Mitte Juli 2010 wurden Exzess-Mortalitäten gemessen: diese verliefen zeitgleich mit der Influenza-Welle 2008/2009 und mit einer Hitzeperiode 2010.

Diskussion/Schlussfolgerungen: Durch die neu eingeführte Mortalitätssurveillance lassen sich Sterbefälle in Berlin zeitnah messen. Erwartungsgemäß traten Sterbefälle vermehrt während der kälteren Jahreszeit auf. Ein möglicher Zusammenhang zwischen den zwei festgestellten Exzess-Mortalitäten und der Influenza-Welle 2008/2009 bzw. einer Hitzeperiode scheint plausibel. Während der anderen saisonalen bzw. pandemischen Influenza-Wellen wurde keine Exzess-Mortalität gemessen. Eine erhöhte Mortalitätsrate bei den 15- bis 64-jährigen Männern ist bekannt und wird in der Literatur durch Herzinfarkt, Tumore der Atemwegsorgane, Verkehrsunfälle und Suizid erklärt. Um in Zukunft frühzeitig auf Exzess-Mortalitäten reagieren zu können, muss die Auswertung zeitnah und kontinuierlich erfolgen. Eine bundesweite Surveillance der Gesamtsterblichkeit sollte umgesetzt werden.