gms | German Medical Science

53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

15. bis 18.09.2008, Stuttgart

Szenarien zur Prozessunterstützung durch aktive RFID-Technologie im Krankenhaus

Meeting Abstract

  • Andreas Becker - Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Fritz Meier - Fraunhofer Institut Nürnberg, Nürnberg, Deutschland
  • Anja Tropp - Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg, Deutschland
  • Volker Weisbach - Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Deutschland
  • Sven Goddon - Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Deutschland
  • Hans-Ulrich Prokosch - Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Thomas Ganslandt - Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds). Stuttgart, 15.-19.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. DocMI12-5

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2008/08gmds165.shtml

Published: September 10, 2008

© 2008 Becker et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Outline

Text

Einleitung und Fragestellung

Durch die zunehmende Marktorientierung von Kliniken und Krankenhäusern wächst der Bedarf, Arbeitsabläufe und den Einsatz von Betriebsmitteln im Hinblick auf eine Steigerung der Effizienz und Qualität kontinuierlich zu optimieren. Von besonderem Interesse sind hierbei Materialien, deren Einsatz mit Risiken verbunden ist (z.B. Fehltransfusion oder bakterielle Kontamination von Blutprodukten) sowie mobile medizintechnische Geräte, deren Lokalisierung innerhalb des Krankenhauses für Wartungs- und Einsatzzwecke mit einem hohen personellen Aufwand verbunden ist. Eine Steigerung sowohl der Qualität als auch der Wirtschaftlichkeit kann durch Änderungen der Arbeitsprozesse sowie durch den Einsatz neuartiger technischer Lösungen erreicht werden. Radio Frequency Identification (RFID) ist eine im Logistikbereich bereits etablierte Technologie, die eine automatisierte Identifizierung und Ortung von Objekten zulässt und hierdurch vielfältige Möglichkeiten zur Überwachung und Optimierung von Logistikprozessen erschließt [1]. Eine Anpassung RFID-basierter Lösungen an klinische Prozesse könnte diese Potentiale auch für Krankenhäuser verfügbar machen.

Im Rahmen des OPAL-Projekts (Optimierte und sichere Prozesse durch mobile und intelligente Überwachung und Lokalisierung von Betriebsmitteln und Inventar in Kliniken und Krankenhäusern), werden RFID-basierte Lösungen für die Anwendungsszenarien "Management von Blutkonserven" und "Management von medizinischen Geräten" konzipiert und anschließend zur Produktreife weiterentwickelt. Ein wesentlicher Teilschritt besteht in der Analyse der betroffenen Arbeitsprozesse und der Identifikation nötiger Änderungen für die Einführung einer RFID-basierten Lösung. Im Rahmen des OPAL-Projekts soll eine konfigurierbare Lösung entwickelt werden, die standortübergreifend zur kontinuierlichen Prozessoptimierung genutzt werden kann [2].

Grundlagen

Bei der RFID-Technologie wird zwischen passiven (ohne eigene Energieversorgung) und aktiven (batterie-betriebenen) Tags unterschieden. Letztere besitzen durch die eigenständige Energieversorgung die Möglichkeit, selbstständig Informationen zu versenden. Passive Tags müssen zunächst induktiv über ein Nahfeld aktiviert werden, bevor sie Mitteilungen versenden können. Aus diesem Grund beträgt die Reichweite passiver Tags nur einige Zentimeter, wogegen aktive Tags je nach verwendetem Frequenzband, Sendeleistung und bestehenden Umwelteinflüssen Reichweiten von bis zu einem Kilometer besitzen.

Um größere Entfernungen abzudecken, sind Sensornetzwerke erforderlich, welche die Daten über mehrere Stationen weiterleiten können. Diese selbst organisierenden Sensornetzwerke sind eine neue Technologie für großflächige Überwachungs- und Lokalisierungssysteme mit hunderten bis tausenden Sensorknoten. Das Herzstück sind kleine Sensoren inklusive Sender (so genannte Funkknoten). Diese Funkknoten können Aufgaben unabhängig abarbeiten, Entscheidungen treffen und die eintreffenden Daten übermitteln. Die Protokollansätze für solche Sensornetzwerke basieren auf niedrigen Aktivitätszyklen, um den für langlebigen Batteriebetrieb erforderlichen niedrigen Stromverbrauch zu erzielen.

Material und Methoden

Die aktuell bestehenden Arbeitsprozesse der beiden Beispielszenarien, dem "Management von Blutkonserven" und dem "Management von medizinischen Geräten", wurden im Rahmen einer Prozessanalyse identifiziert. Während dieser Prozessanalyse wurden mit den Ansprechpartnern der Transfusionsmedizinischen und Hämostaseologischen Abteilung in der Chirurgischen Klinik und den Ansprechpartnern der Anästhesiologischen Klinik die für das Projekt relevanten Prozesse vor Ort aufgenommen und analysiert. In allen jeweiligen Prozessen wurden die beteiligten menschlichen Akteure sowie IT-Systeme festgestellt und die Räumlichkeiten in den jeweiligen klinischen Abteilungen besichtigt. Die Prozesse wurden in Form von UML-Aktivitätsdiagrammen modelliert. In einem zweiten Schritt wurden die Anforderungen an eine RFID-basierte Lösung mit den jeweiligen Ansprechpartnern erhoben und daraus die nötigen Änderungen der Arbeitsprozesse ermittelt.

Ergebnisse

Für beide Anwendungsszenarien wurden die für eine RFID-Nutzung notwendigen Änderungen identifiziert. Innerhalb des Szenarios "Management von Blutkonserven" wurden an 6 von 11 identifizierten Prozessen Änderungen vorgeschlagen. Für das Programmieren und Anbringen der RFID-Tags an den Blutbeuteln wurde ein neuer Arbeitsprozess erstellt. Außerdem wurde ein Workflow geschaffen, der die Richtigkeit der Zuordnung einer Blutkonserve zu einem Patienten vor der Transfusion der Konserve auf RFID-Basis überprüft. Eine weitere Prozessänderung ergab sich durch die Möglichkeit einer Temperaturmessung der Blutkonserven durch Temperatursensoren in den RFID-Tags.

Beim Szenario "Management von medizinischen Geräten" ergaben sich 5 Änderungen an den insgesamt 10 identifizierten Prozessen. Ein neuer Arbeitsprozess für das Anbringen und Programmieren der RFID-Tags wurde ebenfalls benötigt. Eine weitere Prozessänderung ergab sich durch die Möglichkeit einer raumgenauen Ortung von medizintechnischen Geräten mit Hilfe der RFID-Tags.

Neben Anpassungen der Prozesse sind auch Infrastrukturmaßnahmen erforderlich, um die aktiven RFID-Komponenten in das Netzwerk einzubinden und über Schnittstellen mit den IT-Systemen des Klinikums zu verbinden.

Diskussion

Für beide Anwendungsszenarien konnten im Rahmen der Prozessanalyse konkrete Potentiale für einen gewinnbringenden RFID-Einsatz identifiziert werden. Durch Einsatz der Fähigkeiten zur Lokalisation, sensorgestützten Messung und direkten Kommunikation zwischen Funkknoten können Beiträge zur Risikominimierung (Zusatzkontrolle der Konservenzuordnung), zur Kosteneinsparung (Wiederverwendung temperaturkontrollierter Blutkonserven) und zur Prozessoptimierung (Lokalisation medizintechnischer Geräte) geliefert werden.

Der Einsatz von selbstorganisierenden und drahtlosen Sensornetzwerken als Basistechnologie ist jedoch nicht isoliert realisierbar, sondern erfordert eine enge Einbindung in Arbeitsprozesse und vorhandene IT-Strukturen. Änderungen an etablierten Arbeitsprozessen können dabei nicht immer vermieden werden und stellen somit einen wesentlichen Faktor zum Erfolg oder Misserfolg eines RFID-basierten Projekts dar.

Die im Rahmen der Prozessanalyse am Universitätsklinikum Erlangen identifizierten Prozesse enthalten sowohl generische Elemente (z.B. Gesamtablauf Transfusionsmedizin) als auch lokalspezifische Komponenten (z.B. verwendete IT-Systeme).

Der Einsatz von aktiver RFID-Technologie bringt den Vorteil höherer Übertragungsreichweiten mit sich, erhöht aber auch die Kosten zur Einführung einer solchen Lösung und erfordert Investitionen in die IT-Infrastruktur. Allerdings können durch die Lokalisierung von Inventar und Betriebsmitteln weitergehende Potentiale, wie die Verringerung des Gerätepools durch optimierten Einsatz der medizinischen Geräte oder eine nutzungsorientierte Abrechnung, entstehen, die den höheren Kostenaufwand rechtfertigen.

Schlussfolgerungen

Lösungen auf Basis aktiver RFID-Komponenten können unter Berücksichtigungen notwendiger Änderungen an klinischen Arbeitsprozessen zur Optimierung des Einsatzes von Betriebsmitteln implementiert werden. Im weiteren Verlauf des OPAL-Projekts werden am Universitätsklinikum Erlangen die nötigen Prozessänderungen, Infrastrukturmaßnahmen und Schnittstellen implementiert, um in einer anschließenden Evaluationsphase die Eignung des Systems in einer klinischen Arbeitsumgebung zu testen. Die hierbei gewonnenen Daten können zur Einschätzung der Vorteile in Bezug auf Patientensicherheit und Wirtschaftlichkeit eingesetzt werden. Eine erfolgreiche Realisierung im heterogenen IT-Umfeld einer Universitätsklinik durch Nutzung etablierter Kommunikationsstandards würde die Übertragbarkeit der Lösung auf andere Kliniken unterstreichen.

Danksagung

Das OPALProjekt wird aus Mitteln des BMWi gefördert (Förderkennzeichen: 01MB07017)


Literatur

1.
Langkafel P, Specht M. RFID für die Arzneimittelversorgung und andere Prozesse im Krankenhaus. KIS 2007.
2.
Hanika H. RFID-Technologie im Gesundheitswesen aus rechtlicher Sicht. KIS 2007.