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Kongress Medizin und Gesellschaft 2007

17. bis 21.09.2007, Augsburg

Protektiver Effekt von Alkohol auf Gesamtmortalität: Missklassifikation oder Confounding psychosozialer Variablen? Ergebnisse der MONICA/KORA Kohortenstudien 1984-2002

Meeting Abstract

  • Esther Ruf - GSF - Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Epidemiologie, München/Neuherberg
  • Karl-Heinz Ladwig - GSF - Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit / Institut und Poliklinik für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Medizinische Psychologie, Klinikum rechts der Isar, TU München, München/Neuherberg
  • Jens Baumert - GSF - Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Epidemiologie, München/Neuherberg
  • Christine Meisinger - GSF - Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Epidemiologie / Herzinfarktregister Augsburg, München/Neuherberg
  • Angela Döring - GSF - Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Epidemiologie, München/Neuherberg
  • H.-Erich Wichmann - GSF - Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Institut für Epidemiologie / Institut für Medizinische Informatik Biometrie Epidemiologie LMU München, München/Neuherberg

Kongress Medizin und Gesellschaft 2007. Augsburg, 17.-21.09.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07gmds337

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2007/07gmds337.shtml

Published: September 6, 2007

© 2007 Ruf et al.
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Hintergrund: Die protektive Wirkung moderaten Alkoholkonsums wurde in vielen prospektiven Studien gezeigt. Dabei zeigten Personen mit moderatem Konsum ein geringeres Sterberisiko im Vergleich zu Abstinenzlern und Personen mit starkem Alkoholkonsum [1], [2]. Einige Forscher bezweifeln diese positive Assoziation und vermuten als Fehlerquellen Missklassifikation durch Einschluss kranker Personen in die Abstinenzlergruppe oder residuelles Confounding [3], [4]. Psychosoziale Faktoren wurden in prospektiven Studien zu Alkohol und Gesamtmortalität bisher nur unzureichend kontrolliert. Daher wurde der Einfluss psychosozialer Variablen auf die Assoziation zwischen Alkoholkonsum und Gesamtmortalität unter Ausschluss zur Baseline erkrankter Personen untersucht.

Material und Methoden: 12 887 Teilnehmer (25-74 Jahre) der drei bevölkerungsbezogenen MONICA/KORA Surveys (S1: 1984/85, S2: 1989/90, S3: 1994/95) wurden im Rahmen von KORA (Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg) bis 2002 nachuntersucht. Während einer mittleren Follow-up Zeit von 12.0 Jahren verstarben 970 Männer und 479 Frauen. Abstinenzler, moderate und starke Alkoholkonsumenten wurden hinsichtlich der Prävalenz von Erkrankungen untersucht. Nach Ausschluss erkrankter Personen wurden medizinische Faktoren, Faktoren des Lebensstils und psychosozialen Faktoren verglichen. Anhand von Cox-Modellen wurde der Einfluss moderaten Alkoholkonsums auf die Gesamtmortalität multivariat untersucht.

Ergebnisse: Abstinente Personen litten zur Baseline signifikant häufiger unter Erkrankungen. Nach Ausschluss erkrankter Personen zeigten moderate Alkoholkonsumenten einen höheren Prozentsatz gesundheitsförderlicher medizinischer und Lebensstilvariablen. In den psychosozialen Variablen zeigte sich kein Unterschied in der Häufigkeit bezüglich der Alkoholkonsumgruppen. Die rohen Mortalitätsraten zeigten für Männer, nicht aber für Frauen, eine J-förmige Beziehung zwischen Alkoholkonsum und Gesamtmortalität: moderate Trinker (>0 Gramm Alkohol/Tag bis 39.9 Gramm Alkohol/Tag) hatten dabei die geringste Sterberate. Im multivariaten Cox-Modell, adjustiert nach medizinischen, Lebensstil- und psychosozialen Variablen, zeigte sich für moderaten Alkoholkonsum gegenüber Alkoholabstinenz eine erniedrigte Gesamtmortalität. (HR für Männer: 0.74 [95% KI: 0.58-0.94; p=0.002]; HR für Frauen: 0.87 [95% KI: 0.66-1.16]).

Schlussfolgerung: Weder Missklassifikation noch Confounding durch psychosoziale Variablen waren in dieser Stichprobe verantwortlich für den protektiven Effekt moderaten Alkoholkonsums.


Literatur

1.
Rehm J, Greenfield TK, Rogers JD. Average volume of alcohol consumption, patterns of drinking, and all-cause mortality: results from the US National Alcohol Survey. Am J Epidemiol. 2001;153:64-71.
2.
Keil U, Chambless LE, Döring A, Filipiak B, Stieber J. The relation of alcohol intake to coronary heart disease and all-cause mortality in a beer-drinking population. Epidemiology. 1997;8:150-6.
3.
Andreasson S. Alcohol and J-shaped curves. Alcohol Clin Exp Res. 1998;22:359S-64S.
4.
Jackson R, Broad J, Connor J, Wells S. Alcohol and ischemic heart disease: probably no free lunch. Lancet. 2005;166:1911-2.