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50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Die Anpassung nicht-linearer Effekte von Bioaerosolen aus Tierställen auf asthmatische und allergische Symptomen – die Verwendung von natürlichen Splines und LOESS

Meeting Abstract

  • Michael Hoopmann - NLGA, Hannover
  • Vera Ehrenstein - LMU, München
  • Anja Schulze - LMU, München
  • Oliver Hehl - NLGA, Hannover
  • Katja Radon - LMU, München

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds080

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2005/05gmds226.shtml

Published: September 8, 2005

© 2005 Hoopmann et al.
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Text

Einleitung und Fragestellung

Im Jahr 2000 hat das Land Niedersachsen ein Untersuchungsprogramm zu gesundheitlichen Auswirkungen von Stallabluft der Intensivtierhaltungsanlagen auf die Anwohner beschlossen, wobei sich zwei Studien mit den möglichen Effekten auf Atemwegserkrankungen und Allergien auseinander setzten, die auch öffentlich in der Diskussion standen. Einerseits bei Einschulungskindern 2001 der Landkreise Cloppenburg, Emsland, Oldenburg und Vechta (AABEL-Studie, 2004 abgeschlossen) sowie andererseits bei Erwachsenen aus Gemeinden, die sich durch eine besonders hohe Stalldichte auszeichnen (NiLS-Studie, 2005 abgeschlossen).

Zu der Form eines möglichen Einflusses der Bioaerosole konnten vor den beiden Studien kaum Annahmen getroffen werden: weder waren das bevölkerungsbezogene Ausmaß der nachbarschaftlichen Exposition oder auch mögliche spezifische Wirkschwellen für einzelne Bevölkerungsgruppen bekannt, noch konnten strikt monotone Zusammenhänge angenommen werden, da die Wirkung einzelner Bioaerosole für einige Zielsymptome theoretisch gegenläufig sein könnten.

Methoden

In beiden Projekten kamen standardisierte Fragebogenmodule [aus ISAAC sowie des ECRHS - European Community Respiratory Health Survey] zum Einsatz, die durch Lungenfunktionsmessungen (nur NiLS) sowie Screeningtests auf inhalative IgE-vermittelte Sensibilisierungen ergänzt wurden.

Als Maß für die Exposition eines Probanden wurde die Bioaerosol-Immission (Staub, Keime, Pilze, Endotoxin) in der Außenluft an der jeweiligen Wohnung gewählt, die ausschließlich durch die Emissionen der benachbarten Tierställe bedingt ist. Die Exposition wurde für jeden Probanden individuell aus den Emissionen der umliegenden Ställe mittels Ausbreitungsrechnung (Langrange’sches Partikelmodell LASAT) bestimmt.

In AABEL wurde die Exposition a priori durch vier verschiedene Zugänge berücksichtigt. Insbesondere wurde die erste Hauptkomponente der vier berechneten Bioaerosole herangezogen und diese in Form eines natürlichen Spline anstelle der Ausgangsvariable X in ein multivariates logistisches Regressionsmodell einbezogen. Die natürliche Splinefunktion f mit k Knoten t1 , ..., tk ist gegeben durch [1]:

f(X) = γ0 + γ1 X1 + γ2 X2 + .... + γk-1 Xk-1

wobei X1 = X und für j = 1, ..., k-2 (mit f(X)+ = f(X), falls X > 0, 0 sonst):

Xj+1= (X – tj)+ 3 - (X – tk-1)+ 3 (tk – tj)(tk – tk-1) –1 + (X – tk )+ 3 (tk-1 – tj)(tk – tk-1)-1.

Dieser (k-1)-parametrische Spline erlaubt es, nahezu beliebige funktionale Zusammenhänge anzupassen. Entscheidend ist dabei weniger die Prognosefähigkeit des Modells, das in seinen geschätzten einzelnen Regressionskoeffizienten des Spline nur schwer zu interpretieren ist, sondern allein die Aussage, ob sich mit dieser flexiblen Modellierung eines Expositionseinflusses ein statistisch signifikanter Zusammenhang zum Zielereignis herausbildet. Insofern ist der p-Wert dieses Modells, der sich aus dem Vergleich zum entsprechenden Modell ohne Expositionsberücksichtigung über einen LR-Testansatz herleitet, für die Hauptfragestellung, ob es einen gesundheitlichen Effekt der Exposition gegenüber Bioaerosolen aus Ställen gibt, entscheidend.

Daneben wurden leichter interpretierbare logistische Modelle angepasst, bei denen der Einfluss der Exposition auf die Zielgrößen als dichotom, stufenförmig bzw. log-linear modelliert wurde. Zusätzlich wurden in den Fällen, bei denen der p-Wert des angepassten kubischen Splines 0,1 unterschritt, vertiefende explorative Analysen ergänzt

In NiLS wurde zunächst der Einfluss der Exposition stufenförmig modelliert (Einteilung in Quartile). Anschließend wurden nicht-parametrische gewichtete Glättungsverfahren (LOESS: Locally Optimal Estimation and Smothing Scatter Plots) verwendet, um mögliche Schwellenwerte sowie nicht-lineare Zusammenhänge zwischen der Exposition und den Zielsymptomen zu identifizieren. Die LOESS-Analysen wurden mit einer Bandbreite von 0,6 durchgeführt. Zusätzlich wurden analog zur AABEL-Studie im Rahmen logistischer Regressionsmodelle natürliche Splines angepasst.

Ergebnisse

Die im Folgenden für die Methodendiskussion skizzierten exemplarischen Ergebnisse der multivariaten Analysen basieren für AABEL auf rund 3500 Beobachtungen, für die eine individuelle Expositionsschätzung möglich war, sowie für NILS auf maximal rund 6900 Beobachtungen, von denen in rund 2800 Fällen Lungenfunktionsuntersuchungen durchgeführt worden sind.

Aufgrund der Multikollinearität der betrachteten Bioaersole im Rahmen dieser beiden Querschnittstudien können die in Einzelfällen nachgewiesenen Effekte der Exposition nicht einem einzelnen Bestandteil zugewiesen werden.

In beiden Studien zeigen sich ein negativer Zusammenhang zwischen der Expositionshöhe und der Wahrscheinlichkeit einer Sensibilisierung sowie vereinzelte Effekte bei respiratorischen Zielparametern.

So zeigt sich in AABEL für asthmatische Symptome eine Prävalenzerhöhung mit steigender Exposition bei Kindern atopischer Eltern. Während dieser Effekt beim vierparametrischen Spline mit 0,07 als statistisch grenzwertig einzustufen ist, verdeutlicht sich in einfacheren Modellen ein linearer Trend: die multivariat kontrollierte Odds-Ratio pro Einheit logarithmiertes Endotoxin beträgt 1,15 (p=0,02). Die ergänzenden explorativen Analysen unterstützen diesen Zusammenhang auch für andere Asthmaindikatoren.

In NiLS zeigt sich unter Verwendung der aus den LOESS-Analysen abgeleiteten Knotenpunkten für Personen ohne beruflichen oder privaten Kontakt zur Landwirtschaft in der höchsten Expositionskategorie (>5 EU/m3) geringere Lungenfunktionsparameter (Einsekundenkapazität, Tiffenau-Index), die bei der vorangegangenen Quartilseinteilung statistisch nicht auffällig waren.

Diskussion

Grundsätzlich hat sich die Verwendung des Spline in AABEL als Globalansatz (bei einem unbekannten funktionalen Zusammenhang) bewährt.

Der mutmaßlich protektive Effekt der Exposition auf die Sensibilisierung ist auch aus anderen Studien [2], [3] bekannt und wird dem Endotoxin zugeschrieben. Da speziell in AABEL ein einfacher log-linearer Ansatz die deutlichsten Effekte erzielt hat, erscheinen hier komplexere Verfahren überparametrisiert. Die zunächst als vorläufig einzustufenden Ergebnisse bei den Atemwegserkrankungen wären ohne Spline / LOESS hingegen nicht aufgezeigt worden.

Wenn auch der grafische Verlauf der LOESS- bzw. der Spline-Anpassung in NiLS sehr ähnlich ausfällt, so ist die statistische Interpretation unterschiedlich. Bei einem Spline-Ansatz, der mit einem LR-Test gekoppelt ist, steht die Frage nach einem Zusammenhang zwischen Exposition und den Zielsymptomen im Vordergrund. Während bei den LOESS-Analysen zunächst die Identifikation von Schwellenwerten interessierte.

Dabei wurden in NiLS rund 10% der Personen der höchsten Expositionsklasse zugeordnet. In AABEL sind nur einige wenige Kinder derartig exponiert, da in NiLS bereits innerhalb der Gemeinden mit der höchsten Tierstalldichte rekrutiert worden war.

Aufgrund der nachgeschalteten explorativen Analyseschritte und der zum Teil grenzwertigen Signifikanz bedürfen die Studienergebnisse einer weiteren Validierung, wobei auf den Erfahrungen der Projekte – hinsichtlich des anzunehmenden funktionalen Zusammenhanges und zu „Wirkschwellen“ – zurück gegriffen werden kann.


Literatur

1.
Harrell FE. Regression Modeling Strategies. New York: Springer,. 2001
2.
Braun-Fahrländer C, Riedler J, Herz U, Eder W, Waser M, Grize L, Maisch S, Carr D, Gerlach F, Bufe D, Lauener RP, Schierl R, Renz H, Nowak D, von Mutius E. Environmental exposure to endotoxin and it's relation to asthma in schoolage children. N Engl J Med 2002; 347(12): 869-877.
3.
Kilpeläinen M, Terho EO, Helenius H, Koskenvuo M. Farm environment in childhood prevents the development of allergies. Clin Exp Allergy 2000; 30: 201-208