gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Verbesserung der Meldevollständigkeit bei Ärzten durch Fax-Infobriefe im Rahmen eines Gesundheitsämter-Sentinels

Meeting Abstract

Search Medline for

  • Stefan Linnig - Robert Koch-Institut, Berlin
  • Justus Benzler - Robert Koch-Institut, Berlin
  • Gérard Krause - Robert Koch-Institut, Berlin

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds593

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2005/05gmds146.shtml

Published: September 8, 2005

© 2005 Linnig et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Outline

Text

Einleitung und Fragestellung

Am 1. Januar 2001 ist das Infektionsschutzgesetz (IfSG) in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten, das die Meldung von Erkrankungen und Erregern vorschreibt [1]. Das vorliegende Erfassungssystem (Meldewesen) ist ein passives Surveillance-System, das heißt, das Gesundheitsamt nimmt Meldungen der Ärzte entgegen. Wird eine Laboruntersuchung veranlasst, meldet das Labor unabhängig vom Arzt den Erregernachweis an das Gesundheitsamt. Die zu meldenden Erkrankungen oder Erreger sind in §§ 6 und 7 IfSG festgelegt. Zusätzlich stellt das Gesundheitsamt selbst Ermittlungen an und überprüft die Meldungen anhand von Falldefinitionen. Die Daten werden elektronisch erfasst und anonymisiert per EDV an die Landesstelle übermittelt. Die Landestelle überprüft und wertet die Datensätze aus und übermittelt diese an das Robert Koch-Institut (RKI). Das RKI führt die Daten auf nationaler Ebene zusammen und wertet sie nach infektionsepidemiologischen Gesichtspunkten aus.

Generelles Problem passiver Surveillance-Systeme ist eine Untererfassung meldepflichtiger Erkrankungen [2]. Es ist anzunehmen, dass seitens der feststellenden Ärzte nur ein geringer und unvollständiger Anteil der meldepflichtigen Erkrankungen an das Gesundheitsamt gemeldet werden (sog. Meldevollständigkeit) [3], [4]. Gründe könnten ein mangelndes Bewusstsein für die Meldepflicht, ein Informationsdefizit über zu meldende Erkrankungen oder fehlende Rückkopplung der Meldedaten sein [4]. Wenn Ärzte vom Sinn der Meldepflicht überzeugt werden und auch eine schnelle Rückkopplung zu den Meldedaten erhalten, sind sie möglicherweise eher bereit eine Krankheit zu melden. Ein Anstieg der Meldungen wäre somit zu erwarten. Zusätzlich ist davon auszugehen, dass Ärzte bei Verdacht auf Erreger, bei denen eine Labormeldepflicht besteht, zu wenige Laboruntersuchungen anordnen, aus Sorge ihr Praxisbudget damit zu belasten. Durch Angabe der Laborausnahmekennziffer 32006 (EBM 2000plus) auf dem Laborschein wird das Budget jedoch nicht belastet. Durch Bekannt machen dieser Informationen unter den Ärzten kann es ebenfalls zu einem Anstieg der Laboruntersuchungen kommen.

Um die Qualität des Meldesystems zu evaluieren, wurde im Jahr 2003 ein Sentinel von Gesundheitsämtern (GA-Sentinel) aufgebaut. Zur Verbesserung der Meldevollständigkeit, wurden in ausgewählten Gesundheitsämtern Fax-Infobriefe an niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser versandt und die gemeldete Gesamtinzidenz mit der Gesamtinzidenz anderer Gesundheitsämter verglichen.

Material und Methoden

Die Sentinel-Gesundheitsämter wurden repräsentativ nach Strukturkriterien, die in einer Befragung im Jahr 2002 erhoben wurden, ausgewählt [5]. Dies waren Struktur des Einzugsgebietes (städtisch, ländlich oder gemischt), Anzahl der Gesundheitsämter pro Bundesland, Anzahl der Mitarbeiter, separate Tbc-Abteilung, Vorhandensein eines Großklinikums/einer JVA im Einzugsbereich. Ein weiteres, davon unabhängiges Kriterium war die Gesamtinzidenz (GI), d.h. alle Übermittlungen pro Jahr pro 100.000 Einwohner.

Die Adressaten der Intervention waren niedergelassene Allgemeinärzte, Internisten und Kinderärzte, in Krankenhäusern die Abteilung der Inneren Medizin, Kinderheilkunde sowie Notaufnahmen im Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsamtes.

Durch kurze Fax-Infobriefe sollen Ärzte im Einzugsgebiet des Gesundheitsamtes zu aktuellen Geschehen im Meldewesen und Infektionsschutz zeitnah informiert werden. Mittels eines Fax-Servers, einer Fax-Software und einer Adressdatenbank mit Faxnummern der Ärzte, sollte einmal pro Monat ein solcher Brief versendet werden. Die Briefe werden teils vom RKI und teils von den Gesundheitsämtern selbst erstellt. Dabei wurde darauf geachtet, dass ein lokaler/regionaler Bezug bestand. Die Themen bezogen sich auf das Meldewesen (Katalog der meldepflichtigen Erkrankungen, sowie lokale Geschehen, wie z.B. Ausbrüche).

Aus dem GA-Sentinel wurden Gesundheitsämter rekrutiert, die die technischen Voraussetzungen für den Fax-Versand erfüllten. Diesen Gesundheitsämtern wurde eine Kontrollgruppe mit ähnlicher Gesamtinzidenz und. Strukturkriterien zugeteilt.

Der Fax-Versand begann im November 2004, aber erst im Januar 2005 nahm die gesamte Interventionsgruppe am Versand teil. Aus diesem Grund wurde die GI der Monate Januar-März 2005 ausgewählt. Des Weiteren sollte die GI der ersten drei Monate des Jahres 2005 sollte mit den ersten drei Monaten des Jahres 2004 verglichen werden um eine Saisonalität auszugleichen. Da Norovirus-Ausbrüche in den ersten drei Monaten die GI beeinflussten, wurden lediglich die Inzidenzen ohne Noroviren (IoN) in den gleichen Zeiträumen verglichen. Die Daten wurden am RKI aus SurvNet extrahiert und mit SPSS 13.0 analysiert.

Neben einer deskriptiven Analyse wurden der Mann-Whitney-Test für den Vergleich zwischen Intervention und Nicht-Intervention verwendet. Der Wilcoxon-Test wurde angewendet für den Vergleich der Zeiträume vor und während der Intervention in den beiden Gruppen.

Ergebnisse

45 Gesundheitsämter sind für das GA-Sentinel rekrutiert worden. Von diesen erfüllten acht die technischen Voraussetzungen eines Fax-Servers nebst Software. 16 Gesundheitsämter, die nicht am GA-Sentinel teilnahmen, wurden als Kontrolle ausgewählt. Vier Gesundheitsämter versendeten in dem Beobachtungszeitraum je drei Faxbriefe und vier weitere je zwei. Themen der Briefe waren unter anderen die Meldepflicht und der Katalog der meldepflichtigen Erkrankungen, Informationen zur Abrechnungen von Laboruntersuchungen bei meldepflichtigen Erkrankungen, Jahresüberblick zu Infektionskrankheiten im Landkreis sowie Informationen zu akuten Krankheitsfällen und Ausbrüchen.

Die geplante Beobachtungsdauer beträgt sechs Monate, so dass endgültige Ergebnisse im Juni 2005 zu erwarten sind. Eine vorläufige Auswertung der ersten 3 Monate ergab: Die mediane IoN/100.000 Einwohner waren in den ersten drei Monaten 2004 in der Interventionsgruppe jeweils 15,4, 15,8, und 19,1. In der Kontrollgruppe betrug sie jeweils 16,0, 16,6 und 20,9. Es gab in der medianen IoN/100.000 Einwohner keinen signifikanten Unterschied zwischen der Interventionsgruppe und der Kontrollgruppe. Während der Intervention in den ersten drei Monaten 2005 stieg die mediane IoN/100.000 Einwohner der Interventionsgruppe jeweils auf 18,7 (p=0,1), 26,2 (p=0,02) und 25,9 (p=0,06). In der Kontrollgruppe betrug sie jeweils 17,05 (p=0,5), 24,2 (p=0,004) und 21,8 (p=0,04).

Diskussion

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt konnte die vorläufige Analyse noch keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Versand von Faxbriefen und der Gesamtinzidenz nachweisen. Die Methodik der Studie erscheint jedoch grundsätzlich geeignet. Bis Juni 2005 werden Daten über den gesamten vorgesehenen Beobachtungszeitraum vorliegen und alle vorgesehenen 17 Gesundheitsämter werden dann mit der Interventionsphase begonnen haben, so dass dann eine bessere Datengrundlage für die Auswertung vorliegen wird. Diese Auswertung wird dann auch nach Arzt- und Labormeldung differenzieren können

Neben dem erhofften Effekt auf die Steigerung der Meldevollständigkeit, haben Gesundheitsämter positiv über die Resonanz der Faxbriefe bei den Ärzten berichtet. Die Faxbriefe geben den Gesundheitsämtern die Möglichkeit das Bewusstsein der Ärzte für das lokale Infektionsgeschehen zu schärfen und die Ärzteschaft ggf. zeitnah über akute Seuchengefahren zu informieren.

Danksagung

Wir bedanken uns bei den Mitarbeitern der 8 Gesundheitsämter, die die Fax-Infobriefe versendet haben für die gute Zusammenarbeit. Außerdem möchten wir uns bei unseren Kollegen im Fachgebiet Datenmanagement für das Bereitstellen der Daten aus SurvNet bedanken.


Literatur

1.
Gesetz zur Neuordnung Seuchenrechtlicher Vorschriften (SeuchRNeuG) 20 Juli 2000, Bundesgesetzblatt 2000; Teil 1, 33: 1045-1077.
2.
Thacker SB, Birkhead GS. Surveillance . In: Gregg MB, Hrsg. Field Epidemiology, 2nd Editon. New York: Oxford University Press; 2002: 28.
3.
Hauri AM, Westbrock H-J Fitzenberger J, Dreesman J. Untersuchung eines Listeriose-Clusters: Wie vollständig sind Labormeldungen? Gesundheitswesen 2004; 66: 779-782.
4.
Krause G, Ropers G, Stark K. Notifiable Disease Surveillance and Practising Physicians. Emerging Infectious Diseases. 2005; 11: 442-445.
5.
Brodhun B, Krause G. Befragung von Gesundheitsämtern über die Umsetzung des neuen Meldewesens nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG). Berlin: Robert Koch-Institut; 2003.