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Geschlagen, beschimpft, bespuckt – Gewalt gegenüber klinisch tätigen Hebammen im Kreißsaal
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Published: | July 30, 2024 |
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Fragestellung/Zielsetzung: Gewalt gegen Pflegepersonal, ärztlichem Personal und Rettungsdienst ist ein Thema, welches bereits in der Öffentlichkeit diskutiert wurde. Auch klinisch tätige Hebammen sind von Gewalt betroffen [1], wobei das Forschungsinteresse bisher eher den Gewalterfahrungen der Gebärenden galt:
Methoden: Es wurde ein Fragebogen im Mixed Methods Design mit offenen, halboffenen und geschlossenen Fragen entwickelt. Konkret wurde ein Triangulationsdesign zugrunde gelegt, mit dem qualitative und quantitative Verfahren der Datenerhebung kombiniert wurden. Die quantitativen Daten wurden mit deskriptiven statistischen Verfahren ausgewertet, die qualitativen Daten wurden einer Inhaltsanalyse nach Fenzl & Mayring unterzogen. Die Datenerhebung erfolgte mittels Online-Umfrage zwischen dem 10.05.2023 und 23.05.2023 an deutschlandweit klinisch tätigen Hebammen.
Ergebnisse: Von den 345 Fragebögen konnten 322 Bögen wissenschaftlich ausgewertet werden. Von den 322 klinisch tätigen Hebammen gaben 91,9% an, Gewalterfahrungen erlebt zu haben. Als gewaltausübende Personen benannten die Hebammen verschiedene Personengruppen (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Unter den Hebammen, welche Gewalt erfahren haben, waren 50,9% mit physischer Gewalt, 80,1% verbaler/psychischer Gewalt, 20,5% sexualisierter Gewalt, 51,9% struktureller Gewalt und 25,2% kultureller Gewalt konfrontiert. Die teilnehmenden Hebammen wünschten sich Unterstützung in Form von regelmäßigen Supervisionen, Deeskalationstrainings, Gesprächsangeboten, besserer Kommunikation mit allen Beteiligten, besserer Aufklärung über das Thema „Geburt“ und mehr Sichtbarkeit des Themas „Gewalt gegen Hebammen“.
Diskussion: Gewalt gegenüber klinisch tätigen Hebammen im Kreißsaal ist ein deutschlandweites Problem. Es müssen Maßnahmen greifen, damit die klinisch tätigen Hebammen besser vor Gewalt geschützt werden. Es besteht weiterhin Forschungsbedarf zu diesem Thema. Die erworbenen Ergebnisse aus der Umfrage ähneln denen der Pflege [2] bzw. dem Rettungsdienst [3] und spiegeln den bisherigen Forschungsstand wider.
Take Home Message: Das Bewusstsein und die Sichtbarkeit des Themas „Gewalt“ sollten in der Öffentlichkeit gestärkt werden. Institutionen, wie Kliniken und Behörden, sollten ausreichende Ressourcen bereitstellen, um übergriffige Verhaltensweisen zu unterbinden. Dies lässt sich durch die Bekämpfung möglicher Gewaltursachen erreichen. Beispielsweise kann durch die Aufstockung des Personalschlüssels, „fehlenden Betreuungskapazitäten“ oder auch „langen Wartezeiten“ entgegengewirkt werden, die häufig Gewaltursachen darstellen. Alle Beteiligten sollten vor, während und nach der Geburt respektvoll miteinander umgehen. Nur so ist eine gute Betreuung im Kreißsaal gewährleistet.
Literatur
- 1.
- Böhle S, David M, Breckenkamp J, Henrich W, Seidel V. Gewalt gegen Kreißsaalpersonal – Ergebnisse einer Online-Befragung und von Leitfadeninterviews an Berliner Geburtskliniken [Violence Against Staff in Delivery Rooms – Results of an Online-Survey and Structured Interviews in Obstetric Clinics in Berlin]. Z Geburtshilfe Neonatol. 2021;226(2):121-128. DOI: 10.1055/a-1611-2958
- 2.
- Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Belastungen durch Aggression und Gewalt gegenüber Beschäftigten der Pflege- und Betreuungsbranche in Deutschland – ein Survey. Hamburg: BGW; 2018. Zugänglich unter/available from: https://www.bgw-online.de/bgw-online-de/themen/gesund-im-betrieb/umgang-mit-gewalt/belastungen-durch-aggression-und-gewalt-gegenueber-22038
- 3.
- Händlmeyer A, Kast W, Sefrin P, Stadler T. Erfahrungen zur Gewalt gegen Rettungskräfte – aus der Sicht des DRK. Notarzt. 2021;37(S 01):S1-S19. DOI: 10.1055/a-1310- 6763