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Der Blickkontakt in der empathischen ärztlichen Gesprächsführung – eine Herausforderung im telemedizinischen Setting?
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Published: | July 30, 2024 |
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Fragestellung: Blickkontakt in ärztlichen Gesprächen mit Patient*innen ist ein wesentlicher Faktor um Empathie zu zeigen. Bisherige Studien untersuchten den Blickkontakt überwiegend in Präsenzgesprächen, es ist jedoch noch wenig bekannt, wie der Blickkontakt in telemedizinischen Gesprächen, vor allem hinsichtlich des Zeigen von Empathie, umgesetzt wird. Telemedizinische Gespräche haben die Herausforderung, dass der Blickkontakt nur mittelbar gehalten werden kann [1]. In dieser Studie untersuchten wir wie sich der Einsatz von Blickkontakt im Allgemeinen und in Situationen mit Gelegenheit zur Empathie in Präsenz- und telemedizinischen Gesprächen unterscheidet.
Methode: Im ersten klinischen Jahr wurden insgesamt 144 simulierte Anamnesegespräche von Medizinstudierenden und Schauspielpersonen aufgezeichnet (n=93 telemedizinische Gespräche (TM), n=51 Präsenzgespräche (P)). In P wurde der Blickkontakt gewertet, wenn die Studierenden die Patient*innen angeschaut habe. In TM wurde der Blickkontakt bewertet, wenn die Studierenden den Bildschirm fokussiert haben. Ebenfalls wurde die empathische Reaktion mit dem Empathic Communication Coding System bewertet [2]. Anhand dieses Systems wurden zunächst Gelegenheiten zur Empathie identifiziert und die Reaktionen der Medizinstudierenden auf einer 5-stufigen Likertskala von 0 bis 4 bewertet (höhere Werte=empathischere Reaktion). Für die Analysen wurden der Mann-Whitney-U-Test und der Wilcoxon-Test eingesetzt.
Ergebnisse: Der Anteil des Blickkontaktes während des Gesprächs unterscheidet sich zwischen Präsenz- und telemedizinischen Gesprächen sowohl während Gelegenheiten zur Empathie (P: M=94,3%, SD=10,8%; TM: M=74,2%, SD=21,0%, r =.40, p<.001) als auch im verbleibenden Gespräch (P: M=85.9%, SD=6,3%; TM: M=74.4%, SD=15,0%; r=.36, p<.001). Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass in TM verstärkt Blickkontakt gehalten wird, wenn die Medizinstudierenden die höchste Empathiestufe erreicht hatten (TM: Reaktion 0-3: M=71.4%, SD=21,8%; Reaktion 4: M=79,5%, SD=21,5%).
Diskussion: Unsere Studie zeigte, dass es trotz den Einschränkungen des telemedizinischen Settings der Anteil an Blickkontakt vergleichbar ist wie in Präsenzgesprächen. Ebenfalls zeigte sich, dass Studierende in Gelegenheiten zur Empathie mehr Blickkontakt halten. Dies könnte darauf hindeuten, dass sie sich der Situation und auch der Wirkung von Blickkontakt in diesen Situationen bewusst sind. Weiterführende Forschung könnte untersuchen, wie die Patient*innen den Blickkontakt und die damit verbundene Empathie der (angehenden) Ärzt*innen wahrnehmen.
Take Home Message: Blickkontakt ist ein wichtiges Element für eine empathische ärztliche Reaktion, die auch in telemedizinischen Settings, trotz Einschränkungen, erfolgreich eingesetzt werden kann.
Literatur
- 1.
- Helou S, El Helou E, Evans N, Shigematsu T, El Helou J, Kaneko M, Kiyono K. Physician eye contact in telemedicine video consultations: A cross-cultural experiment. Int J Med Inform. 2022;165:104825. DOI: 10.1016/j.ijmedinf.2022.104825
- 2.
- Bylund CL, Makoul G. Examing empathy in medical encounters: An observational study using the empathic communication coding system. Health Commun. 2005;18(2):123-0. DOI: 10.1207/s15327027hc1802_2