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Die Untersuchung von berufsbezogenen Zweifeln in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung
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Published: | September 14, 2022 |
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Fragestellung: Der Umgang mit fachlicher Unsicherheit ist ein wesentlicher Teil der ärztlichen Ausbildung. Ein tiefgreifendes Verständnis aber von Selbstzweifeln, Zweifeln am ärztlichen Beruf und der medizinischen Ausbildung fehlt. Zweifel ist die Infragestellung von Dingen und Ereignissen, womit Studierende und Assistenzärzt:innen in allen Phasen der Ausbildung zu kämpfen haben [1]. Unter anderem können Zweifel negative Auswirkungen auf die Psyche und berufliche Leistungen haben [2], [3]. Erkenntnisse über den Inhalt dieser Zweifel und seine Folgen liegen bis dato kaum vor, sind aber für die medizinische Ausbildungsforschung von großer Bedeutung.
Methoden: Die Datenerhebung erfolgte anhand von Leitfadeninterviews mit 10 Medizinstudierenden im Praktischen Jahr (PJ) und 8 Assistenzärzt:innen (2. bis 6. Jahr). Die Datenanalyse wurde mithilfe von MAXQDA 22 und qualitativer Inhaltsanalyse nach Schreier (2012) durchgeführt.
Ergebnisse: In der Analyse wurden Inhalte, Erleben sowie Folgen berufsbezogener Zweifel herausgearbeitet:
- Inhalte von Zweifel waren u.a. Kritik am Arbeitsumfeld (rigide Hierarchien, mangelnde Wertschätzung), sowie den Arbeitsbedingungen (lange Arbeitszeiten, Dienste, mangelnde Entlohnung). Die Interviewten berichteten außerdem von Selbstzweifeln bezüglich ihrer Kompetenzen und der Eignung für den ärztlichen Beruf. Vor allem die Transition von PJ zu Assistenzzeit schien eine kritische Phase des Zweifelns zu sein, die Interviewten fühlten sich häufig schlecht betreut und überfordert.
- Auch traten ethische Konflikte in der Patient:innenversorgung auf, bspw. durch finanzielle Interessen der Krankenhäuser.
- Das Erleben der Zweifel wurde als Verzweiflung, Panik oder Überforderung geschildert. Als Folgen wurden handlungspraktisch z.B. ein vermindertes berufliches Engagement, ein Berufswechsel oder eine veränderte Haltung zum ärztlichen Beruf genannt. Ebenso zeigten sich konkrete Coping Strategien wie eine Fokussierung auf das Durchhalten der Assistenzzeit, Kommunikation der Zweifel z.B. in der Familie oder auch Psychotherapie.
Diskussion: Zweifel scheint sich nicht nur auf die Arbeit von (zukünftigen) Ärzt:innen auszuwirken, sondern auch auf das psychische Wohlbefinden und die Wahrnehmung des eigenen Berufs. Einige Gründe für Zweifel sollten im Rahmen der Ausbildung adressiert werden, wie z.B. der als schwierig erlebte Übergang von Student:in zu Ärzt:in. Systematische Ansätze, um den Auszubildenden zu helfen, scheinen sowohl individuell als auch für die Zukunft des Gesundheitssystems von entscheidender Bedeutung zu sein.
Take Home Messages:
- Berufsbezogene Zweifel in der ärztlichen Ausbildung sind ein wichtiges Thema, das Konsequenzen auf Individuen sowie das Gesundheitssystem haben kann.
- Häufige Inhalte der Zweifel beziehen sich auf die ärztliche Tätigkeit selbst, Arbeitsbedingungen und die Aus- und Weiterbildung.
- Ein besseres Verständnis von Zweifeln schafft Basis für (außer-)curriculare Handlungsansätze, wodurch diese vermindert werden können.
Literatur
- 1.
- Weurlander M, Lönn A, Seeberger A, Hult H, Thornberg R, Wernerson A. Emotional challenges of medical students generate feelings of uncertainty. Med Educ. 2019;53(10):1037-1048. DOI: 10.1111/medu.13934
- 2.
- Liu R, Carrese J, Colbert-Getz J, Geller G, Shochet R. “Am I cut out for this?” Understanding the experience of doubt among first-year medical students. Med Teach. 2015;37(12):1083-1089. DOI: 10.3109/0142159X.2014.970987
- 3.
- Chamandy M, Gaudreau P. Career doubt in a dual-domain model of coping and progress for academic and career goals. J Vocat Behav. 2019;110(Part A):155-167. DOI: 10.1016/j.jvb.2018.11.008