gms | German Medical Science

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

16.-17.09.2021, Zürich, Schweiz (virtuell)

Schlüsselerlebnisse junger Mediziner_innen in Bezug auf Sterben und Tod: Erleben, Umgang und Auswirkungen

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Nana Jedlicska - Technische Universität München, TUM Medical Education Center, München, Deutschland
  • Carolin Rossmanith - Technische Universität München, TUM Medical Education Center, München, Deutschland
  • Pascal Berberat - Technische Universität München, TUM Medical Education Center, München, Deutschland

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). Zürich, Schweiz, 16.-17.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocV19-04

doi: 10.3205/21gma073, urn:nbn:de:0183-21gma0732

Published: September 15, 2021

© 2021 Jedlicska et al.
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Outline

Text

Hintergrund: Der Umgang mit Sterbenden und die Auseinandersetzung mit dem Tod stellen für viele junge Mediziner_innen emotional belastende Situationen dar [1]. Trotz seiner erheblichen Relevanz wurde dieses Thema bislang wenig erforscht. Die bestehenden Untersuchungen stammen primär aus dem klinischen Kontext und wurden überwiegend im angelsächsischen Sprachraum durchgeführt [2].

Fragestellung: Die aktuelle Studie fokussiert Erfahrungen Studierender der Medizin sowie junger Ärztinnen und Ärzte in Bezug auf Sterben und Tod. Ziel ist es, die affektive und die kognitive Dimension dieser Erfahrungen zu erfassen. Ferner werden Möglichkeiten zur Verarbeitung dieser Erlebnisse erforscht sowie Auswirkungen dieser Erfahrungen auf Einstellungen und Verhalten junger Mediziner_innen.

Methode: Datengrundlage der Studie bilden 18 leitfadengestützte semistrukturierte Interviews mit 9 Medizinstudierenden aus dem PJ und 9 Assistenzärzt*innen ab dem 2. Weiterbildungsjahr. Die transkribierten Gespräche wurden in Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse nach M. Schreier [3] und mit Hilfe der Software MAXQDA 12 ausgewertet.

Ergebnisse: Das emotionale Erleben der geschilderten Erfahrungen wird bestimmt durch die Gefühle Angst, Hilflosigkeit, Mitleid, Schuld, Trauer und Wut. Zufriedenheit bildet die einzige positive Emotion in diesem Kontext. Die Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen zum Sterben und Tod, die Rekonstruktion des Ablaufs des Sterbeprozesses und die Ermittlung der Todesursache, die Projektion der Situation auf die eigene Person und die Übernahme der Perspektive der Betroffenen sind die Elemente des kognitiven Erlebens der geschilderten Erfahrungen. Erzählen, Rationalisierung, Einnahme einer akzeptierenden Haltung, Distanzeinnahme und die Konfrontation mit der Erfahrung bilden Strategien, die von den Interviewten zur Bewältigung der Erlebnisse aktiv eingesetzt werden. Die Erfahrungen bewirken einen Wandel in der Einstellung zum Tod, durch den der Tod als Teil des Lebens bzw. als Erlösung ausgelegt wird. Ferner findet ein Umdenken im ärztlichen Rollenverständnis statt, von einer heilenden hin zu einer eher begleitenden Rolle.

Diskussion: Die Dominanz der negativen Gefühle im Erleben der geschilderten Erfahrungen sticht heraus und veranschaulicht den belastenden Charakter der Begegnungen mit dem Sterben und Tod. Die geschilderten Strategien zur Verarbeitung der Erlebnisse stammen überwiegend von den Interviewten und verdeutlichen den Mangel an institutionellen Hilfestellungsangeboten zur Bewältigung von Erlebnissen mit dem Sterben und Tod. Ferner explizieren die Ergebnisse das Fortbestehen eines Arztbildes als Heilender, welches zur Überforderung junger Mediziner*innen bei Konfrontation mit dem Thema Sterben und Tod führt.


Literatur

1.
Rhodes-Kropf J, Carmody SS, Seltzer D, Redinbaugh E, Gadmer N, Block SD, Arnold RM. "This is just too awful; I just can’t believe I experienced that ...": medical students’ reactions to their "most memorable" patient death. Acad Med. 2005;80(7):634-640. DOI: 10.1097/00001888-200507000-00005 External link
2.
Smith-Han K, Martyn H, Barrett A, Nicholson H. That’s not what you expect to do as a doctor, you know, you don’t expect your patients to die. Death as a learning experience for undergraduate medical students. BMC Med Educ. 2016;16:108. DOI: 10.1186/s12909-016-0631-3 External link
3.
Schreier M. Qualitative Content Analysis in Practice. Thousand Oaks, CA: SAGE Publications; 2012.