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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

16.-17.09.2021, Zürich, Schweiz (virtuell)

Sprachmittlung in der Praxis – Fortbildung zur kultursensiblen Sprachassistenz für Medizinische Fachangestellte

Meeting Abstract

  • Julia Liebnau - Universität Heidelberg, Medizinische Fakultät Mannheim, Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Mannheim, Deutschland
  • presenting/speaker Regina Julia Wendlinger - Universität Heidelberg, Medizinische Fakultät Mannheim, Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Mannheim, Deutschland
  • Şebnem Bahadir - Universität Graz, Geisteswissenschaftliche Fakultät, Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft, Graz, Österreich
  • Kristina Hoffmann - Universität Heidelberg, Medizinische Fakultät Mannheim, Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Mannheim, Deutschland

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). Zürich, Schweiz, 16.-17.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocV16-03

doi: 10.3205/21gma062, urn:nbn:de:0183-21gma0621

Published: September 15, 2021

© 2021 Liebnau et al.
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Zielsetzung: In der medizinischen Versorgung von Personen mit Migrationshintergrund stellen Sprach- und Verständnisbarrieren aufgrund kultureller Unterschiede eine maßgebliche Herausforderung dar. Häufig wird die Sprachmittlung „ad hoc“ durch bilinguales Personal übernommen, wobei die Standards professionellen Dolmetschens oft nicht erfüllt werden. Damit verbundene Fehler in der Sprachmittlung können zu Defiziten in der Versorgungsqualität für nicht-deutschsprachige Patient:innen führen. In Deutschland gibt es bislang keinen systematischen Ansatz, um bilinguales Personal in ambulanten Praxen für die Sprachmittlung in ärztlichen Konsultationen fortzubilden. Um diese Lücke zu schließen, wurde eine Fortbildung zur kultursensiblen Sprachassistenz für Medizinische Fachangestellte (MFA) entwickelt und in einer Pilotstudie evaluiert.

Methoden: Acht deutsch- und türkischsprachige MFA nahmen an der Fortbildung teil, die durch bilinguale Dolmetschwissenschaftlerinnen und Ärzt:innen durchgeführt wurde. Das Curriculum bestand aus einem Eingangsgespräch zur Überprüfung der türkischen Sprachfähigkeiten, Wochenendkursen mit theoretischen Anteilen und praktischen Übungen für kultursensible Sprachmittlung und Reflexionsgesprächen. In einem Prä-Post-Design beurteilten die MFA ihre Sprachmittlungsfähigkeiten in Noten von 1 (sehr gut) bis 5 (mangelhaft). Wahrgenommene Veränderungen sowie Einstellungen gegenüber der Fortbildung wurden in Form von Zustimmung zu Aussagen abgefragt (stimme zu/stimme nicht zu). Protokolle der Reflexionsgespräche wurden qualitativ ausgewertet.

Ergebnisse: Die MFA berichteten von einer Verbesserung ihrer Sprachmittlungsfähigkeiten (∆Mprä-Mpost = .63; 95%-KI: 0.19-1.06). Mehr als die Hälfte (n=5) fühlten sich sicherer im Umgang mit türkischsprachigen Patient:innen und ein Großteil (n=7) würde die Fortbildung weiterempfehlen. In Reflexionsgesprächen berichteten die MFA u.a., seit der Fortbildung eins-zu-eins zu dolmetschen, mehr Zeit für die Sprachmittlung einzufordern, neue Dolmetschstrategien zu nutzen, die ethischen Prinzipien der Sprachmittlung wie bspw. Transparenz anzuwenden und die Rolle als Sprachmittlerin bewusst von ihrer Rolle als MFA abzugrenzen.

Diskussion: Die Fortbildung schließt eine Lücke in der Versorgung von Patient:innen mit türkischsprachigem Hintergrund, indem sie dazu beiträgt, MFA fortzubilden, die in ihrem beruflichen Alltag als Sprachmittler:innen eingesetzt werden. Die Fortbildung wurde von den MFA als hilfreich wahrgenommen. Die berichteten Veränderungen deuten auf eine erhöhte Qualität der Sprachmittlung hin und könnten sich damit positiv auf die Patient:innenversorgung auswirken.

Take Home Message: Als systematischer Ansatz bietet die Fortbildung die Möglichkeit, bilinguales medizinisches Fachpersonal spezifisch fortzubilden und damit einen wichtigen Beitrag für die Verbesserung der Behandlungsqualität in der kultursensiblen medizinischen Versorgung von Personen mit einer Sprachbarriere zu leisten.