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Qualitative Analyse eines Lernportfolios als Instrument zur Dokumentation einer professionell ärztlichen Entwicklung während des Präparierkurses
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Published: | August 31, 2015 |
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Fragestellung/Einleitung: Gute Noten, breit gefächertes Wissen und handwerkliche Fähigkeiten machen noch keinen guten Arzt: Professionelles ärztliches Handeln gerät auch durch den NKLM immer mehr in den Fokus der medizinischen Ausbildung. Seit Sommersemester 2013 hat die Medizinische Fakultät Tübingen ein Lernportfolio zur Dokumentation der Kompetenzentwicklung im Studium eingeführt. Im Präparierkurs werden Studierende im Umgang mit einem Leichnam erstmals mit professionellem ärztlichen Handeln konfrontiert. Reflexionsprozesse werden über schriftliche Reflexionsaufgaben im Lernportfolio dokumentiert. Die Fragestellung dieser Untersuchung ist, wie die Portfoliotexte zum Präparierkurs eine professionelle ärztliche Identität abbilden, und welche Tiefe die Reflexion erreicht.
Methoden: Die anonymisierten Reflexionstexte aus den Lernportfolios der Studierenden des 2. FS Humanmedizin im WS13/14 wurden einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring unterzogen. Erfahrungen aus Begleitseminaren haben gezeigt, dass eine Ausbildung und/oder Arbeit im medizinischen Bereich einen großen Einfluß auf den Umgang mit der Situation im Präparierkurs hat. Entsprechend wurden aus der Gesamtkohorte zwei Stichproben ausgewählt, es wurde auf eine gleiche Stichprobengröße und -zusammensetzung in Bezug auf Alter und Geschlecht geachtet.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 100 Reflexionstexte analysiert. Die Studierenden ohne eine vorherige Ausbildung waren hierbei im Schnitt 23,3 Jahre alt, die Studierenden ohne eine solche Ausbildung waren im Schnitt 21,1 Jahre alt, wobei in beiden Stichproben die weiblichen Studierenden mit 60% etwas stärker vertreten waren. Die Studierenden berichten in ihren Portfolios von einer raschen Routineentwicklung und Gewöhnung an die Situation im Präparierkurs. Ein Körperspender werde schnell zum wissenschaftlichen Objekt, das Menschliche trete in den Hintergrund. Freiwillige Begleitseminare haben den Umgang mit der Situation erleichtert, ebenso wie eine gute Begleitung durch den Dozenten und/oder Tischassistenten. Studierende, die bereits eine Ausbildung im medizinischen Bereich absolviert haben, geben diese häufig als erleichternd für die Situation im Präpariersaal an. Weiterhin berichten sie dass die Begleitung eines Sterbenden intensiver ist als die Arbeit am Körperspender. Neue Einstellungen zum Thema Tod und Sterben werden nur selten erwähnt. Alle Studierende berichten von großem Respekt gegenüber dem Körperspender und seiner Entscheidung, sich der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen.
Diskussion/Schlussfolgerung: Sieht man den Körperspender im Präparierkurs als „ersten Patienten“ eines Studenten, so zeigt die hohe Wertschätzung der Studenten gegenüber dem Körperspender schon einen Aspekt des professionell handelnden Arztes. Ein Lernportfolio ist zur Dokumentation der reflexiven Prozesse gut geeignet und zeigt eine große inhaltliche Tiefe.