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Reflektiert genug für den Arztberuf? Eine Analyse der Reflexionen Medizinstudierender im ersten Studienjahr
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Published: | August 31, 2015 |
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Fragestellung/Einleitung: Das Ziel der ärztlichen Ausbildung ist ein zu ständiger Fortbildung befähigter Arzt [1]. Mit diesem Leitgedanken wurde an der Universität Freiburg im WS 2012/13 das Portfolio-Projekt für Studierende im 1. Studienabschnitt eingeführt. Obligater Bestandteil ist das Verfassen einer schriftlichen Reflexion über Erfahrungen, die praktische ärztliche Fertigkeiten betreffen. Hierdurch werden die Studierenden ermutigt, sich mit ihrem Lernprozess auseinanderzusetzen und somit ihre persönliche und fachliche Weiterentwicklung zu fördern. Ziel unserer Auswertung war es, die Fähigkeit der Studierenden zur kritischen Reflexion sowie inhaltliche Schwerpunkte der Arbeiten zu erfassen.
Methoden: Formale Vorgabe der Reflexion ist ein Umfang von mindestens 400 Wörtern. Inhaltlich müssen die Bestandteile Beschreibung, Analyse/Interpretation und Ergebnis enthalten sein. Die Abgabe erfolgt am Ende des 2. Semesters. Jeder Studierende erhält ein von ärztlichen MitarbeiterInnen verfasstes, individuelles schriftliches Feedback.
Im SS 2014 erklärten sich 289 von 331 Studierenden (87,3%) bereit, ihre Reflexion einer qualitativen Auswertung zur Verfügung zu stellen. Die Themen wurden in 11 Kategorien eingeteilt.
Ergebnisse: 93% der 331 Studierenden reichten initial eine Reflexion ein, die den formalen und inhaltlichen Kriterien entsprach. Vorwiegend behandelte Themengebiete waren das Pflegepraktikum (53%) und universitäre Kurse (11%). Bei der weiteren Kategorisierung der zwei Hauptthemengebiete fand sich ein deutlicher Schwerpunkt im Themenbereich „Kommunikative Kompetenzen“. 53% der Reflexionen über das Pflegepraktikum befassten sich mit den Themen „Kommunikation und Umgang mit Patienten und Angehörigen“ und „Interprofessionelle Kommunikation“. In 56% der Reflexionen über Kurse wurden Anamnesegespräche im Kurs „Medizinische Psychologie“ thematisiert. Einige Reflexionen behandelten kritische Themen wie den Umgang mit Tod und Sterben, Verantwortung, Überforderung durch übertragene Aufgaben sowie Konflikte in hierarchischen Strukturen.
Diskussion/Schlussfolgerung: Die Ausarbeitung des Reflexionsbestandteils „Analyse/Interpretation“ erwies sich bei vielen Studierenden als besondere Herausforderung. Der Text verblieb in diesen Fällen auf der deskriptiven Ebene und praktisch umsetzbare Strategien konnten nicht entwickelt werden.
Kommunikative Kompetenzen wurden häufig thematisiert und zeigten eine hohe Relevanz für die ärztliche Tätigkeit, was in einer aktuellen bundesweiten Umfrage unter Medizinstudierenden bestätigt wird [2]. Eine intensivere Vermittlung dieser Kompetenzen im Laufe des Medizinstudiums erscheint uns notwendig. Im Lernportfolioprojekt der Universität Tübingen betonten die Studierenden demgegenüber die Herausforderung der Balance zwischen Studium und Freizeit [3].
Die Reflexionen bieten einen Einblick in die Erfahrungen und Herausforderungen Studierender im 1. Studienabschnitt. Somit dienen sie auch als wertvolle Bedarfsanalyse zur Verbesserung des Lehr- und Betreuungsangebots.
Literatur
- 1.
- Bundesministerium für Gesundheit. Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juli 2002. Bundesgesetzbl. 2002; l(44):2405-2435.
- 2.
- Hartmannbund. Umfrage des Hartmannbundes unter seinen Medizinstudierenden im Rahmen der Erstellung eines "Masterplan Medizinstudium 2020" der Bundesregierung. Berlin: Hartmannbund; 2015. Zugänglich unter/available from: http://www.hartmannbund.de/uploads/HB-Media/umfragen/2015-02-13_Medizinstudium2020-Plus.pdf
- 3.
- Giese A, Griewatz J, Vögele E, Zipfel S, Lammerding-Köppel M. Kann das Lernportfolioprojekt die Qualitätssicherung der Studieneingangsphase fördern? Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). Hamburg, 25.-27.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocP144. DOI: 10.3205/14gma027