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Priorisierung in der Arzneimitteltherapie älterer multimorbider Patienten – eine Frage des Geschlechts?
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Published: | September 14, 2011 |
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Hintergrund: Die im Zuge des demographischen Wandels veränderte Alters- und Morbiditätsstruktur stellt HausärztInnen vor große Herausforderungen hinsichtlich der Arzneimitteltherapie älterer multimorbider PatientInnen. Ziel der Analyse war, geschlechtsspezifische Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei HausärztInnen hinsichtlich der Kriterien bei der Arzneimitteltherapie älterer multimorbider PatientInnen herauszuarbeiten.
Material und Methoden: Grundlage bildeten die multimethodisch gewonnenen Daten des Projektes „Priorisierung von Arzneimitteln in der hausärztlichen Versorgung von Patienten über 60 Jahre mit Multimorbidität im Übergang von stationärer zu ambulanter Versorgung“ (Setting: HausärztInnen in Sachsen-Anhalt). Die Transkripte von 4 Fokusgruppen wurde mittels Qualitativer Inhaltsanalyse [1] analysiert; die Daten der schriftlichen Befragung von 43 HausärztInnen (14 Männer, 29 Frauen) wurden deskriptiv ausgewertet (Tabelle 1 [Tab. 1]).
Ergebnisse: Die in der qualitativen Befragung herausgearbeiteten Kriterien bildeten die Grundlage für die Fragebogenerhebung. Patientenbezogene Faktoren sind für beide Geschlechter als Kriterium für die Arzneimitteltherapie am bedeutsamsten (Männer: Lebensqualität; Frauen: Patientensicherheit), ökonomische Faktoren haben die geringste Relevanz. Signifikante Unterschiede gibt es bzgl. der Bedeutung der Compliance: Mehr als die Hälfte der Hausärztinnen (55,2%), aber nur gut ein Fünftel der Männer (21,4%) zählt diese zu den 5 wichtigsten Kriterien. Eine deutliche Mehrheit der HausärztInnen gibt an, eine bestimmte Anzahl an Medikamenten in der Behandlung multimorbider Älterer nicht überschreiten zu wollen (Frauen: 6; Männer: 7). Die höhere Bedeutung der Compliance (und damit verbunden des Patientenwillens) für die Hausärztinnen zeigt sich auch in der qualitativen Analyse. Entgegen der Ergebnisse der quantitativen Befragung thematisieren Hausärzte in den Diskussionen stärker die Lebensdauer als die Lebensqualität, während ihre Kolleginnen der Lebensqualität – v.a. auch in Abgrenzung zur Lebensdauer – eine hohe Relevanz aussprechen. Hausärztinnen verbinden in den Diskussionen häufig das eigene ärztliche Handeln mit den für sie relevanten Kriterien (z.B. Sicherstellung der medizinischen Versorgung im häuslichen Umfeld, Berücksichtigung des Patientenwillens).
Schlussfolgerung/Implikation: Hausärztinnen und Hausärzte nutzen bei der Priorisierung in der Arzneimitteltherapie älterer multimorbider Patienten – bis auf wenige Ausnahmen – die gleichen Kriterien mit ähnlicher Gewichtung. Unterhalb dieser vergleichbaren Relevanz der Kriterien zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede in der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung dieser und der Verknüpfung zwischen einzelnen Kriterien.