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23. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e. V.

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

01. - 03.09.2022, Lübeck

Verringerung der Zahl potenziell problematischer Eingriffe in der Pandemie? Ansätze zur Analyse eines ‚natürlichen Experiments‘

Meeting Abstract

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  • Philipp Storz-Pfennig - GKV-Spitzenverband, Medizin, Deutschland

Evidenzbasierte Medizin für eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung. 23. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Lübeck, 01.-03.09.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22ebmVS-1-03

doi: 10.3205/22ebm020, urn:nbn:de:0183-22ebm0205

Published: August 30, 2022

© 2022 Storz-Pfennig.
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Hintergrund/Fragestellung: Neben der vieldiskutierten Problematik des Entfalls oder der Verschiebung notwendiger Eingriffe unter Pandemie-Bedingungen, wurde in der Literatur allerdings auch die Frage gestellt, ob dies nicht auch Behandlungen betreffen könnte, deren Notwendigkeit in bestimmten Konstellationen mindestens potenziell problematisch gesehen werden kann [1]? Hier soll einem Aspekt dieser generellen Frage in Bezug auf Eingriffe nachgegangen werden, die durch den G-BA bzw. das IQWiG für das Zweitmeinungsverfahren bestimmt bzw. vorgeschlagen wurden [2].

Methoden: Die Anzahl der Eingriffe in potenziell problematischen Kategorien (DESTATIS, InEK-Datenbrowser, 27 Eingriffe, OPS-operationalisiert) in deutschen Krankenhäusern zwischen Januar 2020 und Mai 2021 wird sowohl im Vergleich zu anderen Eingriffen als auch in der monatlichen Abfolge analysiert. Es werden das Ausmaß des Rückgangs 2020 gegenüber den Vorjahren (2016–2019), sowie der Zeitverlauf, z. T. differenziert nach Diagnosen, betrachtet und ob zeitweiligen Rückgängen eine vermehrte Nutzung folgte. Sobald Daten für Zeiträume ab Mai 2021 verfügbar sind, sollen die Analysen erweitert werden.

Ergebnisse: Der Rückgang 2020 gegenüber 2019 war bei potenziell problematischen Eingriffe mit insgesamt 9% etwas größer als bei allen Eingriffen (7%) und fand sich insbesondere im April 2020 (geringer zum Jahreswechsel 2020/21). Ein starker Rückgang zeigte sich z. B. bei Tonsilleneingriffen (34%), weniger ausgeprägte oder keine Rückgänge z. B. bei kardiologischen Ablationsbehandlungen oder Kaiserschnitten. Bei starken Rückgängen war der Anteil z. B. von Herzinfarktdiagnosen bei PCI erhöht (2020/4: 43%, 2019/4: 36%). Für eine vermehrte Nutzung der Eingriffe nach stärkeren Rückgängen fanden sich bisher keine Anhaltspunkte.

Schlussfolgerung: Potenziell problematische Eingriffe werden vielleicht als weniger dringlich gesehen, bei erheblicher Heterogenität und keinem sehr großen Unterschied zu allen Eingriffen im Mittel. Sicherlich wird mal viele Eingriffe auch als angemessen ansehen können, insofern ohnehin nur ein „Potenzial“ der Problematik generell postuliert werden kann, andererseits können sich auch fragliche Eingriffe in anderen Feldern finden. Starke Rückgänge im HNO-Bereich stehen vermutlich auch in Zusammenhang mit Infektionsrisiken. Ob Eingriffe später nachgeholt werden, oder gar gesundheitliche Verschlechterungen vermehrte Behandlungen nach sich ziehen, wird man, auch aufgrund des protrahierten Pandemie-Verlaufes, wohl später besser bewerten können.

Interessenkonflikte: Keine


Literatur

1.
Moynihan R, Johansson M, Maybee A, Lang E, Légaré F. Covid-19: an opportunity to reduce unnecessary healthcare. BMJ. 2020 Jul 14;370:m2752. DOI: 10.1136/bmj.m2752 External link
2.
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). IQWiG-Bericht Nr. 1068. Auswahl von Eingriffen für das Zweitmeinungsverfahren nach § 27b SGB V. Vers. 1.0. 25.02.2021. Köln: IQWIG; 2021. Available from: https://www.iqwig.de/projekte/v20-01.html External link