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21. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e. V.

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

13. - 15.02.2020, Basel, Schweiz

Wie lässt sich die Vermeidung von Gesundheitsinformationen erklären? Erkenntnisse aus dem Health Information National Trends Survey (HINTS) Germany

Meeting Abstract

  • Michael Grimm - Stiftung Gesundheitswissen, Deutschland
  • Elena Link - Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung, Hannover, Deutschland
  • Claudia Höppner - Stiftung Gesundheitswissen, Deutschland
  • Martina Albrecht - Stiftung Gesundheitswissen, Deutschland

Nützliche patientenrelevante Forschung. 21. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Basel, Schweiz, 13.-15.02.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20ebmPP4-05

doi: 10.3205/20ebm077, urn:nbn:de:0183-20ebm0777

Published: February 12, 2020

© 2020 Grimm et al.
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Hintergrund/Fragestellung: Die Vermeidung von Gesundheitsinformationen ist ein legitimes Verhalten. Sie ermöglicht es aber auch, Gesundheitsrisiken zu ignorieren sowie gesundheitsschädliche Einstellungen und Verhalten aufrechtzuerhalten, und kann informierten Entscheidungen entgegenstehen. Deshalb ist es wichtig, zu verstehen, warum Menschen Informationen vermeiden. Während eine theoretische Modellierung bisher fehlt, zeigen erste US-amerikanische Studien die Bedeutung soziodemografischer und psychosozialer Faktoren [1], [2]. Dieser Beitrag fragt auf Grundlage der Repräsentativbefragung HINTS Germany, wie verbreitet Informationsvermeidung in Deutschland ist und welche Faktoren sie erklären.

Methoden: Datengrundlage ist eine 2018/2019 durchgeführte Telefonbefragung (n = 2.902), in der Informationsvermeidung mit einer validierten Kurzskala abgefragt wurde. Da die beiden Items in der deutschen Erhebung nur schwach korrelieren (r = -.19, p < .001), wurden sie getrennt ausgewertet. Neben der deskriptiven Analyse wurden Gruppenvergleiche zwischen Personen mit schwächerem und stärkerem Vermeidungsverhalten zu soziodemografischen und psychosozialen Faktoren durchgeführt.

Ergebnisse: 28 % stimmen eher oder voll und ganz zu, dass sie „es vermeiden, alles über ihre Gesundheit zu erfahren“ (Item 1). 22,6 % stimmen eher nicht oder gar nicht zu, dass sie „alles über ihre Gesundheit wissen wollen, auch wenn sie das beunruhigt“ (Item 2).

Bei beiden Items zeigt sich, dass Personen mit stärkerem Vermeidungsverhalten eine niedrigere gesundheits- sowie informationsbezogene Selbstwirksamkeit haben. Für Item 1 zeigt sich zudem, dass sie über einen niedrigeren sozioökonomischen Status und niedrigere wahrgenommene Kontrolle über ihre Gesundheit verfügen, ihnen sozialer Rückhalt fehlt und sie weniger zufrieden mit Versorgerkommunikation und Informationssuche sind. Es handelt sich um signifikante, jedoch geringe Unterschiede, die tendenziell mit dem Forschungsstand übereinstimmen. Ausnahmen sind Alter und Geschlecht, für die sich keine signifikanten Unterschiede zeigen.

Schlussfolgerung: Die Häufigkeit des Vermeidungshandelns unterstreicht die Relevanz des Phänomens. Die Erkenntnisse liefern Ansatzpunkte für Interventionen und strategische Kommunikation, indem Informationsvermeidung etwa über eine Steigerung von Informations- und Gesundheitskompetenz beeinflusst werden kann. Zugleich werden zukünftige Herausforderungen mit Blick auf die adäquate Messung und theoretisch fundierte Analyse der Gründe und Faktoren von Informationsvermeidung deutlich.

Interessenkonflikte: Michael Grimm, Claudia Höppner und Martina Albrecht sind bei der Stiftung Gesundheitswissen an der Erstellung von Gesundheitsinformationen beteiligt.

Elena Link hat keine Interessenkonflikte.


Literatur

1.
Emanuel AS, Kiviniemi MT, Howell JL, Hay JL, Waters EA, Orom H, Shepperd JA. Avoiding cancer risk information. Soc Sci Med. 2015 Dec;147:113-20. DOI: 10.1016/j.socscimed.2015.10.058. External link
2.
Sweeny K, Melnyk D, Miller W, Shepperd JA. Information Avoidance Who What When and Why. Review of General Psychology. 2010;14(4):340-353. DOI: 10.1037/a0021288. External link