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21. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e. V.

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

13. - 15.02.2020, Basel, Schweiz

Interessenkonflikte im Gesundheitswesen: Welche sekundären Effekte kann eine Offenlegung von Interessenkonflikten haben?

Meeting Abstract

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  • Marlene Stoll - Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Mainz, Deutschland; Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Psychologisches Institut, Mainz, Deutschland
  • Boris Egloff - Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Psychologisches Institut, Mainz, Deutschland
  • Klaus Lieb - Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Mainz, Deutschland

Nützliche patientenrelevante Forschung. 21. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Basel, Schweiz, 13.-15.02.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20ebmS2-V2-02

doi: 10.3205/20ebm016, urn:nbn:de:0183-20ebm0163

Published: February 12, 2020

© 2020 Stoll et al.
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Hintergrund/Fragestellung: Das Patientenwohl wird häufig als das primäre Interesse eines Arztes oder einer Ärztin angesehen. Im Gesundheitssystem gibt es jedoch viele Faktoren, die zu sekundären Interessen führen. Diese Interessenkonstellationen können ein Risiko darstellen, dass das auf das Patientenwohl bezogene professionelle Urteilen und Handeln unangemessen beeinflusst wird. Solche Konstellationen werden als Interessenkonflikte (IK) bezeichnet. Die derzeit am häufigsten diskutierten IK sind jene, die durch die Zusammenarbeit zwischen pharmazeutischen Unternehmen (pU) und Ärzt*innen entstehen. Zum vielfach praktizierten Management solcher IK gehört deren Offenlegung. Jedoch gibt es Studien, die zeigen, dass die Offenlegung von IK nicht nur positive, sondern auch unerwünschte negative Folgen haben kann. Wir haben daher in verschiedenen Forschungssettings sekundäre Effekte der Offenlegung von IK untersucht.

Methoden: Es werden zusammenfassend Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt zu sekundären Effekten der Offenlegung von IK präsentiert. Der multimethodische Ansatz umfasst ein psychologisches Experiment zur Offenlegung von Interessenkonflikten in Beratungssituationen, eine Datenbankanalyse der deutschen „Euros für Ärzte“-Datenbank und eine schriftliche Befragung von 247 Ärzt*Innen zu ihren Erfahrungen mit Offenlegung ihrer IK in dieser Datenbank.

Ergebnisse: Die Offenlegung eines Interessenkonflikts in einer experimentellen Beratungssituation führt zu einer strategischen Übertreibung in der Beratung: muss ein IK offengelegt werden, zeigten ProbandInnen statistisch signifikant mehr Bias im Beratungsgespräch als wenn dieser nicht offengelegt werden muss (MW1 = 141878, MW2 = 69667, d = 0.25, p= .026). Werden IK im Sinne von Zuwendungen durch pU in einer öffentlichen Datenbank offengelegt, spielt die Freiwilligkeit der Offenlegung eine wichtige Rolle. Die Datenbankanalyse zeigt, dass 63% jener, die im Jahr 2016 offenlegten, im Jahr 2017 nicht mehr offenlegten. Die Ergebnisse der Befragung der Ärzt*innen zeigt unterschiedliche Beweggründe hierfür – der am häufigsten genannte Grund sind Bedenken bezüglich der Öffentlichkeit und daraus folgender Berichterstattung.

Schlussfolgerung: Die Offenlegung von IK bei Ärzt*innen kann unintendierte negative Effekte haben, unter Anderem eine Aggravation von Bias. Aus diesem Grund sollte das Management von IK nicht bei deren alleiniger Offenlegung Halt machen.

Interessenkonflikte: Das präsentierte Projekt ist Teil des multidisziplinären Forschungsprojekts "InRes" (https://independenceofresearch.org/), welches durch die VolkswagenStiftung finanziert wird und Marlene Stolls Promotionsstelle einschließt.

Marlene Stoll und Prof. Boris Egloff haben keine weiteren Interessenkonflikte im Hinblick auf die Thematik des Vortrages.

Herr Univ.-Prof. Dr. med. Klaus Lieb hat seit 2008 keine Honorare für Beratertätigkeiten, Fortbildungsveranstaltungen, Vorträge oder Stellungnahmen von pharmazeutischen Unternehmen oder Medizinprodukteherstellern erhalten. Für die Durchführung von klinischen Auftragsstudien oder anderen Forschungsvorhaben erhielten Mitarbeiter seiner Klinik in den Jahren 2015 – 2017 Zuwendungen auf ein Drittmittelkonto von Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Janssen-Cilag GmbH und Alan Boyd Consultants Ltd. Von der Boehringer Ingelheim Stiftung erhielt Prof. Lieb zusammen mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Forschungsmittel für die Jahre 2017-2020 zum Aufbau des Deutschen Resilienz Zentrums Mainz. Er ist seit 2009 Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie der Bundesärztekammer und ordentliches Mitglied in der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Von 2011 -2014 war er Sprecher der AG Interessenkonflikte der AkdÄ und ist seit 2014 Vorsitzender des Fachausschusses Transparenz und Unabhängigkeit der AkdÄ. 2013-2014 war er Mitglied der Taskforce Ethik der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde. Er ist Mitbegründer der Initiative MEZIS e.V., in der er von 2007-2011 Vorstandsmitglied war und seither Mitglied ist. Er erhält von der Akademie für ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz Honorare für die Durchführung der unabhängigen Fortbildungsreihe Psychiatrie und Psychotherapie und ist wissenschaftlicher Leiter von LIBERMED, die ab 2017 von der Pharmaindustrie unabhängige Fortbildungen anbietet.