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Brücken bauen – von der Evidenz zum Patientenwohl: 19. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e. V.

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

08.03. - 10.03.2018, Graz

Behandlungsentscheidungen bei eingeschränkter Evidenzlage – Herausforderungen im Umgang mit Heilversuchen in der Onkologie

Meeting Abstract

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  • author presenting/speaker Barbara Zimmer - Kompetenz-Centrum Onkologie, MDK-Nordrhein
  • Axel Heyll - Kompetenz-Centrum Onkologie, MDK Nordrhein

Brücken bauen – von der Evidenz zum Patientenwohl. 19. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Graz, Österreich, 08.-10.03.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18ebmV-10-5

doi: 10.3205/18ebm061, urn:nbn:de:0183-18ebm0618

Published: March 6, 2018

© 2018 Zimmer et al.
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Text

Fragestellung: Das Bundesverfassungsgericht hatte im Beschluss vom 06.12.2005 (BVerfG 1 BvR 347/98, „Nikolaus-Beschluss“) für gesetzlich Krankenversicherte bei lebensbedrohlicher oder regelmäßig tödlicher Erkrankung und Fehlen einer allgemein anerkannten, medizinischem Standard entsprechenden Behandlung einen Leistungsanspruch auf eine ärztlich angewandte, nur einge­schränkt untersuchte Behandlungsmethode bejaht. Dieser Beschluss wurde in § 2 Abs. 1a Sozial­gesetzbuch (SGB) V überführt. In Folge ergeben sich vielfältige klinische und sozialmedizinische Herausforderungen in der Entscheidungsfindung bei unzureichender evidenzbasierter Erkenntnislage. Verbesserungen für die Umsetzung von Heilversuchen im Fachgebiet Onkologie sind zu diskutieren.

Ergebnisse: Zwar sind leistungsrechtliche Kriterien für Patientenbehandlungen als Heilversuch in der „notstandsähnlichen Situation“ (§ 2 Abs. 1 SGB V) definiert, erkennbar ist allerdings, dass Fragen zur Begründung der (Nicht-) Anwendung einer bisher (in der jeweiligen Indikation) noch nicht ausreichend untersuchten Behandlungsmethode oder Arzneimitteltherapie offen bleiben. Methodisch hochwertige, evidenzbasierte Bewertungsgrundlagen, die in der Krankenversorgung etabliert sind, können diese zu Heilversuchen allein nicht beantworten.

Gegenstand des Beitrags ist daher, Erfahrungen zu Entscheidungskriterien bei eingeschränkter Evidenzlage im Fachgebiet Onkologie für Behandlungssituationen nach § 2 Abs. 1a SGB V darzulegen. Methodische und inhaltliche Limitationen werden aufgezeigt, ebenso Abgrenzungen zur experimentellen Medizin.

Angesichts der Nachfrage nach Heilversuchen und mit Blick auf die Weiterentwicklungen der tumorgenetischen Diagnostik und Biomarker-gestützten Therapie in der Onkologie wird das Konzept der systematischen, Netzwerk-gestützten Patientenversorgung unter Einschluss spezialisierter Zentren mit interdisziplinärer Beratung und Therapieentscheidung vorgestellt (Beispiel: Netzwerk Genomische Medizin, Lungenkrebs, Köln). Vorgeschlagen wird, durch strukturierte, interdisziplinäre Maßnahmen in der Patientenbehandlung, Dokumentation und Evaluation potentiell einen ggf. über den Einzelfall hinausgehenden Erkenntnisgewinn bei Anwendung von Heilversuchen zu ermöglichen. Ziel des Konzeptes ist ebenso, Information und Kommunikation in Entscheidungssituationen bei limitierter Erkenntnislage bzw. eine Patientenanbindung bei Verfügbarkeit von klinischen Studien zu fördern. Konkrete Wege einer wissensgenerierenden Patientenversorgung für die Umsetzung von Heilversuchen werden dar- bzw. zur Diskussion gestellt.