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Welche Faktoren prädisponieren ältere Menschen für extreme Polypharmazie? Eine Querschnittsanalyse mit Daten aus der PRIMA-eDS-Studie
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Published: | February 23, 2017 |
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Hintergrund und Fragestellung: Polypharmazie ist bei älteren Menschen verbreitet und führt zu Medikationsfehlern, Nebenwirkungen und Hospitalisierung. Verschiedene Studien berichten eine Hospitalisierungsrate auf Grund von Arzneimittelnebenwirkungen zwischen 2,4 und 16,65%. Das Risiko steigt mit wachsender Anzahl von Medikamenten. Es ist daher von Interesse, welche Faktoren zu extremer Polypharmazie führen. Wir gingen dieser Fragestellung in der EU-Studie PRIMA-eDS (Polypharmacy: Reduction of Inappropriate Medication and Adverse drug events by electronic Decision Support) nach.
Methoden: Zur Evaluation der elektronischen Entscheidungshilfe „PRIMA-eDS“ zur Reduktion inadäquater Polypharmazie wird derzeit eine randomisiert kontrollierte Studie durchgeführt. Für diese Studie wurden durch 5 Studienzentren in 4 Ländern (D, A, I, UK) 359 Hausärzte und 3919 Patienten über 75 Jahre mit Polypharmazie (≥8 Wirkstoffe) rekrutiert. Zu Baseline wurden folgende Patientendaten erhoben: Anzahl der Wirkstoffe, Anzahl der Diagnosen, Alter, Geschlecht, BMI, selbstberichteter Gesundheitszustand, Gebrechlichkeit, Bildungsgrad, Raucherstatus. Zur Beantwortung unserer Forschungsfrage führten wir mit den Baseline-Daten eine multivariate logistische Regressionsanalyse mit der Variable „extreme Polypharmazie“ (Einnahme von ≥10 Wirkstoffen) als abhängige Variable und allen anderen Baseline-Daten als unabhängige Variablen durch.
Ergebnisse: Die Teilnehmer sind 81,7±4,7 Jahre alt. 42,8% sind männlich. Im Schnitt haben die Patienten 9,5±5,0 Diagnosen und nehmen 10,6±2,4 Wirkstoffe ein. In der multivariaten logistischen Regressionsanalyse waren folgende unabhängige Variablen signifikant mit extremer Polypharmazie assoziiert: selbstberichteter Gesundheitszustand, Gebrechlichkeit, Anzahl Diagnosen und das Studienzentrum Manchester. Ein hohes Alter (≥85 J.) wirkte im Vergleich zu <85 J. als Schutzfaktor. Geschlecht, Bildungsgrad, BMI und Raucherstatus waren nicht mit der Anzahl der eingenommenen Medikamente assoziiert.
Schlussfolgerung: Das Studienzentrum Manchester/UK war signifikant mit Polypharmazie assoziiert. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte das im UK übliche „Pay for Performance“ sein, das Polypharmazie begünstigt. Die aus unserer Analyse gewonnenen Erkenntnisse tragen dazu bei, gezielte Strategien zur Reduktion inadäquater Polypharmazie zu entwickeln und diese in Leitlinien zum Umgang mit Polypharmazie und Multimorbidität zu integrieren.