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Gemeinsam informiert entscheiden: 17. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.

03.03. - 05.03.2016, Köln

Sichtweisen von Intensivmedizinern zum Umgang mit Patientenverfügungen

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Susan Langer - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Medizinische Fakultät Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Halle (Saale), Deutschland
  • author Irene Stengel - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Medizinische Fakultät Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Halle (Saale), Deutschland
  • author Steffen Fleischer - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Medizinische Fakultät Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Halle (Saale), Deutschland
  • Ralph Stuttmann - Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannstrost Halle, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Halle (Saale), Deutschland
  • author Almuth Berg - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Medizinische Fakultät Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Halle (Saale), Deutschland

Gemeinsam informiert entscheiden. 17. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Köln, 03.-05.03.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16ebmD3c

doi: 10.3205/16ebm041, urn:nbn:de:0183-16ebm0410

Published: February 23, 2016

© 2016 Langer et al.
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Text

Hintergrund und Fragestellung: Die Patientenverfügung (PV) steht für eine Vorausverfügung eines Menschen zu Behandlungssituationen, in denen eine wirksame Willenserklärung nicht mehr möglich ist. Nach Einführung des „Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts“ (PatVerfG) und der anfänglichen Euphorie, dass damit juristische Streitfragen um die PV entschieden wurden, wird diese aus ethischer und vor allem medizinischer Sicht allseits kontrovers diskutiert. Gerade Intensivmediziner werden sehr häufig mit PVen konfrontiert, jedoch liegen bisher nur wenig empirische Daten dazu vor.

Ziel der Studie war deshalb, die Sichtweisen leitender Intensivmediziner zum Umgang mit PVen aufzuzeigen.

Material/Methoden: Die Untersuchung erfolgte als postalische Befragung aller deutschen Kliniken mit mehr als 300 Betten und einer anästhesiologisch geführten Intensivstation (n=299). Dazu wurde ein, auf den Ergebnissen einer qualitativen Vorstudie basierender, standardisierter Fragebogen eingesetzt, der vorab einem Pretest unterzogen wurde.

Ergebnisse: Die Rücklaufquote betrug 74,2 % (n=222/299). Die Ergebnisse bestätigen die Kontroversität der Einstellungen und Erfahrungen mit PVen auch für den Bereich der Intensivmedizin.

56,6 % (n=125/221) der Intensivmediziner sehen häufig bis immer Probleme im Umgang mit PVen. Über 90 % sind jeweils der Meinung, dass die PVen zu allgemein formuliert sind, nicht klar definiert sind und den konkreten Krankheitsfall nicht abdecken. 86,4 % der Ärzte (n=185/214) wünschen sich mehr zielorientierte als maßnahmenorientierte PVen und 84,6 % (n=182/215) eine zusätzliche Vorsorgevollmacht. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass eine unklar formulierte PV von 70,6 % (n=154/218) der Ärzte trotzdem als hilfreich eingeschätzt wird. Bei der Erstellung einer PV befürworten 72,0 % (n=154/214) eine Pflicht zur Aufklärung über mögliche Gefahren.

Hinsichtlich der neuen Rechtslage empfinden 69,4 % (n=145/209) mehr Spielraum, um den Patientenwillen umzusetzen. Zudem ergab eine Fallvignette zu Therapiebegrenzung trotz guter Prognose, dass 5 Jahre nach Gesetzeseinführung eine hohe Akzeptanz des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten bei den Intensivmedizinern (84,5 %; n=180/213) erkennbar ist.

Schlussfolgerung: Trotz einer Vielzahl an Problemen im Umgang mit PVen werden diese generell als unverzichtbar empfunden. Zukünftig benötigt es jedoch weitere Strategien und Konzepte zur Unterstützung einer wirksamen Umsetzung des im Vorfeld geäußerten Patientenwillens.