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Prävention zwischen Evidenz und Eminenz
15. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

13.03. - 15.03.2014, Halle (Saale)

„Das entscheidet der Arzt“ – Neuroleptika in Pflegeheimen

Meeting Abstract

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  • author presenting/speaker Julia Lühnen - Universität Hamburg, Gesundheitswissenschaften, Hamburg, Deutschland
  • corresponding author Tanja Richter - Universität Hamburg, Gesundheitswissenschaften, Hamburg, Deutschland

Prävention zwischen Evidenz und Eminenz. 15. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Halle, 13.-15.03.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. Doc14ebmP2f

doi: 10.3205/14ebm053, urn:nbn:de:0183-14ebm0539

Published: March 10, 2014

© 2014 Lühnen et al.
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Hintergrund: Neuroleptika zur Behandlung von herausforderndem Verhalten bei Demenz werden häufig in Pflegeheimen verschrieben. Die Wirksamkeit ist mäßig, die Nebenwirkungen bedeutsam. Fraglich ist, ob Menschen mit Demenz aktiv am Entscheidungsprozess partizipieren. Patienten haben das Recht, über Risiken und Nutzen aufgeklärt und in Therapieentscheidungen einbezogen zu werden. Die Berücksichtigung ihrer Präferenzen ist immanenter Bestandteil der EbM. Ziel der Untersuchung war es, Präferenzen der Patienten zu explorieren.

Methoden:

1.
In einer systematischen Literaturrecherche in 11/2013 wurde in den Datenbanken MEDLINE, Embase, CINAHL, PSYNDEX und PsycINFO mit den Schlagworten neuroleptic, dementia, decision nach Publikationen zu Entscheidungsprozessen zur Verordnung von Neuroleptika bei Demenz gesucht.
2.
Es wurden Interviews mit Menschen ohne deutliche kognitive Einschränkung geführt, die in den Merkmalen Alter und Wohnsituation der Gruppe der Dementen ähnelt. Diese wurden transkribiert, kategorisiert und analysiert.

Ergebnisse:

1.
Von 1380 Publikationen wurden 6 im Volltext gescreent, 1 Arbeit wurde eingeschlossen. 17 Heimbewohner zwischen 53 und 97 Jahre mit 7 bis 17 Medikamenten wurden in halbstrukturierten Interviews zur Teilhabe an Entscheidungen zu Verschreibungen befragt. Alle Bewohner berichteten, in der Regel die Verantwortung abzugeben und die Verordnung des Arztes nicht anzuzweifeln. Zur Ablehnung komme es nur bei stärkeren Nebenwirkungen.
2.
Es wurden 16 Menschen zwischen 64 und 91 Jahre, 3 männlich, 13 Pflegeheimbewohner interviewt. Es wurden z.B. die Kategorien Entscheidungsträger, Gründe gegen bzw. für Neuroleptika gebildet. Zu den Entscheidungsträgern wurde deutlich, dass das Vertrauen in das fachliche Urteil des Arztes groß ist, aber auch die Einbeziehung naher Angehöriger war den Befragten wichtig. Für die Verschreibung spricht nach deren Angaben der Wunsch, Unruhe und Aggression zu dämpfen, um die Situation für Betroffene und Pflegende erträglicher zu machen. Gegen die Verschreibung spricht z.B. die Angst „[…] dass der Mensch nur vollkommen apathisch daniederliegt.“

Schlussfolgerung: Ansichten, Wünsche und Wertvorstellungen Betroffener zur Verordnung von Neuroleptika wurden bisher kaum untersucht. Ein Abwägen von Wirkung und Nebenwirkungen steht nicht im Vordergrund. Entscheidungsrelevant scheint vielmehr das große Vertrauen in ärztliche Verordnungen zu sein. Dies steht im Gegensatz zu der Über- und Fehlversorgung von Menschen mit Demenz.