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Dekompensierender Strabismus sursoadductorius und Trochlearisparese: Differentialdiagnose und Therapiemöglichkeiten
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Published: | September 18, 2006 |
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Augenmuskelparesen treten vorwiegend im höheren Lebensalter auf. Kongenitale Paresen sind demgegenüber selten. Wenn infolge einer Kernaplasie oder frühembryonalen Störungen die Innervation eines äußeren Augenmuskels durch autochthone Axone ausbleibt, sprossen Axone mit originär anderem Zielgebiet ein. Es resultieren Fehlinnervationssyndrome. Tritt die Störung bei bereits fertiger neuromuskulärer Verschaltung auf, resultiert lediglich eine angeborene Parese, deren Motilitätsmuster sich allerdings von dem einer erworbenen Parese desselben Muskels deutlich unterscheiden kann, da die neuronale Plastizität im Säuglingsalter eine gute Adaptation ermöglicht. Nebeneffekte dieser Adaptation erklären den Unterschied zwischen den Schielwinkelmustern der erworbenen Trochlearisparese und des dekompensierenden Strabismus sursoadductorius (engl.: congenital suerior oblique palsy). In beiden Fällen besteht eine Schwäche des Obliquus superior. Die erworbene Trochlearisparese geht daher mit einer störenden Exzyklotropie einher, die zusammen mit dem oft nur geringen Höherstand des betroffenen Auges im Abblick zunimmt, während beim dekompensierenden Strabismus sursoadductorius infolge von Adaptation die Verrollung nur gering ist, der Höherstand des betroffenen Auges dagegen ausgeprägt und oft im Auf- und Abblick wenig unterschiedlich. Die Größe des Kopfneigephänomens entspricht etwa der des Höhenschielens. Bei der beidseitig symmetrischen Trochlearisparese kann das Höhenschielen sowohl im Seitblick als auch bei Kopfneigung fehlen. Sie ist an der großen, im Abblick zunehmenden Exzyklotropie zu erkennen. Bei Abweichungen von diesen typischen Mustern durch die individuelle Variabilität der Obliquus-Zugrichtung und der Adaptationsfähigkeit ist die eindeutige Differenzierung zwischen einer angeborenen und einer erworbenen Störung allein anhand der Schielwinkel unter Umständen unmöglich. Neben einer sorgfältigen Motilitätsdiagnostik sind daher die Anamnese (Schielen, Kopfzwangshaltung, Verletzungen) und eventuell ein MRT zum Nachweis von muskulären und intrakraniellen Veränderungen erforderlich - auch um forensisch relevante Fehlinterpretationen zu vermeiden. In beiden Fällen ist die Therapie fast ausschließlich operativ. Sie erfolgt beim Strabismus sursoadductorius bei Bedarf ohne Aufschub, bei einer erworbenen Trochlearisparese wegen der Möglichkeit der Spontanremission erst 1 Jahr nach Paresebeginn.