gms | German Medical Science

22nd International Congress of German Ophthalmic Surgeons

18. to 21.06.2009, Nürnberg

Vitrektomiezugang transkonjunktival Contra

Meeting Abstract

Search Medline for

  • K. Lucke - Augenklinik Universitätsallee, Bremen, Deutschland

22. Internationaler Kongress der Deutschen Ophthalmochirurgen. Nürnberg, 18.-21.06.2009. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2009. Doc09docH 8a.12

doi: 10.3205/09doc035, urn:nbn:de:0183-09doc0350

Published: July 9, 2009

© 2009 Lucke.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Outline

Text

Vor über sechs Jahren wurde erstmals von der Firma Bausch & Lomb, in der ophthalmologischen Welt propagiert durch Eugene De Juan, die Entwicklung eines neuartigen 25g transkonjunktivalen nahtlosen Vitrektomiesystems (TSV) vorgestellt. Andere ähnliche Systeme folgten. In den Jahren seitdem ist die Kontroverse, ob diese Entwicklung für die Glaskörperchirurgie einen echten Fortschritt darstellt, in Fachkreisen nicht zum Stillstand gekommen. Es ist Aufgabe dieser Präsentation die argumentative Position gegen diese Innovation einzunehmen.

Als wesentlicher Vorteil der transkonjunktivalen Chirurgie wurde und wird die durch den geringen Instrumentendurchmesser bedingte Möglichkeit einer nahtlosen Vorgehensweise und daraus resultierend ein signifikant erhöhter Patientenkomfort angegeben.

Dabei wurden erhebliche Nachteile in Kauf genommen: durch geringeren Instrumentendurchmesser langsamere Glaskörperentfernung oder bei gleicher OP-Zeit Reduzierung der Operation auf eine Core-Vitrektomie, biegsamere Instrumente und damit geringere Kontrolle über den Bulbus, Verzicht auf abgewinkelte Instrumente durch die Verwendung von Trocharen und nicht zuletzt ein wesentlich höherer Preis durch den Einsatz extrem teurer Verbrauchsmaterialien.

In der öffentlichen Diskussion zu dem Thema wurde der Vorteil des geringen Instrumentendurchmessers in den Vordergrund gestellt, gemeint war aber immer der vermeintliche Vorteil einer Operation ohne Bindehauteröffnung, denn es ist für den Patientenkomfort wahrscheinlich ziemlich egal, ob die Sklerotomien für 0,5 oder 0,9mm dicke Instrumente gemacht wurde.

Beim Betonen des erhöhten Wohlbefindens verglich man aber Äpfel mit Birnen: die neuartige kleine transkonjunktivale Schnittführung einerseits mit der traditionellen Methode andererseits, nämlich einer großflächigen Bindehauteröffnung, drei Sklerotomien verteilt auf drei Quadranten und Bindehautvernähung mit mehreren 8-0 oder gar 6-0 Vicrylfäden oder gar Nylonfäden, die später wieder entfernt werden mußten.

Bei dieser traditionellen Methode war in der Tat der perioperative Patientenkomfort etwas schlechter als mit einer nahtlosen Vorgehensweise.

Aber schon lange vor Einführung der transkonjunktivalen Chirurgie hatten viele Glaskörperchirurgen die traditionelle Methode verbessert. Z.B. durch Einsatz von kleineren Bindehauteröffnungen, Verlegung der Sklerotomien weitgehend in die oberen Quadranten unter das Lid und Bindehautverschluß mit versenkten 10-0 Biosorb Fäden oder Fibrinkleber zur Vermeidung eines postoperativen Fremdkörpergefühls. Auch damit läßt sich am ersten postoperativen Tag ein fast weißes Auge ohne nennenswerten subjektive Beschwerden erreichen.

Die Vorteile dieser alternativen schonenden Methoden liegen auf der Hand: Der Patientenkomfort ist gewährleistet, aber man kann stabile 20g Instrumente - auch abgewinkelt - benutzen, die Vitrekomie ist schneller bzw. gründlicher und die Kosten betragen nur einen Bruchteil.

Auch in Bezug auf Endophthalmitis zeigt sich eigentlich nicht überraschenderweise ein signifikanter Nachteil der Chirurgie ohne Bindehauteröffnung. Während ich selber in über 6000 Vitrektomien noch nie eine Endophthalmitis gesehen habe, werden in der Literatur für 25g transkonjunktivale Chirurgie Endophthalmitisraten bis zu 0,84% angegeben. Jede Endophthalmitis nach Vitrektomie ist für mich inakzeptabel. Daß sie bei transkonjunktivaler Chirurgie auftritt ist mit einiger Sicherheit darauf zurückzuführen, daß Bakterien durch den unverschlossenen Bindehaut-Sklera Tractus Zugang in den Glaskörperraum finden können.

Die bei transkonjunktivalen Systemen obligatorische Verwendung von Trocharen hat darüber hinaus mehr Nachteile als Vorteile: Sie sind teuer, erlauben keine abgewinkelten Instrumente, um sie herum kann der Glaskörper nicht befriedigend entfernt werden und wenn man sie rauszieht, wird dieser verbliebene Glaskörper in die Sklerotomie gezogen. Damit kann Traktion an der Netzhaut entstehen und die Sklerotomie ist eben nur von GK abgedichtet, aber nicht wirklich verschlossen.

Bei kritischer Betrachtung und angesichts sehr schonender Alternativen ist die Begeisterung für transkonjunktivale Chirurgie für mich nur schwer nachzuvollziehen.

Der Patient hat keinen wirklichen Vorteil, sofern sein Chirurg die alternativen Methoden schonender Glaskörperchirurgie beherrscht. Es verbleibt im Zweifelsfall eine größere Menge Glaskörper im Auge mit einem erhöhten Risiko verbliebener Traktion und einer Netzhautablösung und er trägt ein höheres Endophthalmitisrisiko.

Auch der Chirurg hat keine wirklichen Vorteile. Er muß auf einige Lieblingsinstrumente verzichten, mit biegsameren Instrumenten kämpfen, eine längere Operationszeit in Kauf nehmen und auf Grund der hohen Kosten für Verbrauchsmaterial schwinden die Ressourcen im Gesundheitssystem weiter, die noch für eine adäquate Vergütung medizinischen Personals zur Verfügung stehen.

Ich vermute, daß an der Propagierung dieses „modernen“ Trends im Wesentlichen die Industrie ursächlich beteiligt ist. Sie ist angesichts teurer Packs der eigentliche und einzige wirkliche Gewinner an dieser Innovation.

Man kann mir wahrlich keine Technologiefeindlichkeit nachsagen, aber ich meine, wir sollten technische Innovationen auf ihren wirklichen Vorteil für unsere Patienten außerordentlich kritisch hinterleuchten. Nicht alles was neu ist, ist gut. Und schon gar nicht alles, was teuer ist. Gut ist etwas nur, wenn es die Behandlung unserer Patienten nachhaltig verbessert. Sechs Jahre nach Einführung der transkonjunktivalen Chirurgie steht dieser Beweis aus meiner Sicht immer noch aus.