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Klinische Behandlungspfade in GKV-Routinedaten: Validierung der Notfall-Inanspruchnahme mit Hilfe von Primärdatenangaben
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Published: | October 2, 2023 |
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Hintergrund und Stand der Forschung: In den Notaufnahmen deutscher Krankenhäuser werden jährlich 20 Mio. Patienten versorgt. Um deren bestmögliche Versorgung zu sichern, müssen Struktur-, Ergebnis- und Prozessqualität standardisiert erfasst und ausgewertet werden.
Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Ein relevanter Qualitätsindikator ist die (erneute) Notfall-Inanspruchnahme innerhalb von 30 (7) Tagen. Bei entsprechenden Forschungsprojekten werden oftmals Untersuchungskollektive auf Basis von GKV-Routinedaten (a) zu einem Index-Ereignis selektiert und (b) dann im weiteren Zeitverlauf auf Basis individueller Behandlungspfade nachbeobachtet. Dabei wird die Notfall-Inanspruchnahme im ambulanten Setting über entsprechende EBM-GOPs (§295 SGBV) und stationär über den Aufnahmegrund (§301) operationalisiert. Um die Eignung der Notfall-Inanspruchnahme auf Basis von GKV-Routinedaten beurteilen zu können, wurde die Validität des QS-Indikators unter Berücksichtigung der Abrechnungsrelevanz (stationär vs. ambulant) analysiert.
Methode: Ausgehend von 9.606 volljährigen TK-Versicherten, die aufgrund einer Notfallbehandlung am Innovationsfondsprojekt ENQuIRE teilgenommen haben, wird die Leistungsinanspruchnahme auf Basis von GKV-Routinedaten im Zeitverlauf analysiert. Aufgriff für die Selektion des Untersuchungskollektiv ist die Inanspruchnahme einer Notfallbehandlung im Jahr 2019 bei einer der am Projekt teilnehmenden Notaufnahmen (n = 15 Kliniken). Voraussetzung war eine schriftliche Einverständniserklärung.
Ergebnisse: Bei 6.027 Versicherten (62,7%) ist in den GKV-Routinedaten (irgend)eine ambulante Notfallbehandlung dokumentiert, wobei diese nur bei 46,3% in einer der am Projekt teilnehmenden Kliniken erfolgte. Fokussiert man auf Fälle, bei denen die Notfallbehandlung tagesgleich dokumentiert ist, so liegt die Rate nur bei 22,2%. Vergröbert man den zeitlichen Zusammenhang (+/-1 Monat) steigt die Inanspruchnahmerate auf 54,7%. Eine tagesgleiche stationäre (Notfall-) Behandlung liegt bei 16,8% der Versicherten vor, wobei insgesamt 68,2% innerhalb von 365 Tagen stationäre behandelt wurden.
Diskussion: Bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Notfallversorgung liegt wider Erwarten ein Underreporting in einer Größenordnung von mind. 37,3% vor. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass Primärdaten zur Notfallbehandlung nicht uneingeschränkt als Goldstandard herangezogen werden können, sondern auch spezifischen Restriktionen (Bias) unterliegen. Die Notfallbehandlung kann noch zeitlich versetzt (nach)abgerechnet werden, wenn z.B. am Tag der Notfallbehandlung die Versichertenkarte nicht vorlag oder andere Kostenträger (z.B. Unfallversicherung) zuständig waren. Durch Korrekturdatenlieferungen erscheint dies dann erst zeitverzögert in den GKV-Daten.
Implikation für die Forschung: Zeitliche Unschärfen hinsichtlich Notfallbehandlungen in GKV-Routinedatenbei (u.a. Abrechnungstag vs. Behandlungsdatum) sollten durch die flankierende Primärdaten (Nach-)Erhebung zumindest für Subgruppen korrigiert werden. Idealerweise unter Nutzung digitaler Anwendungsmöglichkeiten (z.B. EPA-Funktion der Versichertenkarte).
Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; 01VSF17005