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Delegationsakzeptanz von Patient*innen im hausärztlichen Setting – eine Fragebogenerhebung in drei Bundesländern
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Published: | October 2, 2023 |
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Hintergrund und Stand der Forschung: Im Zuge der demographischen Entwicklung steht für eine zunehmende Zahl von älteren und multimorbiden Patient*innen eine abnehmende Zahl von Hausärzt*innen (HÄ) zur Verfügung. Um den daraus resultierenden Arbeitsbelastungen gegenzusteuern, sind angepasste Versorgungsmodelle notwendig. Ein Ansatz wird in der Ausweitung der Delegation ärztlicher Tätigkeiten an Medizinische Fachangestellte (MFA) gesehen. Während unter MFA und HÄ eine Ausweitung der Delegation heterogen diskutiert wird, deuten bisherige Erhebungen unter Patient*innen auf Akzeptanz hin.
Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Bisher blieb unbeantwortet für welche konkreten Behandlungsanlässe eine Versorgung ausschließlich durch MFA anstelle der hausärztlichen Betreuung für Patient*innen denkbar wäre. Die vorliegende Studie adressierte die folgende Forschungsfrage: Für welche Beratungsanlässe können sich Patient*innen in der hausärztlichen Praxis vorstellen, ausschließlich durch MFA versorgt zu werden, ohne dass HÄ involviert werden?
Methode: Unter den Patient*innen hausärztlicher Praxen in Berlin, Brandenburg und Thüringen wurde eine explorative Querschnittsbefragung mittels eines selbst erstellten und pilotierten Papierfragebogen durchgeführt. Die Daten wurden deskriptiv ausgewertet. Ergänzend wurde ein multiples binär logistisches Regressionsmodell zur Berücksichtigung von Cluster-Effekten auf Praxisebene (random intercept model) gerechnet. Die abhängige Variable stellte die Delegationsakzeptanz der Patient*innen dar.
Ergebnisse: Es nahmen 1.861 Patient*innen aus 61 Praxen teil. 30% der Befragten gaben an, dass für ihren aktuellen Behandlungsanlass, wegen dem sie die Praxis aufsuchten, eine Versorgung durch MFA denkbar gewesen wäre. Für die ergänzend abgefragten theoretischen Versorgungsanlässe (Wiederholungsrezept/Folgeverordnung, Krankschreibung, Überweisung, Routinekontrolle, unkompliziertes Anliegen) gaben dies mehr als die Hälfte (zwischen 54% und 86%) der Befragten an. Laut Regressionsmodell wurden HÄ bevorzugt, wenn Patient*innen älter waren (10-Jahres-OR=0.84, 95%-KI 0.75-0.93) oder ein kompliziertes Anliegen vorlag (OR=0.44, 95%-KI 0.26-0.80). Bei vier aktuellen Versorgungsanlässen („akute Beschwerden“ OR=0.27, 95%-KI 0.17-0.45, “Routinekontrolle“ OR=0.48, 95%-KI 0.30-0.79, „neues Problem“ OR=0.13, 95%-KI 0.06-0.28, „bekanntes Problem“ OR=0.16, 95%-KI 0.10-0.27) wurden ebenfalls die HÄ bevorzugt.
Diskussion: Die Erhebung erlaubte erstmalig Aussagen zur Delegationsakzeptanz von Patient*innen bezüglich aktueller und theoretischer Versorgungsanlässe im hausärztlichen Setting zu treffen. Hierbei fiel eine Diskrepanz im Antwortverhalten auf, je nachdem ob nach dem tatsächlichen oder nach einem theoretischen Beratungsanlass gefragt wurde. Delegationakzeptanz ist auf Seiten der Patient*innen tendenziell vorhanden, wenn auch abhängig vom Alter und Versorgungsanlass.
Implikation für die Versorgung: Eine Ausweitung der Übertragung ärztlicher Leistungen an MFA scheint aus Patient*innenperspektive vorstellbar. Mögliche daraus resultierende Effekte sollten in Interventionsstudien weiter untersucht werden.
Förderung: Einzelförderung (BMG, DRV, BMBF, DFG, etc); 01GK1902A