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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen: Delphi-Studie

Meeting Abstract

  • Annemarie Feißel - Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung (ISMG), Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Deutschland
  • Lisa Boyer - Universität Regensburg, Medizinische Soziologie, Regensburg, Deutschland
  • Tanja Bratan - Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe, Deutschland
  • Julika Loss - Robert-Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin, Deutschland
  • Claudia Schlüfter - Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe, Deutschland
  • Christian Apfelbacher - Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung (ISMG), Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf374

doi: 10.3205/23dkvf374, urn:nbn:de:0183-23dkvf3744

Published: October 2, 2023

© 2023 Feißel et al.
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Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Es besteht unvollständiges Wissen darüber, ob Menschen mit kognitiven Einschränkungen dazu in der Lage sind, ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität (health-related quality of life (HRQoL)) selbst zu berichten (self-reported), ob sie stellvertretend von Angehörigen oder Pflegenden berichtet (proxy-reported) oder von einer beobachtenden Person (observational) erfasst werden sollte. Zudem ist unklar, welche inhaltlichen Domänen erfasst werden sollten.

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Zielsetzung der Studie war es, multidisziplinär und unter Einbezug von Angehörigen von Menschen mit kognitiven Einschränkungen Konsens zu folgenden Fragestellungen zu erzielen: a) Wie soll die HRQoL von Menschen mit kognitiven Einschränkungen erfasst werden? und b) Was, d.h. welche Inhaltsdomänen sollten erfasst werden?

Methode: Das Delphi bestand aus drei Befragungsrunden und einer abschließenden Konsensuskonferenz. Nach jeder Befragungsrunde erhielten die Teilnehmenden die Ergebnisse der vorangegangenen Befragungsrunde und wurden um Neueinschätzung der Items gebeten. Bei der abschließenden Konsensuskonferenz wurden Items diskutiert, zu denen nach der dritten Befragungsrunde noch kein Konsens gefunden wurde. Konsens wurde angenommen, wenn mindestens 75% der Antworten auf die Antwortkategorien 6 (stimme zu) und 7 (stimme voll und ganz zu) oder auf die Antwortkategorien 1 (stimme überhaupt nicht zu) und 2 (stimme nicht zu) entfallen waren.

Ergebnisse: An der ersten Befragungsrunde nahmen 102 von 531 Expert:innen teil, dies entspricht einer Response von 19,2%. An der zweiten Befragungsrunde nahmen 68 und an der dritten Befragungsrunde 41 Expert:innen teil. Zudem konnten 11 Angehörige für die Teilnahme an der ersten und zweiten Befragungsrunde sowie neun Angehörige für die dritte Befragungsrunde gewonnen werden. Nach der dritten Befragungsrunde wurde bei 20 von 56 Items Konsens gefunden. Alle weiteren Items wurden in der Konsensuskonferenz unter Expert:innen und Angehörigen diskutiert und abgestimmt. Im Ergebnis wird nicht eine der drei Erfassungsmethoden präferiert, sondern eine flexible Kombination, abhängig vom Zustand der erkrankten Person, der Beziehung zur/m Angehörigen oder der Pflegekraft und weiteren Faktoren.

Diskussion: Der Schweregrad der kognitiven Beeinträchtigung kann sich erheblich zwischen kognitiv Erkrankten unterscheiden und hat immer Einfluss auf die optimale Art der Erfassung der HRQoL. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass das Ergebnis des Proxy-Berichts abhängig ist von der Perspektive, die sich zwischen Angehörigem/r und Pflegekraft oft deutlich unterscheiden kann, sowie von der Ausbildung der/des Angehörigen oder der Pflegekraft. Die longitudinale Erfassung der HRQoL bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen bleibt durch die meist voranschreitende Erkrankung eine Herausforderung.

Implikation für die Forschung: Das Ergebnis des Delphis zeigt Einschätzungen der Expert:innen sowie der Angehörigen zur optimalen Erfassung der HRQoL bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Künftige patientenzentrierte Forschung zur HRQoL sollte diese Ergebnisse berücksichtigen.

Förderung: BMBF-Strukturförderung Versorgungsforschung; 01GL1905A