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Ein Einblick in die selbstberichtete Gesundheit von Menschen mit Rollstuhlabhängigkeit – eine Annäherung zur Anwendbarkeit des EQ-5D
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Published: | October 2, 2023 |
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Hintergrund und Stand der Forschung: Der EQ-5D ist ein geeignetes Instrument zur Erfassung der selbstberichteten Gesundheit in vielen Krankheitsbereichen und umfasst die Dimensionen „Mobilität“, „Selbstfürsorge“, Alltägliche Aktivitäten“, „Schmerzen“ und „Angst“. Für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, ist die Mobilität besonders relevant, da sie das Ausmaß erfasst, inwieweit Betroffene in der Lage sind, sich zu bewegen und Aktivitäten durchzuführen. Jedoch wurde der EQ-5D nicht speziell für Menschen im Rollstuhl entwickelt. Der fortschreitende Verlauf vieler Erkrankungen mit Bewegungsstörungen führt dennoch häufig zur Rollstuhlabhängigkeit. Dies macht es notwendig, Wissen über die Güte des EQ-5D in dieser Patientengruppe zu generieren.
Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Ziel ist es, die selbstberichtete Gesundheit mittels des EQ-5D von Menschen, die in einem Rollstuhl sitzen zu analysieren und mit Menschen ohne Rollstuhl zu vergleichen.
Methode: Wir analysierten Daten von 463 Patient*innen mit Friedreich Ataxie aus dem EFACTS Projekt (European Friedreich's Ataxia Consortium for Translational Studies). Zu mehreren Zeitpunkten wurden u.a. der EQ-5D-3L mit EQ-VAS sowie die Skala for Assessment and Rating of Ataxia (SARA - Ataxieschwere) und Limitationen in Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) als Teil der Friedreich's ataxia rating scale erfasst. Zur Baseline wurden die Verteilungseigenschaften der Instrumente für Patient*innen mit und ohne Rollstuhl analysiert, sowie die Antwortangaben auf Dimensionsebene des EQ-5D ermittelt. Zusätzlich wurden logistische Regressionen berechnet zur Erfassung von Assoziationen zwischen Rollstuhlnutzung und den EQ-5D-Dimensionen bzw. der EQ-VAS.
Ergebnisse: Signifikante Unterschiede zwischen Patient*innen mit Rollstuhl (n=216) und ohne Rollstuhl (n=247) zeigten sich bei Alter Krankheitsbeginn (12,1±6,4 vs. 21,0±11,3), im EQ-5D-Index (0,47±0,19 vs. 0,69±0,13), in der Ataxieschwere (SARA score: 29,7±4,7 vs. 14,6±6,3) und bei den Limitationen der ADLs (20,4±5,0 vs. 9,0±4,5). Die EQ-VAS-Werte waren in beiden Gruppen annährend identisch hoch. Rollstuhlfahrer*innen berichteten häufiger über mäßige bis starke Probleme in der Mobilität als Patient*innen ohne Rollstuhl. Regressionsanalytisch war die Rollstuhlnutzung signifikant mit einem höheren EQ-VAS-Score verbunden.
Diskussion: Es scheint plausible, dass eine Rollstuhlabhängigkeit mit einem schwereren klinischen Krankheitsbild und einem schlechteren EQ-5D-Index einhergeht. Bei Betrachtung der allgemeinen Gesundheit (EQ-VAS) zeigt sich jedoch ein konträres Bild in Richtung „Disability paradox“.
Implikation für die Forschung: Weitere Forschung ist notwendig, um Faktoren zu identifizieren, die einen Einfluss auf die subjektive Gesundheit nehmen, um das Konstrukt der allgemeinen Gesundheit des EQ-VAS bei Patient*innen mit Rollstuhlabhängigkeit besser zu verstehen.
Förderung: Sonstige Förderung; 349-RA