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Inzidenz und Risikofaktoren für persistierenden postoperativen Opioidgebrauch nach stationären operativen Eingriffen
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Published: | October 2, 2023 |
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Hintergrund und Stand der Forschung: Da häufig erstmals nach operativen Eingriffen Opioide eingenommen werden, stellen diese einen möglichen Einstiegspunkt in einen langfristigen Opioidgebrauch dar, der mit einer Suchtgefährdung und erheblichen Nebenwirkungen assoziiert sein kann [1].
Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Wie hoch ist die Inzidenz persistierenden postoperativen Opioidgebrauches (PPOG) nach stationären Operationen? Welchen Anteil haben patientenseitige Risikofaktoren an der Entwicklung und welchen Anteil hat die Art des Eingriffes am Risiko für PPOG?
Methode: Studiendesign: retrospektive Kohortenstudie auf Basis von GKV-Routinedaten. Stichprobe: erwachsene BARMER-Versicherte mit einem stationären operativen Eingriff in 2018, ohne Opioidgebrauch im Jahr vor dem Eingriff und ohne Krebsdiagnose im Jahr vor und nach dem Eingriff. Variablen: PPOG wurde über Opioid-Verschreibung anhand ATC-Codes im ersten sowie zweiten postoperativen Quartal definiert [1]. Patientenseitige Risikofaktoren im Vorbeobachtungsjahr: Alter und Geschlecht, Erkrankungen (Zahl der Komorbiditäten nach Charlson Index, psychiatrische Vorerkrankungen), verschriebene Medikamente (Antidepressiva, Benzodiazepine, Nicht-Opiate-Analgetika), sowie die Zahl stationärer Krankenhausaufenthalte. Gruppierung chirurgischer Eingriffe: Adaptierung einer etablierten OP-Klassifikation zur Untersuchung akuter postoperativer Schmerzen [2] auf Verwendung in GKV-Daten (104 Eingriffskategorien). Analysen: Deskriptiver Vergleich der Inzidenz zwischen Eingriffsarten, Untersuchung von Eingriffsarten und patientenseitigen Risikofaktoren in logistischem gemischten linearen Modell.
Ergebnisse: Die Inzidenz von PPOG betrug 1,4% unter 203.327 eingeschlossenen Patienten. Die höchste Inzidenz wurde für Oberschenkel- (20/92, 21.7%, 95% CI=[14.5%, 31.2%]), und Unterschenkelamputationen (11/72, 15.3%, [8.8%, 25.3%]) beobachtet. In Absolutzahlen waren besonders bedeutsam: Eingriffe an der Wirbelsäule (752/11247, 6,7% [6,2%; 7,2%], Kniegelenksersatz (355/10985, 3,3% [3,0%, 3,7%]), und Hüftgelenksersatz (439/14681, 3,0% [2,7; 3,3]). Im gemischten linearen Modell wurden 26,2% der Varianz im PPOG durch die Art des Eingriffes erklärt, 14% durch vorbestehende Risikofaktoren (signifikant: höheres Alter, weibliches Geschlecht, Zahl der Komorbiditäten, Zahl der Krankenhausaufenthalte, Verordnung von Antidepressiva, Benzodiazepinen, Analgetika, Alkoholabusus, sonstige psychische Erkrankungen).
Diskussion: Die Inzidenz von PPOG war deutlich geringer als in einer vergleichbaren kanadischen Untersuchung [1]. Die Art des Eingriffes hatte jedoch einen großen Einfluss auf das Risiko für PPOG. Vor allem nach Major-Amputationen ist das Risiko mehr als 10-fach erhöht.
Implikation für die Versorgung: Die durchgeführte Operation sollte ebenso wie patientenseitige Risikofaktoren in die Risikoabwägung eines möglichst multimodal durchgeführten postoperativen Analgesiekonzeptes einbezogen werden.
Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; VKz: 01VSF19019
Literatur
- 1.
- Clark H, Soneji N, Ko DT, Yun L, Wijeysundera DN. Rates and risk factors for prolonged opioid use after major surgery: population based cohort study. BMJ. 2014;348:g1251. DOI: 10.1136/bmj.g1251
- 2.
- Gerbershagen HJ, Aduckathil S, van Wijck AJ, Peelen LM, Kalkman CJ, Meissner W. Pain intensity on the first day after surgery: a prospective cohort study comparing 179 surgical procedures. Anesthesiology. 2013 Apr;118(4):934-4. DOI: 10.1097/ALN.0b013e31828866b3