gms | German Medical Science

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Schnittstellenkommunikation und Informationstransfer in der medizinischen Versorgung von Menschen mit intellektueller Entwicklungsstörung: Qualitative Expert*innen-Interviews

Meeting Abstract

  • Anne Mainz - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • Meister Sven - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • Helmut Budroni - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • Martina Hasseler - Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Wolfsburg, Deutschland
  • Peter Schmidt - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • Jörg Stockmann - Evangelisches Krankenhaus Hagen-Haspe gem. GmbH, Hagen, Deutschland
  • Andreas Schulte - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • Christine Kersting - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • Achim Mortsiefer - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • Alexandra Schmidt - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf081

doi: 10.3205/23dkvf081, urn:nbn:de:0183-23dkvf0817

Published: October 2, 2023

© 2023 Mainz et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: In Deutschland leben etwa 350.000 Menschen mit Störungen der geistigen bzw. intellektuellen Entwicklung. Bei Kontakt mit den Leistungserbringenden des Gesundheitswesens sind sie in der Regel auf Unterstützung angewiesen, welche meist von Angehörigen oder beruflich Betreuenden geleistet wird. Bekannte Barrieren in der medizinischen Versorgung resultieren häufig aus Problemen beim Austausch von Gesundheitsinformationen.

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Die Studie dient der Erfassung von Erfahrungen, Barrieren und Lösungsansätzen in der Schnittstellenkommunikation bei der Versorgung von Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen. Durch die Befragung von sowohl Versorgenden als auch Betreuenden soll eine möglichst multiperspektivische Sicht auf die Informationsweitergabe entstehen.

Methode: Es wurden 13 semistrukturierte Expert*innen-Interviews mit Personen geführt, die intensiv in die Versorgung von Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen involviert sind. Sechs Teilnehmer*innen waren Mitarbeitende aus dem Gesundheitssektor und sieben Angehörige oder Betreuende von Menschen mit geistiger oder mehrfachen Behinderungen. Die Interviews wurden auf Tonband aufgezeichnet, transkribiert und nach der Auswertungsmethodik für Expert*innen-Interviews nach Meuser und Nagel analysiert.

Ergebnisse: Der Informationstransfer in der Versorgung läuft sehr heterogen ab. Schriftliche Informationen, wie Anamnesen oder Überweisungsbriefe, enthalten wichtige Informationen und sind häufig so umfangreich, dass sie aus Zeitgründen nicht detailliert eingesehen werden können. Daher werden insbesondere auch über persönliche und telefonische Kanäle gesundheitsrelevante Details weitergegeben, diese enthalten oft subjektive oder auch fehlerhafte Schilderungen. Digitaler Informationstransfer wird in der Theorie insbesondere für die Vernetzung und für Notfallsituationen als Chance gesehen. Im praktischen Alltag mit den aktuellen technischen Voraussetzungen erscheint dieser als kaum praktikabel. Einfache Sprache wäre ein zentrales Werkzeug um die Patient*innen selbst stärker in die Versorgung zu integrieren, auch mit digitalen Hilfsmitteln, allerdings sind die meisten Versorgenden kaum oder gar nicht in deren Verwendung geschult.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen aktuelle Barrieren und Fehlerquellen im Informationstransfer und den Bedarf nach Strukturierung, um die Versorgung sicherer und effektiver zu gestalten. Vor allem die Vernetzung der Akteure und die Inklusion der Patient*innen könnte mit Mitteln wie digitalen Lösungen und einfacher Sprache vorangetrieben werden, aber diese erfordern Schulungen der Versorgenden.

Implikation für die Versorgung: Die Schnittstellenkommunikation in der Versorgung von Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen ist aktuell von heterogenen Informationswegen und subjektiv eingefärbter Informationsselektion geprägt. Eine Strukturierung mithilfe digitaler Unterstützung scheint jedoch aktuell implementierbar.