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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Inanspruchnahme von Palliativversorgung in Deutschland nach Altersklasse und Geschlecht: Eine GKV-Routinedatenstudie

Meeting Abstract

  • Bianka Ditscheid - Institut f. Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland
  • Franziska Meissner - Institut f. Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland
  • Ursula Marschall - bifg - BARMER Institut f. Gesundheitssystemforschung, Berlin, Deutschland
  • Winfried Meißner - Abteilung Palliativmedizin, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland
  • Ulrich Wedding - Abteilung Palliativmedizin, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland
  • Antje Freytag - Institut f. Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf434

doi: 10.3205/22dkvf434, urn:nbn:de:0183-22dkvf4344

Published: September 30, 2022

© 2022 Ditscheid et al.
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Text

Hintergrund: Angebot und Zugang zu Hospiz- und Palliativversorgung wurden in den letzten Jahren auf vielfältige Weise gestärkt. Zur Inanspruchnahme von Palliativversorgung (PV) in verschiedenen Altersklassen und differenziert nach Geschlecht ist bisher wenig bekannt.

Fragestellung und Zielsetzung: Darstellung der PV deutschlandweit in verschiedenen Altersklassen (<65 J., 65–74 J., 75–84 J., 85–94 J., 95+ J.) und Geschlechtern (m/w).

Methode: Anhand von Routinedaten der BARMER wurden Versicherte (VS) selektiert, die in 2019 verstarben und mind. 19 Jahre alt waren. Für diese VS wurde, nach Altersklassen und Geschlecht stratifiziert, der Anteil mit mind. einmaliger Inanspruchnahme verschiedener Formen von PV – allgemeine ambulante PV (AAPV), spezialisierte ambulante PV (SAPV), stationäre Hospizversorgung (Hospiz) sowie stationäre PV im Krankenhaus (stat. PV) – im letzten Lebensjahr ermittelt. Die Ergebnisse wurden nach Alters- und Geschlechtsstandardisierung deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Die selektierte Studienpopulation umfasst N=117.436 VS (mittleres Alter 78,9 J., 50,4% w). Von diesen erhielten 36,2% PV (78,9 J., 53,3% w), 23,9% AAPV (80,1 J., 54,6% w), 16,0% SAPV (76,7 J., 50,7% w), 3,4% Hospiz (73,0 J., 56,4% w) und 9,9% stationäre PV (72,7 J., 49,5% w). Während bei Männern die Inanspruchnahme von PV über die Altersklassen hinweg kaum variiert (<65 J.: 29,8%, 65–74 J.: 35,4%, 75–84 J.: 35,2%, 85–94 J.: 35,0%, 95+ J.: 33,2%), sinkt sie bei Frauen mit steigender Altersklasse (45,5%, 42,4%, 38,3%, 35,7%, 36,4%). Eine mit dem Alter sinkende Inanspruchnahme zeigt sich bei beiden Geschlechtern für die SAPV: Männer: 16,1%, 18,5%, 16,4%, 13,7%, 10,5%; Frauen: 25,9%, 22,6%, 17,7%, 12,1%, 9,1%. Auch die Inanspruchnahme von AAPV ist bei Männern etwas geringer als bei Frauen. Sie nimmt bei Männern mit steigender Altersklasse zu (17,0%, 21,2%, 22,5%, 24,8%, 26,3%), während sie sich bei Frauen kaum verändert (26,0%, 25,7%, 24,7%, 26,1%, 29,0%). Sowohl Hospiz als auch stat. PV wurde von Frauen in den unteren Altersklassen häufiger in Anspruch genommen als von Männern (Hospiz – Frauen: 8,2%, 7,5%, 4,8%, 1,6%, 0,4%, Männer: 4,2%, 4,1%, 2,9%, 1,5%, 0,5%; stat. PV – Frauen: 24,1%, 18,6%, 11,1%, 4,2%, 1,9%, Männer: 14,0%, 14,1%, 9,7%, 5,4%, 2,2%).

Diskussion: Offen ist, ob eine mit höheren Altersklassen abnehmende Inanspruchnahme von SAPV, Hospiz und stat. PV auf abnehmenden spezialisierten Versorgungsbedarf oder Unterversorgung alter Menschen („Ageism“) verweist. Inwieweit die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der PV-Inanspruchnahme mit unterschiedlichen Tumorraten assoziiert sind, wird noch ermittelt. Offen ist, ob eine bei Männern geringere PV-Inanspruchnahme bei gleichzeitig mehr potenziell aggressiven Therapien am Lebensende [1] bedeuten könnte, dass Männer die palliative Situation schlechter annehmen als Frauen [2].

Praktische Implikationen: Die Aufklärung der zu diskutierenden Fragen kann Ansatzpunkte zur Versorgungssteuerung liefern.

Appell für Wissenschaft und Versorgung in einem Satz: Den Alters- und Geschlechtsspezifika der PV ist Rechnung zu tragen.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; 01VSF19026


Literatur

1.
Krause M, Ditscheid B, Lehmann T, Jansky M, Marschall U, Meißner W, Nauck F, Wedding U, Freytag A. Effectiveness of two types of palliative home care in cancer and non-cancer patients: A retrospective population-based study using claims data. Palliat Med. 2021 Jun;35(6):1158-69. doi: 10.1177/02692163211013666 External link
2.
Saeed F, Hoerger M, Norton SA, Guancial E, Epstein RM, Duberstein PR. Preference for Palliative Care in Cancer Patients: Are Men and Women Alike? J Pain Symptom Manage. 2018 Jul;56(1):1-6.e1. doi: 10.1016/j.jpainsymman.2018.03.014 External link