Article
Ökonomische Effekte einer zukünftigen Aufgabenneuverteilung zwischen Ärzt*innen und Pflegefachkräften: ein modellbasierter Ansatz zu den Folgen einer erweiterten Pflegepraxis
Search Medline for
Authors
Published: | September 30, 2022 |
---|
Outline
Text
Hintergrund: Neue Versorgungskonzepte, welche durch eine Aufgabenneuverteilung zwischen Hausärzt*innen (HÄ) und Pflegefachkräften (PFK) gekennzeichnet ist, wurden bislang nicht in die Regelversorgung überführt. Mit Hilfe der G-BA Richtlinie zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten (gem. § 63,3c SGBV) könnten innovative Versorgungsmodelle zukünftig in die Praxis implementiert werden. Der Erfolg der Umsetzung ist von verschiedenen Faktoren, wie einer klaren Rechtslage und der Sicherstellung der Qualifizierung, abhängig. Die ökonomischen Effekte für die beteiligten Professionen sind ein weiterer wesentlicher Erfolgsgarant.
Fragestellung: Modellbasierte Analyse der ökonomischen Effekte einer zukünftigen Aufgabenneuverteilung zwischen HÄ und PFK.
Methode: Die Selbstkosten einer PFK mit erweiterten Aufgaben wurden ermittelt und die ökonomischen Effekte der Delegation und Substitution einzelner Tätigkeiten (hier: Hausbesuche) berechnet. Folgende Parameter wurden berücksichtigt: Gesamtkosten und Kapazitäten einer PFK pro Jahr, Kosten pro Patient*in und Hausbesuch, eingesparte Zeit der HÄ, Durchführung zusätzlicher Tätigkeiten, Umsatzeffekte und Umsatzverluste. Die Analysen erfolgten deskriptiv.
Ergebnisse: Die Selbstkosten einer PFK, welche erweiterte Pflegerollen in Form eines umfassendes Case Management bei 60 Patienten pro Jahr durchführt, belaufen sich auf 780€ pro Patient*in. Bei 360 Hausbesuchen p.a. betragen die Kosten für einen Hausbesuch im Break-even-Punkt 130€ zur Deckung der Selbstkosten der PFK. Der entstehende Umsatzverlust des Hausarztes durch nicht getätigte Hausbesuche beträgt 13.784€ p.a. Zudem entstehen den HÄ durch die Übertragung von Tätigkeiten freie zeitliche Kapazitäten. Die Entlastung des Hausarztes*ärztin bei voller Kapazitätsauslastung einer PFK umfasst ca. 485 h/Jahr. Ein/e Hausarzt*ärztin könnte so 2.745 zusätzliche Konsultationen pro Jahr durchführen. Daraus ergibt sich ein zusätzlicher Umsatz in Höhe von 43.463€ p.a. Die Differenz aus Umsatzeffekt (durch zusätzliche Konsultationen) und Umsatzverlust (für nicht durchgeführte Hausbesuche) beträgt folglich 29.679€.
Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass die Erweiterung der Pflegerolle aus ökonomischer Sicht sinnvoll ist. Durch die zeitliche Entlastung entstehen den HÄ freie Kapazitäten zur Investition in andere umsatzsteigernde Tätigkeiten, wodurch die Selbstkosten einer PFK kompensiert sowie ein zusätzlicher Gewinn erwirtschaftet werden kann. Zudem kann die Versorgung der Patient*innen durch PFK zu Einspareffekten auf Seiten der Kostenträger und zur Verbesserung der Versorgung führen.
Praktische Implikationen: Die Ergebnisse können für die Diskussion zur Umsetzung neuer Versorgungskonzepte in der Praxis und damit für den Übertrag in die Regelversorgung von großer Relevanz sein. Speziell für ältere, multimorbide Patient*innen kann der Einsatz einer qualifizierten PFK eine adäquate medizinische Versorgung sicherstellen, die hausärztliche Versorgung entlasten sowie die Pflegerolle erweitern.
Appell für die Praxis: Insbesondere für hausärztlich unterversorgte Gebiete kann eine zukünftige Aufgabenneuverteilung zwischen HÄ und PFK einen Lösungsansatz darstellen.