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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Regionale Ungleichheiten der Tumorgröße bei Krebsdiagnose in Deutschland: Ergebnisse einer ökologischen Studie in acht Bundesländern

Meeting Abstract

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  • Philipp Jaehn - Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Brandenburg an der Havel, Deutschland; Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Potsdam, Deutschland
  • Andreas Bergholz - Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Brandenburg an der Havel, Deutschland; Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Potsdam, Deutschland
  • Christine Holmberg - Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Brandenburg an der Havel, Deutschland; Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Potsdam, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf419

doi: 10.3205/22dkvf419, urn:nbn:de:0183-22dkvf4194

Published: September 30, 2022

© 2022 Jaehn et al.
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Bedeutung des Wohnumfelds für die Krebsfrüherkennung wird in der internationalen Forschung zunehmend deutlich. Dabei ist ein Wohnort mit hoher sozioökonomischer Deprivation, einem geringen sozialen Kapital und einer ländlichen Siedlungsstruktur häufig mit einem fortgeschrittenen Stadium bei Diagnosestellung assoziiert. Allerdings haben bislang nur wenige Studien diese Merkmale in Kombination untersucht.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel dieser deskriptiven Studie war es, den Zusammenhang zwischen der räumlichen sozioökonomischen Deprivation, dem räumlichen sozialen Kapital und der Ländlichkeit mit der Größe des Primärtumors ausgewählter Krebserkrankungen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung in Deutschland zu untersuchen.

Methode oder Hypothese: Wir berücksichtigten alle inzidenten Fälle von Brustkrebs bei Frauen, kolorektalem Krebs, malignem Melanom, Gebärmutterkrebs und Blasenkrebs bei Männern, die von den epidemiologischen Krebsregistern in acht Bundesländern zwischen 2010 und 2014 erfasst wurden. Anhand der Informationen zum T-Status wurde für jede Krebsart eine fortgeschrittene Größe des Primärtumors bei Diagnose definiert. Geschlechtsspezifische, gegenseitig adjustierte Assoziationen der räumlichen Merkmale mit einer fortgeschrittenen Tumorgröße sowie Intraklassenkorrelationskoeffizienten (IKK) wurden durch logistische Mehrebenen-Regression auf Ebene der Landkreise geschätzt. Fehlende Angaben zur Tumorgröße wurden durch multiple Imputation berücksichtigt.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 386.223 Fälle in diese Analyse einbezogen. Eine hohe räumliche sozioökonomische Deprivation war mit einer fortgeschrittenen Tumorgröße bei Diagnose von Kolorektalkrebs und malignem Melanom assoziiert. Beim malignen Melanom stand außerdem ein geringes räumliches Sozialkapital bei Frauen und Männern und eine ländliche Siedlungsstruktur bei Männern im Zusammenhang mit einer fortgeschrittenen Tumorgröße. Für das maligne Melanom wurden zudem aussagekräftige IKKs gefunden. Es wurden keine Assoziationen bei Brustkrebs, Gebärmutterkrebs und Blasenkrebs identifiziert.

Diskussion: Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung des sozialen und siedlungsstrukturellen Kontextes für die Tumorgröße bei Diagnose des malignen Melanoms. Limitationen dieser Studie sind moderate Anteile an fehlenden Angaben zur Tumorgröße und eine hohe Heterogenität regionaler Eigenschaften auf Ebene der Landkreise. Im Unterschied zu Ergebnissen aus internationalen Studien war in Deutschland die sozioökonomische Deprivation und Ländlichkeit nicht mit der Tumorgröße des Brustkrebses assoziiert.

Praktische Implikationen: Die räumliche sozioökonomische Deprivation, das räumliche Sozialkapital und die Ländlichkeit sind unabhängige regionale Prädiktoren der Tumorgröße bei Diagnose des malignen Melanoms.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Sekundärpräventionsprogramme für das maligne Melanom sollten auf Gebiete mit hoher räumlicher sozioökonomischer Deprivation, geringem Sozialkapital und ländlicher Siedlungsstruktur ausgerichtet werden.