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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Anstellungsverhältnisse in der Hausarztpraxis: Eine Interviewstudie zur Perspektive von Ärzt:innen in Weiterbildung Allgemeinmedizin

Meeting Abstract

  • Leonie Boelter - Universitätsklinikum Heidelberg - Medizinische Fakultät, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • Charlotte Ullrich - Universitätsklinikum Heidelberg - Medizinische Fakultät, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • Leonie Horn - Universitätsklinikum Heidelberg - Medizinische Fakultät, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • Simon Schwill - Universitätsklinikum Heidelberg - Medizinische Fakultät, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • Michel Wensing - Universitätsklinikum Heidelberg - Medizinische Fakultät, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • Frank Peters-Klimm - Universitätsklinikum Heidelberg - Medizinische Fakultät, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland
  • Sandra Stengel - Universitätsklinikum Heidelberg - Medizinische Fakultät, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf388

doi: 10.3205/22dkvf388, urn:nbn:de:0183-22dkvf3882

Published: September 30, 2022

© 2022 Boelter et al.
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Seit 2006 ist der Anteil aller angestellten Hausärzt:innen in Deutschland von 3,1% auf rund 24% angestiegen. Zugleich wird das Themenfeld Anstellung im Kontext eines veränderten Stellenwerts des Berufs im Leben von Mediziner:innen in der Literatur diskutiert: In der jüngeren hausärztlichen Generation ist das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine reduzierte Wochenarbeitszeit von hoher Relevanz. Inwieweit Kerninhalte der Allgemein- und Familienmedizin wie personenbezogene Versorgungskontinuität und longitudinale Arzt-Patienten-Beziehung aufrechterhalten werden, ist Gegenstand von Wertediskussionen innerhalb der Profession.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der Studie war, die Erwartungen von Ärzt:innen in Weiterbildung Allgemeinmedizin (ÄiW) an das Modell der Anstellung von Hausärzt:innen in der hausärztlichen Versorgung zu explorieren.

Methode oder Hypothese: In einer explorativen Querschnittsstudie wurden 16 leitfadengestützte Telefoninterviews mit ÄiW aus drei Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs von April bis Oktober 2021 geführt. Die Daten wurden mit einem Verfahren der deduktiv-induktiven qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.

Ergebnisse: Die Aussagen der ÄiW zu Erwartungen an das Modell Anstellung betrafen vier Themenschwerpunkte a) Organisation und Arbeitsalltag in der Hausarztpraxis b) Patientenversorgung c) Anstellungsgrundlagen und d) Abwägung zwischen Anstellung und Niederlassung. Die Anstellung in der Hausarztpraxis wurde von den ÄiW insgesamt positiv und als Chance zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesehen. Vor allem in der Patientenversorgung beschrieben die ÄiW allerdings konkrete Herausforderungen: Erschwerte personenbezogene Versorgungskontinuität, begrenzte Verfügbarkeit und Behandlungszeit, bevorstehender Generationenwechsel und Nachwuchsmangel.

Diskussion: Aus Sicht der ÄiW kann den Herausforderungen in der Patientenversorgung, die durch Anstellung entstehen, mit guter Praxisorganisation und festen Kommunikationsstrukturen begegnet werden. Zugleich sehen sie bei Patient:innen die Notwendigkeit, sich an Veränderungen anzupassen. Die Anerkennung von Herausforderungen in der Patientenversorgung und Veränderungen in der hausärztlichen Versorgung durch vermehrte Anstellung sind realistisch und zugleich zukunftsorientiert, denn angestellte Hausärzt:innen sind versorgungsrelevant.

Praktische Implikationen: Best Practice Modelle der Versorgung sollten die Erwartungen angehender Hausärzt:innen an die Anstellung berücksichtigen, um zukunftsfähige, hausärztliche Versorgungsformen zu ermöglichen. Für aufgezeigte Herausforderungen in der Patientenversorgung sollten Qualitätskriterien für die Praxisorganisation entwickelt und evaluiert werden.

Appell für die Praxis: Folgestudien sollten die explorierten Faktoren quantifizieren und untersuchen, ob und wie sich die Anstellung von Hausärzt:innen auf die Patientenversorgung und die Arbeitnehmerzufriedenheit auswirkt.