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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Bevölkerungssegmentierung: Ein empirischer Ansatz zur Beschreibung des Versorgungsbedarfs auf Basis von GKV-Routinedaten

Meeting Abstract

  • Carolina Pioch - Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland
  • Cornelia Henschke - Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland
  • Hendrikje Lantzsch - Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland
  • Verena Vogt - Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland
  • Reinhard Busse - Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf387

doi: 10.3205/22dkvf387, urn:nbn:de:0183-22dkvf3873

Published: September 30, 2022

© 2022 Pioch et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Empirische Ansätze zur Bevölkerungssegmentierung gewinnen international zunehmend an Bedeutung, besonders bei der Entwicklung effektiver, patientenzentrierter Versorgungskonzepte für eine regional definierte Bevölkerung. Auch in Deutschland besteht seit längerem die politische Forderung nach einer stärker am Bedarf orientierten Versorgungsstrukturplanung auf regionaler Ebene.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel ist es,

1.
den Versorgungsbedarf der Bevölkerung in einem baden-württembergischen Landkreis mittels eines Bevölkerungssegmentierungsansatzes zu ermitteln und
2.
den Mehrwert des Ansatzes für eine regionale am Bedarf orientierte Versorgungsstrukturplanung abzuschätzen.

Methode oder Hypothese: Auf Basis von ambulanten und stationären Abrechnungsdaten des Jahres 2019 der AOK Baden-Württemberg werden die Versicherten in bedarfsorientierte, möglichst homogene Segmente eingeteilt. Zur Segmentierung der Bevölkerung wird ein two-stage Clustering angewendet. Über ein hierarchisches Verfahren (Ward's linkage) wird die Anzahl der Cluster bestimmt und darauf aufbauend eine k-means Clusteranalyse durchgeführt. Dabei werden folgende Segmentierungsvariablen berücksichtigt: Alter der Versicherten und Inanspruchnahme des Gesundheitssystems (ambulante Fälle in hausärztlicher sowie allgemeiner und spezialisierter fachärztlicher Versorgung, ambulante Notfälle, stationäre Notaufnahmefälle, stationäre Einweisungen sowie ambulante Fälle im Krankenhaus). Die resultierenden Segmente werden hinsichtlich ihrer Morbidität, Kosten und demographischen Merkmale beschrieben.

Ergebnisse: 126.046 Versicherte werden in sechs voneinander distinkte Bevölkerungssegmente eingeteilt: (i) Geringe Leistungs-Inanspruchnahme, (ii) Häufige hausärztliche Kontakte, (iii) Häufige ambulante Notfallkontakte, (iv) Häufige fachärztliche Kontakte, (v) Häufige Krankenhauskontakte und (vi) Hohe Leistungs-Inanspruchnahme. Die Inanspruchnahme des Gesundheitssystems, die Morbidität und die demographischen Merkmale sind in allen Segmenten signifikant verschieden. Das Segment „(vi)“ beinhaltet die geringste Anzahl an Versicherten (2,03% der Studienpopulation), verursacht aber 23,85% der Gesamtkosten. Die Inanspruchnahme liegt in allen Bereichen des Gesundheitssystems über dem Durchschnitt aller Versicherten. Dagegen macht das Segment „(i)“ einen Anteil von 42,89% der Studienpopulation aus mit 9,95% der Gesamtkosten. Hier liegt die Inanspruchnahme unter dem Gesamtdurchschnitt.

Diskussion: Segmentierungsansätze können die Bedarfsorientierung bei der Planung von Versorgungsstrukturen in einer Region stärken. Perspektivisch können auch die Dynamiken zwischen Segmenten analysiert werden, um den Ansatz als Prognoseinstrument für eine Bedarfsplanung zu nutzen.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Bevölkerungssegmentierung kann für eine morbiditäts- und leistungsorientierte Bedarfsplanung in einer Region verwendet werden.

Förderung: Sonstige Förderung